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Ausgabe:

1903

Spalte:

417-419

Autor/Hrsg.:

Boehmer, Julius

Titel/Untertitel:

Der alttestamentliche Unterbau des Reiches Gottes 1903

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 15.

18. Juli 1903.

28. Jahrgang.

Boehmer, Der altteftamentliche Unterbau des

Reiches Gottes (Bertholet).
Blafs, Grammatik des Neuteftamentlichen Grie-

chifch, 2. Aufl. (Thumb).
Riggenbach, Der trinitarifche Taufbefehl

Matth. 28, 19 (Schürer).

Zfcharnack, Der Dienft der Frau in den
erden Jahrhunderten der chrifllichen Kirche
(von der Goltz).

Batiffol, Etudes d'histoire et de theologie
positive (Drews).

Polemica de S. S. Eucharistiae Sacramento inter
Bartholomaeum Amoldi de Usingen ejusque
olim in Univ. Erph. discipulum Martinum
Lutherum ed. Duijnstee (Cohrs).

Mach, Das Religions - und Weltproblem
(Elfenhans).

Boehmer, Pfr. Lic. Dr. Julius, Der alttestamentliche Unter- haber aller Macht und Gewalt (S. 209). Von der erften
bau des Reiches Gottes. Leipzig 1902, J. C. Hinrichs'fche ! Reih_e urtheilt Boehmer, lie fei die fpecififch israelitifche

Buchhandlung. (V, 236 S. gr. 8.) M. 4.50; geb. M. 5.50

Boehmer's Unterfuchung will zeigen, wie es zu dem
Gedanken des Reiches Gottes im neuteftamentlichen
Sinne gekommen fei. Es handelt fich für ihn um die
Frao-e ob und inwiefern es auf altteftamentlichem Boden

Auffaffung des .Königs Jahwe' und entfpreche der Höhenlage
der prophetifchen, beffer gefagt: der Offenbarungsreligion
als folcher überhaupt. .Dagegen ift die andere
Reihe, welche den König Jahwe als den oberffen Machthaber
nimmt, auf gemeinfemitifchem Boden gewachfen,
hat zwar die natürlichen oder naturhaften Schlacken, die

ein .Reich Gottes' gegeben habe, und welcher Sinn mit der Melech-Gottheit anhiengen, abgeftofsen und ift in Israel

diefer Wendung von den altteftamentlichen Verfaffern je
und je verbunden worden fei. Boehmer will damit dem

von der Sonne der Offenbarungsreligion befchienen worden
, fo dafs allenthalben die Allmacht Jahwe's im Dienft

wefentlichen Mangel der bisherigen, auf die fynoptifchen der fitrlichen Idee fleht: allein bis auf die Höhe der
Evangelien fich erftreckenden Reichs-Gottesliteratur ent- I prophetifchen Religion ift fie eben nicht gelangt. Wir
gegentreten: fie habe nämlich die rechte altteftamentliche j haben hier den Unterfchied zwifchen dem Gott der Liebe
Grundlegung verfäumt. Und indem er den Gedanken des auf der einen und dem Gott der Macht auf der andern
Reiches Gottes im Alten Teftament nur aus diefem zu
erklären fich bemüht, möchte er zugleich leiften, was
auch die altteftamentlichen einfchlägigen Arbeiten bisher

hätten vermiffen laffen. , ,Es ift betrübend aber begreiflich, dafs die zweite Reihe

Zur Orientirung fchickt er das für die Unterfuchung i der Gedanken mehr und mehr überwog'(S. 212). So ftand
in Betracht kommende Material in Tabellenform vorauf. I es in der Zeit, welche das Buch Daniel entliehen fah.
Die eigentliche Darftellung gliedert fich in 3 Haupttheile: j ,Bei aller Herzensfrömmigkeit hat fein Verfaffer den
I Von den Urfprüngen bis David (S. 31—47); II Von ' tiefften Sinn der prophetifchen Predigt fich nicht zu eigen

Seite — beide gegen einander ifolirt: wohl hat jener
diefen Verfehlungen, aber diefer hat z. T. auch feine
felbftändige Stellung gegenüber jenem gewahrt' (S. 210).

David bis Deuterojefaja (S. 48—104); III Von Deutero-
jefaja bis Daniel (S. 105—228). Beigegeben ift ein Stellen-
und ein Autorenverzeichnifs.

Urfprünglich hat Israel nicht blofs den Gottesnamen
Melech fondern auch feinen Sinn mit den übrigen Semiten

gemacht, nicht erfafst, fondern die altifraelitifche Verbindung
von nW und jbtt wieder auf ihren gemein-
femitifchen Sinn zurückgeführt, nur dafs er diefen aufs
Stärkfte zu Israels Gunften potenzirt hat' (S. 226).

Schon diele fehr gedrängte Ueberficht mag zur Genüge

gemein gehabt (S. 41). Aber das Erftarken der Jahwe- darthun, wie viel Boehmer daran liegt, den Gegenfatz
relimon einerfeits und die Einführung des Königthums zwifchen einer gemeinfemitifchen Auffaffung von der
andererfeits "aben den Anftofs, dafs der in Israel bisher ! Gottheit als König und einer fpecififch-israelitifchen durch

wohlbekannte Königsname Jahwe's unmöglich wurde
(S.45f). Das Königthum felber erfcheint den israelitifchen
Frommen zunächft als Segen Jahwe's. Aber die fchlechten
Erfahrungen, die man allmählich mit den Königen machte,
führten zu einer andern Beurtheilung, und die vorexilifche
Entwickelung in der Schätzung des davidifchen König

zuführen. Ohne Zweifel hat er damit etwas Richtiges
angedeutet, und die moderne Babel-Bibelliteratur zeigt
ja, wie nöthig wir Altteftamentler es haben, das fpecififch
Israelitifche in das ihm gebührende Licht zu rücken. Aber
durch die Art, wie Boehmer die Accente vertheilt, verdirbt
er m. E., was an fich gut fein könnte. Seine Gegen-

thums, fowohl des gegenwärtigen als des zukünftigen, überftellung der Gottheit als Machthaberin auf der einen
geht nicht bergan, fondern bergab. Inzwifchen wird Jahwe I und als Heilsverwalterin auf der andern Seite ift zu fchema-
lmmer gröfser; feine Stellung ift längft eine königliche. I tifch und zu doctrinär, als dafs fie den concreten ge-
Abernach Jefaja, Jeremia, Hefekiel erweift fich fein König- I fchichtlichen Verhältnifsen im Einzelnen gerecht zu wer

fein nur in Strafgerichten über fein Volk und die Heiden.
Dafs er als Heilsbringer König heifst, ift erft möglich,
nachdem das Bewufstfein von der Melechftellung der
femitifchen Gottheiten im Geilte der Propheten zurück-

den vermöchte. Wo läfst fich zwifchen Beidem überhaupt
eine einigermafsen beftimmteGrenzlinie ziehen? Bedeutet
nicht gerade die königliche Macht nach aufsen in fo vielen
hallen das Heil des Volkes nach innen, zumal auf antikem

getreten und es mit dem davidifchen Königthum aus war j Boden? Unwillkürlich erinnert mich aber Boehmer's

(vgl. S. 102—104). Das gefchieht am Ende des Exils bei
Deuterojefaja, der als Erfter das Reich Gottes predigt
(S. 118): Bei ihm ift Jahwe König als Vollender des Heils
Israels in der Zukunft. Seit Deuterojefaja laffen fich
zwei nebeneinanderherlaufende Reihen von Auffaffungen
des .Königs Jahwe' verfolgen: die eine knüpft unmittelbar
an ihn an und zeigt Jahwe als den Inhaber und
Bringer des Heils, deffen Verwirklichung unmittelbar
bevorfteht; die andere nennt Jahwe König als den In-

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Gegenüberftellung daran, wie die Juden felber einft, wo
ihrer und anderer Völker gleichzeitig Erwähnung gefchah,
forgfältig ihr b^ianb hinzufügten, als vergäben fie fich
etwas, fich auch nur einen Augenblick unmittelbar mit
folchen zufammenzunehmen. ,Es ift eben ein Unterfchied
zu machen'. Wer fo denkt, fleckt noch tief in der Dog-
matik drin, und das Gefchichtsbild, das fich für einen
folchen Standpunkt ergiebt, ift darnach. Man urtheile an
einem Beifpiel: ,1m Unterfchiede von andern femitifchen