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Ausgabe:

1903 Nr. 14

Spalte:

395-396

Autor/Hrsg.:

Holzhey, Carl

Titel/Untertitel:

Schöpfung, Bibel und Inspiration 1903

Rezensent:

Lobstein, Paul

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395

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 14.

396

herrlichem Ziele führende Entwickelung Gottes unwürdig
wäre. — Doch es handelt fich nicht blofs darum, dafs
eine göttliche Offenbarung in der iffaelitifchen Religion
ohne Widerfpruch gedacht werden kann, fondern dafs
fie wirklich darin erkannt wird. Was kann uns beftimmen,
in dem Gang der altteftamentlichen Religionsgefchichte
die Wirklichkeit einer göttlichen Offenbarung zu erkennen?
Die rein hiftorifchen Mittel reichen hier nicht aus. Mit
ihnen kann wohl gezeigt werden, dafs der Glaube an Offenbarung
das Fundament der ifraelitifchen Religion bildet;
die Frage, ob jener Glaube recht hat, liegt jenfeits der
Hiftorie. Die Offenbarung ift nicht ein hiftorifcher, fondern
ein religiöfer Begriff. Innerhalb der alfo beflimmten
Grenzen können wir den Glauben an die Realität der
göttlichen Offenbarung weder auf die Lücken im Caufal-
zufammenhang der gefchichtlichen Entwickelung, noch
auf das Selbftzeugnifs der Propheten begründen; es mufs
vielmehr aus dem Inhalt der Religion ihr Offenbarungs-
Charakter abgeleitet werden. Der für die altteftamentliche
Religion charakteriftifchelnhalt, der dem Glauben den göttlichen
Urfprung diefer Religion verbürgt, ift der das alte
und neue Teftament zufammenknüpfende ethifche Charakter
der Gottesidee. Die ftufenweife Herausarbeitung
diefer Gottesidee in der Gefchichte Ifraels begründet in
uns dieUeberzeugung, dafs die altteftamentliche Religionsgefchichte
immer zugleich Offenbarungsgefchichte und
Heilsgefchichte ift.

Dies die Grundgedanken der in knapper Form einen
reichen Inhalt bietenden Schrift Traub's, die fich von den
am Anfang diefer Anzeige erwähnten Veröffentlichungen
vor allem dadurch unterfcheidet, dafs der Schwerpunkt der
Darftellung in der den zweiten Theil bildenden dog-
matifchen Frage liegt. Die klare und befonnene, nach
allen Seiten hin Umfchau haltende und dem Gegner
volle Gerechtigkeit zollende Unterfuchung wird hoffentlich
zugleich aufklärend, vertiefend und im beften Sinne
erbauend und verföhnend wirken. Zur weiteren Begründung
und zur Einreihung des Problems in den grofsen
Zufammenhang der theologifchen Disciplinen wird der
in der Zeitfchrift für Theologie und Kirche 1901, S. 301
bis 340 veröffentlichte Auffatz desfelben Verfaffers: ,Die
religionsgefchichtliche Methode und die fyftematifche
Theologie' werthvolle Dienfte leiften.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Holzhey, Prof. Dr. Carl, Schöpfung, Bibel und Inspiration.

Stuttgart 1902, J. Roth. (VII, 75 S. gr. 8.) M. 1.—

Der Verfaffer diefer von dem Generalvicar in Paffau
approbirten Schrift geht von einer feft gegebenen
Pofition aus und bewegt fich in Geleifen, die ihm durch
die häufig angeführten Beftimmungen des Tridentinums
und der Encyklika ,Providentissimus' vorgefchrieben
waren. ,Der Ausgleich des biblifchen Schöpfungsberichtes
mit den Refultaten der modernen Naturwiffenfchaft ift,
wie kaum in Abrede geftellt werden kann, eines der
dringendften Probleme der Gegenwart. Wer die ver-
fchiedenen Löfungsverfuche feit dem Durchdringen der
Kopernikanifchen Weltanfchauung kennt und die bis zur
Stunde verfochtenen enormen Gegenfätze überblickt,
mufs fich geftehen, dafs hier ein Hindernifs vorliegt,
defifen Befeitigung bisher noch nicht gelungen ift'.

Zur Löfung der alfo geftellten Aufgabe fchickt H.
zuerft einen Bericht der Wiffenfchaft über die
Schöpfung (5—18) voraus. Indemfelben kommen zur
Sprache: Entftehung der Welt und der Erde, Thierwelt
und Menfchenwelt nach der Darwin'fchen Lehre, Alter
und Herkunft des Menfchen vom prähiftorifchen Standpunkt
, Alter und Herkunft des Menfchen vom hiftorifchen
Standpunkt. Auf den Bericht der Wiffenfchaft folgt nun
der Bericht der Bibel über die Schöpfung: das
Hexaemeron, die exegetifchen Ausgleichsverfuche, das
Hexaemeron vom Standpunkt der theologifchen Kritik.

In diefem letzten Unterabfchnitt formulirt der Verf. den
Grundfatz, der den Hauptfehlüffel zum Verftändnifs des
biblifchen Berichts bildet und auch das Mittel zur Auf-
löfung des fchwebenden Conflictes darbieten foll. ,Die
in der Erzählung kurz erwähnten anthropologifchen und
religiöfen Anfchauungen, auf Grund der beiden Ideen:
Sabbatheiligung und Monotheismus, aufgebaut, bilden
den theologifchen Gedanken des Schöpfungsberichtes;
was er fonft noch enthält, ift Mittel zur Darfteilung,
Material um die Idee zu verkörpern. Diefes Material
hat der Erzähler nicht aus fich felbft poetifch geftaltet,
aber auch nicht, wie man früher annehmen zu müffen
glaubte, aus unmittelbarer Offenbarung Gottes empfangen,
fondern, wie fich zur Zeit mit genügender Sicherheit annehmen
läfst, aus der Ueberlieferung gefchöpft. Die zum
Theil wörtliche Uebereinftimmung mit dem babylonifchen
Weltfchöpfungs- und Sündfluth-Epos läfst hierüber keinen
Zweifel mehr übrig (S. 36.).'

Zur Deckung und Begründung diefer Sätze aus einem
allgemeineren und principielleren Zufammenhang dient das
letzte, ,Die Infpiration der heiligen Schrift' (45—75) über-
fchriebene Capitel. Die von dem Verf. vorgetragene
Theorie von der ,Vollkommenheit und der Unvoll-
kommenheit der hl. Schrift' findet ihre Anwendung auf
das Hexaemeron und veranlafst fchliefslich den Harmo-
niften, ,einige weitere Folgerungen' aus den Prämiffen
zu ziehen.

Der Verf. hofft, die Lefer werden die Ueberzeugung
gewinnen, dafs ,der hier vertretenen Löfung des Problems
, fofern fie fich bewährt, eine typifche Bedeutung
zukommt'. Er hat fich darin nicht getäufcht. Typifch
ift für jeden Unbefangenen der hier gemachte Verfuch,
in den durch die kirchliche Autorität und Cenfur geblatteten
Grenzen die Refultate der neueren religions-
gefchichtlichen Forfchung zur Anerkennung zu bringen.
Bewunderungswürdig und zugleich beklagenswerth ift die
Kunfl, mit welcher der katholifche Theologe den zwi-
fchen beiden Gröfsen latenten ConfTict zu verhüllen weifs.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Robinson, J. Armitage, D.D., The study of the Gospels.

(Handbooks for the Clergy.) London 1902, Longmans,
Green, and Co. (XI, 161 S. 8.) Geb. 2 s. 6 d.

Das vorliegende Buch des früheren Profeffors in Cambridge
und jetzigen Kanonikus von Weflminfter und Hofpredigers
ift aus Vorträgen entftanden, die der Verf. theils
in der Weltminfter-Abtei, theils in der Divinäy Schoo!
in Cambridge gehalten hat. So wird man in ihm keine
Detailunterfuchungen erwarten, und in derThat veranfehau-
lichen die vier erbten Capitel die fog. Zweiquellentheorie
über die Synoptiker nur an einzelnen, befonders deutlichen
Beifpielen. Immerhin ift der in Note A angeflehte Vergleich
zwifchen dem Stil des Marcusevangeliums und der
fpäteren auch neben den entfprechenden Unterfuchungen
namentlich von Hawkins und Wernle lehrreich; während
dagegen die beiden anderen über den Titel ,Menfchen-
fohn' und Mt. 11, 25 fr. m. M. n. keinen Fortfehritt bedeuten
. R. verfteht jenen von dem Christ of Humanity,
kann das aber nur Mc. 2, 10. 28 und Mt. 8, 20, Lc. 9, 58
einigermafsen wahrfcheinlich machen; feine Erörterung
der johanneifchen' Stelle leidet daran, dafs er trotz
Schmiedel, Prot. Monatshefte 1900, 1 ff. noch immer
einfach den reeipirten Text zu Grunde legt.

Um fo dankenswerther ift die Schilderung des Con-
traftes zwifchen den erbten drei und dem vierten Evangelium
in Cap. S, den man auch in ftreng wiffenfehaftlichen
Werken noch immer nicht häufig fo fcharf herausgeftellt
findet. Freilich die Löfung, die R. in feinem letzten
Capitel von diefem Hauptproblem der Evangelienfrage',
wie es P. Ewald mit Recht genannt hat, giebt, kann ich
nicht für genügend halten. Er meint, neben der galiläifchen
Wirkfamkeit Jefu, wie fie Marcus und erbt im Anfchlufs