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Ausgabe: | 1903 Nr. 14 |
Spalte: | 397-398 |
Autor/Hrsg.: | Haupt, Erich |
Titel/Untertitel: | Die Gefangenschaftsbriefe.(Kritisch - exegetischer Kommentar über das neue Testament. XIII. und IX. Abteilung) 1903 |
Rezensent: | Holtzmann, Heinrich Julius |
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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 14.
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an ihn die beiden anderen Synoptiker fchildern, fei eine
andersartige judäifche einhergegangen, und wie Petrus für
jene, fo habe Johannes für diefe ein befonderes Intereffe
gehabt. Aber das Erftere folgt doch aus der galiläifchen
Herkunft des Petrus (die er mit Johannes theilte) entfernt
noch nicht, ebenfo wenig wie das Letztere aus deffen
fpäterem Aufenthalt in Jerufalem (der wieder ebenfo von
Petrus zutraf). Und feine Bekanntfchaft mit dem Hohen-
priefter und Anwefenheit unter dem Kreuz find felbft zu
beftritten, um etwas beweifcn zu können. Wollten wir
aber, wie es für den vierten Evangeliften in der That,
wenngleich in anderer Weife (derj enigen Baldenfperger's j
und Jülicher's) anzunehmen ift, auch für den zweiten
ein folches einer beftimmten Gegend geltendes Intereffe
vorausfetzen, fo bliebe doch immer unverftändlich, dafs
Jefus dort — und zwar nicht nur in Judäa — fo ganz
anders predigt, als hier; und das hat R. nicht erklärt.
Es ift daher gut, dafs er feine Lefer in der letzten
Note, in der er über Literatur und Methode fpricht, auf
Schmiedel's Artikel über John, son of Zebedee in der
Encyclopaedia biblica verweift; da finden fie in der That
eine vollftändigere Behandlung und im Allgemeinen befriedigendere
Löfung unferes Problems.
Halle a. S. Carl Clemen.
Haupt, Konfift.-Rat D. Erich. Die Gefangenschaftsbriefe.
Von der 7. bezw. 6. Auflage an neu bearbeitet von
E. H. (Kritifch-exegetifcher Kommentar über das Neue
Teftament, begründet von Heinr. Aug. Wilh. Meyer.
VIII. u.IX. Abteilung. — 8. bezw. 7. Auflage.) Göttingen
1902, Vandenhoeck & Ruprecht. (VI, 104, 198, 247 u.
180 S. gr. 8.) M. 9,—; geb. M. 10.50.
Zum zweiten Mal erfcheint diefer Commentar in der
Bearbeitung Haupts, umfänglich nur wenig und zwar in
verkürzender Richtung verändert, inhaltlich Zeugnifs
gebend von anerkennenswerthefter Fähigkeit, weiter- und
auch umzulernen. Geblieben ift allerdings die Behandlung
der fog. Einleitungsfragen, und ebenfo ift der gegne-
rifche Standpunkt, welchen fchon früher Weiffenbach
eingenommen hat, (Jahrg. 1899, Nr. 26, S. 699), auch
heute noch der meinige. Immerhin mufs ausgefprochen
werden, dafs dem Verfaffer im Vergleich z. B. mit Zahn
eine anerkennenswerthe Fähigkeit zu Gebote fleht, die
inneren Schwierigkeiten, welche zu negativen Entfchei-
dungen drängen, zu würdigen und die Motive der von
ihm bekämpften Kritiker zu verftehen. Dazu .bleiben
auch Einzelheiten übrig, welche vollgenügend zu erklären
ich aufser Stande bin' (S. 82). Beifpielsweife gehört
Eph. 3,5 hierher, fofern ,der nächfte Eindruck' (und doch
wohl auch der letzte) dahin geht, ,dafs die aMoöroXoi
xdi XQO<prfxai durch das Prädikat aus der Zahl der übrigen
Chriften herausgehoben und ihnen eine befondere Heiligkeit
beigelegt werden foll' (S. 101). Aenderungen der
Auslegung vollziehen fich theils ftillfchweigend, theils
werden fie ausdrücklich angemerkt, wie zu Kol. 2,11,13
oder zu Eph. 2, 14, wo jetzt elqqvn den Frieden mit
Gott bedeuten und das hinderliche rfjv lyd-Qav kurzweg
geftrichen werden foll. Im Allgemeinen jedoch ift fich
der Ausleger in Bezug auf alle cruces interpretum, wie
z. B. Phil. 2,6, gleich geblieben, und gleich geblieben
ift auch feine im Gegenfatze zu dem gloffatorifchen Verfahren
Meyer's flehende .pfychologifche Methode' der
Exegefe. Die dadurch bedingte Zerlegung des Schrifttextes
in Sinnabfchnitte thut natürlich dem altgewohnten
Gebrauch diefes Handbuches als Nachfchlagebuch erheblichen
Abbruch, während fie von fachlichen Vortheilen
begleitet ift, wie folche fich in dem gefchloffenen
Charakter diefes das Einzelne aus dem Ganzen erklärenden
und auf unverkümmerte Herausfteilung der Gedankenbildung
bedachten Commentars kundgeben. Nur im
Zufammenhang mit der Exegefe findet auch die varietai
lectionum Berückfichtigung. Der Druck ift äufserft
correct.
Strafsburg i. E. H. Holtzmann.
Albrecht, Past. Ludwig, Die Kirche im apostolischen und
nachapostolischen Zeitalter. Zweiter Band. Paulus, der
Apoftel Jefu Chrifti. Sein Wirken von der erften
Miffionsreife bis zur Gefangenfchaft in Cäfarea. (45 bis
54 n. Chr.) München 1903, C. H. Beck. (XI, 400 S.
gr. 8.) M. 4.50.
Der erfte Theil diefer Gefchichte des apoftolifchen
und nachapoftolifchen Zeitalters, der nur unter dem Titel:
Die erften fünfzehn Jahre der chriftlichen Kirche erfchienen
war, ift in Nr. 1 des Jahrg. 1901 angezeigt worden. Von
anderer Seite ift der Verf. zur Fortfetzung feiner Arbeit
aufgefordert worden und legt daher jetzt den zweiten
Theil vor, der das Leben des Paulus von der fog. erften
Miffionsreife bis zum Beginn der cäfareenfifchen Gefangenfchaft
erzählt. Ein dritter foll die Gefchichte des apoftolifchen
Zeitalters bis zum Tode des Paulus weiterführen.
Die Vorzüge des Buchs find diefelben wie früher:
gute Kenntnifs der Quellen und der wichtigften Literatur,
fowie anfchauliche und gefällige Darftellung. Befonders
der zeitgefchichtliche Hintergrund wird, allerdings im An-
fchlufs an Renan, Hausrath, Schürer u. a., meift recht
I treffend gefchildert; in den Einleitungsfragen fchliefst fich
der Verf. meiftanZahnan. Doch vertritt er die füdgalatifchc
Theorie in ihrer reineren Form und führt für die Abfaffung
des Galaterbriefs z. Z. des Aufenthalts in Athen auch
einige neue und wohl beachtenswerthe Gründe an, leugnet
auch weder die korinthifche Zwifchenreife, noch den
Zwifchenbrief. Aber fonft läfst er allerdings nur allzu oft
kritifches Urtheil und wirklich wiffenfchaftliche Behandlung
vermiffen.
Schon die Art, wie (meift ohne Begründung) die
Lesarten des fog. /?-Textes in der Apoftelgefchichte das
eine Mal aufgenommen, das andere Mal verworfen werden,
ift ganz willkürlich. Die Reden werden genau repro-
ducirt, obwohl der Verf. zugiebt, Form und Anlage fei
ein Werk des ,Lucas'. Selbft der Brief act. 15, 23 fr. foll
,in feiner urfprünglichen Geftalt überliefert' fein, von der
angeblichen Vereinbarkeit des übrigen Berichts mit Gal. 2
gar nicht erft zu reden. Befonders auffällig zeigt fich die
Gebundenheit des Verf.'s gegenüber der Erzählung act.
16, 16ff: dafs die Sclavin in Philippi einen Pythongeift
gehabt habe, glaubt er nicht; aber an ihrer dämonifchen
I Befeffenheit hält er durchaus feft. Neu ift m. W. — auch
Bornemann führt in feinem langen Excurs keinen
älteren Vertreter auf — die Deutung des xaTt%ü>v auf den
Engel Dan. 10, 5ff; überflüffig und undurchführbar die
Unterfcheidung von xaQovola tov xvq'iov und ajcupaveia
tfjs jcagovöiag avrov. Vielmehr hat neueftens auchWrede
(TU XXIV, 2, 43ff.), obwohl er den II. Theffalonicher-
brief für unecht hält, zugegeben, dafs Cap. 2 mit I, 5 vereinbar
fei.
| ; Doch es würde zu weit führen, wenn ich alle Irrthümer
I A.'s anführen wollte; ich befchränke mich alfo noch auf
einige, die auch bei Anderen häufig vorkommen. So erfcheint
erftlich Iconium immer wieder fchon zur Zeit des
Paulus als römifche Colonie; Ramfay hat {Expositor 1901.
VI.4,4I3. i)fpeciell die deutfchenGelehrten darauf aufmerk-
1 fam gemacht, dafs es das nicht war. Zweitens bringt man die
Chriftusleute I Kor. 1, 11 immer noch mit den Gegnern
des zweiten Briefs zufammen; durch das, was neueftens
Haupt (Deutfch-evangelifche Blätter 1903, 13) darüber
ausgeführt hat, wird das hoffentlich für die Zukunft unmöglich
. Drittens unter den Afiarchen find nicht die
| Vorfitzenden des afiatifchen Provinziallandtags, fondern
die Abgeordneten dazu zu verftehen; das fcheint mir
I Brandis (Realencykl. der klaff. Alterthumswiff.2 II, 2,