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Ausgabe:

1903 Nr. 14

Spalte:

399-401

Titel/Untertitel:

Acta apostolorum apocrypha.(Partis alterius volumen alterum.) 1903

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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399

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 14.

400

1564fr.) trotz der von J. Weifs (Prot. Realencykl. 3X, 538f.)
noch geäufserten Bedenken bewiefen zu haben.

Halle a. S. Carl Clemen.

Acta apostolorum apocrypha. Post Constantinum Tischendorf
denuo ediderunt Ricardus Adelbertus Lipsius et
Maximiiianus Bonnet. Partis alterius volumen al-
terum. Acta Philipp! et Acta Thomae accedunt Acta Bar-
nabae. Edidit Maximiiianus Bon net. Lipsiae MCMIII,
H. Mendelsfohn. (XLII, 395 S. gr. 8.)

Kaum fünf Jahre nach dem Herauskommen der erften
Hälfte diefes Bandes der Acta apost. apocr. (befprochen
in 1900 Nr. 9 der Theol. Lit.-Zeitg.) bringt M. Bonnet
in der nunmehr vorliegenden 2. Hälfte wiederum Neues
und Altes aus feinem Schatze hervor, diesmal die Phil-
ippusacten (p. I—90), die Thomasacten (p. 99—288) und
die Barnabasacten (p. 292—302). Die Aufnahme der
letzteren, wie im 1. Theil der Bartholomäus- und Mat-
thäusacten, bei Ausfchliefsung fonftigen gleich werthlofen
fpäteren Stoffes läfst fich einigermafsen durch den Gefichts-
punkt rechtfertigen (Thl. 1, p. VIII), dafs fchon Tifchen-
dorf diefe mit den älteren Acten zufammen veröffentlicht
hatte. Ueberhaupt ift es bei diefer Ausgabe nicht auf
Claffificirung des gefammten Stoffes nach Rückfichten des
höheren Alters oder etwaiger Identität der Verfaffer ab-
gefehen, fondern lediglich darauf, die älteften abendlän-
difchen Texte durch Benutzung alles erreichbaren Hand-
fchriftenmaterials zu gewinnen. Freilich ift noch Einiges
unbenutzt geblieben, weil erft kürzlich bekannt geworden
(p. XIII und XV Philippusacten, p. XXXIII Andreasacten,
vergl. A. Ehrhard, Die altchriftl. Lit. bis 1900, S. 168),
doch ftellt fich diefer Mangel möglicherweife nur als
gering heraus. Die Hauptarbeit der Claffificirung der
zahlreichften, vermuthlich auch der wichtigften, abendlän-
difchen Texte ift von Bonnet jedenfalls fchon mit ftaunens-
werther Umficht und philologifcher Gründlichkeit geleiftet.
Auch die Schlufsregider diefes Theilbandes geben davon
Zeugnifs; hier findet der Erforfcher der fpäteren Gräcität
u. a. ein reiches Material zur Grammatik aufgefpeichert,
an dem der Herausgeber die ganzen Jahre über gearbeitet
hat. Leider liegt ja die nähere Datirung der einzelnen
Stoffe meift im Unficheren; zur chronologifchen Be-
ftimmung eines folchen Schriftganzen vermögen die
fprachlichen Indicien doch nur in fehr weiten Grenzen
beizutragen. Der eigentliche Index graecus zeichnet die
mehr das theologifche Gebiet ftreifenden Namen und
Begriffe zweckmäfsig durch gröfseren Druck aus; im Index
locorum trifft man nur drei anderweitige apokryphe
Schriften, in den Ada Andr. et Matth, den Uber Adae und die
Asc. Iesaiae, in den Acta Ioannis das Petrusevangelium.

Im Texte felbft vermifst man, dafs die orientalifchen
Verfionen zwar herangezogen, aber doch wichtigere wie
der Syrer der Thomasacten nicht mit derjenigen Genauigkeit
verwerthet find, die ihren felbftändigen Zeugenwerth
auch äufserlich in vollem Umfange erkennbar machte.
Die Sache liegt im angeführten Falle doch nicht blofs fo,
dafs wir im Syrer einen Begleiter einer wichtigen griechi-
fchen Hf. (U) haben, der in mehreren Fällen fogar Text-
überfchüffe bietet, fondern, wie Bonnet Burkitt (Journ.
of theol. Studies I 1900, p. 280 ff. II p. 94) zugeben mufs,
,res vidctur confecta esse, nec diutius iam dubitari posse
quin Uber graecus noster de syriaco expressus sit, sed de
syriaco lue täte paulo pleniore ac praesertim in gnosticis
integriore (cf. Lipfius I, p. 237; 325), et ad haue normam
recensio derigenda sit' (p. XXI). Dann befleht doch die
Möglichkeit, dafs bei differenten Bezeugungen derfelben
Textpartien durch die griech. Handfchriften oder deren
Gruppen das Auseinandergehen des Wortlauts durch
Rückgang auf das Syrifche erklärt wird, wenn wir auch
in dem erhaltenen Syrer eine fpätere Bearbeitung (einer
griechifchen Form?) vor uns haben, und es ift bei Text-

überfchülfen mit einem non nulla add. f plura add. f
(p. 199), während an anderen Stellen die Abweichungen
wirklich (lateinifch) angeführt werden, nicht gethan. Dafs
die Varianten des Syrers mit Vorficht aufzunehmen find
(p. XXIV), hat mir auch Dr. Rieh. Raabe, der fich eingehender
mit dem Verhältnifs der Verfionen befafst hat
und feinerfeits zu einer ähnlichen Anficht wie Burkitt gekommen
ift, freundlichft brieflich beflätigt. Der Berliner
Syrer, aus dem Bedjan 1892 fchon beffere Lesarten mit-
getheilt und den Raabe felbft verglichen hat, zählt ftatt
der 3 refp. 8 Abfchnittüberfchriften bei Wright (1871),
die fich überhaupt nur über etwa die Hälfte der Akten
erftrecken, deren 16. Den äthiopifchen Text hat Bonnet
noch nach Malan (1871) ftatt nach F. W. Budge (1899.
1901) benutzt.

Das verwickelte Verhältnifs der handfehriftlichen
griechifchen Ueberlieferung ift von dem Herausgeber mit
vortrefflicher Ueberfichtlichkeit in der Praefatio dargeftellt.
Die Hff. häufen fich in den letzten und erften Praxeis der
Thomasacten, alfo in dem Martyrium und den Eingangs-
capiteln, aus denen Auguftin die Gefchichte von der ab-
gebiffenen Hand kannte (Preufchen bei Harnack, Gefch.
der altchr. Lit. I 118). In den mittleren Praxeis kommen
ftellenweife nur wenige Hff. vor, bis zu einer (U). Die
beiden fonft durchgehenden Hff. find P (Paris.gr. 1510
saec. XI/XII) und Ü (Vallicellan. B 35 saec. XI). Nach
jenen und drei anderen Parifer Hff. und mit Berück-
fichtigung des von Tifchendorf 1851 herausgegebenen
Textes hatte Bonnet bereits 1883 diefe Acten herausgegeben
mit eigenen und Ufener's Emendationen und
unter Anfchlufs lateinifcher Berichte (Suppl. codicis
apoeryphi I). Neuerdings ift die Capitelzahl von c. 39 an
verändert; die neu aus U bekannt gegebenen Partien
liegen vor in c. 143 f. (p. 24921-—2511), c. 149, c. 167
(p. 2816—2824) und befonders in c. 107—113 (von p. 21911
an), wo der Hymnus von der Seele fleht, der bisher, wie
das Vaterunfer (p. 25of.; nach Matth., ohne Doxologie!),
nur aus Syr. bekannt war. An Stellen, wo U und P erheblicher
auseinandergehen, hat Bonnet fie ftellenweife
von c. 83 an (wie in c. 20 andere Hff. einer Sondergruppe)
nebeneinander abgedruckt. Ein gröfseres Schlufsgebet
(p. 251 ff.) haben beide Hff. (bezw. ihre Begleiter) an ver-
fchiedener Stelle, jene im Kerker vor dem Königsfohne
Uzanes, diefe kurz vor der Hinrichtung des Thomas
(p. 282). Bonnet hat die doppelte Textbezeugung an der
erfteren Stelle gegeben, was fich aus Bequemlichkeitsrückfichten
wohl rechtfertigen läfst (p. XXII), wenn auch innere
Gründe die andere Anordnung als urfprünglicher er-
fcheinen laffen mögen (bei diefer wären die überfchiefsen-
den Textpartien in c. 167cf. 143 h einzuklammern oder
unter dem Text wiederzugeben gewefen, was mit den
Zwecken der Ausg. fich fchwer hätte vereinen laffen).
Die Frage nach der Urfprünglichkeit diefer Anordnung
und des Wortlauts der Gebete (P ift hier ftellenweife ausführlicher
) verdient noch eine befondere Discuffion.

Einfacher liegen die Ueberlieferungsverhältnifse bei
den jüngeren und werthloferen Philippusacten (von
Zahn, F'orfchungen VI i8ff., früheftens dem Ende des 4.
Jahrhunderts zugewiefen). Durch den cod. Vatic. gr. 824
saec. XI, auf den Bonnet 1884 ftiefs und woraus Batiffol
in den Anal. Bolland. IX (1890) das bis dahin Unbekannte
mit Beigabe einer eigenen lateinifchen Textüberfetzung
veröffentlichte, wurden aufser dem bis dahin fchon gedruckten
Martyrium (Praxeis XVsqq) und der II. Praxeis
weitere Stücke bekannt (Pr. I. III—IX), die aber nicht
einmal den Werth des Martyriums erreichen. Diefes giebt
fich als eine aus älterem Material von Apoftelacten, ins-
befondere denPetrusacten (Herrnfpruch bei derKreuzigung
p. 74h; Petrusgefchichte des neuerdings von C. Schmidt
herausgegebenen koptifchen Stücks p. 81), und eigenen
groben Erfindungen zufammengeftoppelte Legende, mit
fpärlichen ,gnoftifchen' Zügen (zufammengeftellt von R.
Liechtenhan in der Zeitlchr. f. neuteft. Wiff. 1902, S. 298h).