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Ausgabe:

1903 Nr. 13

Spalte:

378

Autor/Hrsg.:

Weiss, Bernhard

Titel/Untertitel:

Das Johannes - Evangelium 1903

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 13.

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Col., wobei der englifche Textus receptus, die Stephanus- I dafs dies auch von anderen griechifchen Handfchriften
ausgäbe von 1550 in dem Neudruck von Lloyd zu Grunde I gilt, konnte er aus Tifchendorf's unzureichendem Apparat
gelegt ift. Lake hat richtig empfunden, wie fchwer es nicht lernen. Doch bietet die neue Handfchrift auch fo
ift, den Textcharakter einer Handfchrift zu beftimmen: j noch des Befonderen genug. Die Vermehrung des Madie
übliche Art, feine Abweichungen von einem ge- j terials für die Thomasacten ift —was Lake nicht wiffen

konnte — angefichts der foeben erfchienenen Neuausgabe
von Bonnet, nicht von folchem Belang: der neue Text
aus Ath. Iwiron 476 deckt fich, wie fchon Burkitt fah,
auf das Genauefte mit der eigenartigen Recenfion in B,
die Bonnet unter dem Haupttext gedruckt hat.

Auf eine fehr wichtige, hier S. 134 fr. verfteckte Entdeckung
aber mufs ich noch befondersaufmerkfam machen:

druckten Text, fei es dem Receptus oder einem kritifchen
wie W.-H.'s (Tifchendorf's willkürlich buntfcheckiger ift
ebenfo ungeeignet, wie Neftle's eklektifcher) darzuftellen,
genügt nicht: fie mufs in den Handfchriftenapparat ein-
geftellt werden. So giebt Lake Tabellen über die Ueber-
einftimmung von Vi) mit c [42], 2) mit D lat. gegen e
syr. [18], 3) mit syr. gegen D lat. e, [7], 4) mit lat. syr.

gegen c[8j, 5) mit LA etc. [17], 6) mit SB [18]; 7) Singu- j den Nachweis zweier längft verfchollenen Klöfter auf dem
läres in [24]. Mir will es klarer erfcheinen, in kühnem j Athos, die mit dem Abendland in Beziehung ftanden: ein
Griff die dem neu einzuordnenden Zeugen nächftftehende , Klofter der Amalhtaner (verftümmelt zu xb MoQcpivbv) und

Handfchrift oder Handfchriftengruppe auszuwählen, und
dann die Abweichungen von dem Gruppentypus nach
den verfchiedenen Seiten hin darzulegen. Im vorliegenden

ein ,kalabrifches', das mit dem h. Bartholomäus von Roffano
in Verbindung fteht. Das ift nicht nur bedeutfam zurBeur-
theilung der Provenienz mancher Handfchriften des Athos;

Falle ift, fchon um des doppelten Marcusfchluffes willen j erft diefer Nachweis erklärt auch die von Brockhaus be-
von L bezw. LA auszugehen: dann tritt Gruppe 5 mit 57 ! obachteten abendländifchen Einflüffe auf die Kunft des
[Itatt 17] charakteriftifchen Uebereinftimmungen an die i Athos.

Spitze und im Uebrigen bleiben nur 20 Abweichungen jena von Dobfchütz.

nach c zu, 27 nach dem fyrolateinifchen Text, 6 nach I ___

SB zu und die 24 singulären LAA Davon zu trennen ift Wei Wjrkl 0b..Konflft..Rath Pro£ Dr. Bernhardts
dann die Unterfuchung der Gruppe LAT . . ., welche » '

fich als ein zwifchen SB und AN . . . flehender Mifch- Johannes-Evangelium. Von der 6. Auflage an neu be-
text mit verhältnifsmäfsig viel guten alten LAA. erweift, arbeitet von W. (Kritifch-exegetifcher Kommentar
den man vielleicht SB gegenüber als den jüngeren über das Neue Teftament, begründet von H. A. W.
ägyptifchen bezeichnen darf. Auch in Luk. und Joh. Meyer. II. Abteilung. 9. neu bearbeitete Auflage)
fcheint T nicht viel weiter von L abzuftehen, nur dafs
die ganze Gruppe hier ftärker antiochenifch-byzantinifch
beeinflufst fcheint.

Ferner möchte ich, nicht um damit diefe Ausgabe
zu tadeln, fondern um ein allgemeines Princip auszu-

Göttingen 1902, Vandenhoeck & Ruprecht. (IV, 643 S.
gr. 8.) M. 8.— ; geb. in Halbleder M. 9.50.

Die feit 1880 erfchienenen vier Bearbeitungen des
Meyer'fchen Johannes-Commentars durch B. Weifs cha-
fprechen, fagen: wo es fich um Abdruck einer einzelnen rakterifiren fich vortheilhaft als ein fortfchreitender
Handfchrift^handelt, a"a follte diefer diplomatifch genau j Procefs der Affimilirung und Umgeftaltung des alten

Textes im Sinne und nach den bekannten textkritifchen,
exegetifchen und biblifch-theologifchen Grundfätzen des
Bearbeiters, fo dafs diefem der neue Text nunmehr fo

fein: mindeftens die Interpunction, womöglich aber auch
Accentuation, Zeilentrennung und grofse Anfangsbuch-
ftaben follten genau wiedergegeben werden. Das alles

kann bei der textkritifchen Verwendung wichtig werden, gut wie ganz angehört und fich nur durch ausführlichere
An zweiter Stelle bietet Lake eine Collation der Mittheilungen von feinem 1900 erfchienenen Commentar

Evangelien-Handfchrift Lawra 104/! (1071 bei Gregory
die, im 12. Jahrhundert von einer italienifchen Hand ge-
fchrieben, in der Perikope de adultera auffällige Ueberein-
ftimmung mit D zeigt. Sonft ift der Text, der bei Matth,
die fchon vor Bouffet von A. Ehrhard, Rom. Quartal-
fchrift 1891, behandelte Notiz über Collation mit Normalexemplaren
auf dem h. Berg (Sion) in Jerufalem hat,
ein merkwürdiges Gemifch der verfchiedenften Claffen,
darum jedenfalls beachtenswert!]. [S. 137 no. ift ftatt
Mattliew zu lefen Marc.)

Zur Textkritik des N.T.'s. gehört auch das 5. Stück:
ein in der Art der Gregory'fchen Prolegomena ge-

(,Die vier Evangelien im berichtigten Text') unterfcheidet.
Auch die angeftrebte Verkürzung ift wie fchon in den
früheren Auflagen noch weiter gediehen (vgl. Schürer,
Jahrg. 1880 diefer Zeitfchrift, Sp. 501 f.; 1893, Sp. 420 f.),
indem theils ganze Sätze, wo fie im Zufammenhang entbehrlich
fchienen, ausgefallen, theils Raum beanfpruchende
Abfätze entfernt, theils aber auch Hinweife auf ältere
philologifche Arbeiten und entbehrliche Claffikercitate
geftrichen worden find. Vornehmlich aber find Wiederholungen
, wie fie bei durchgeführter gloffatorifcher Methode
fich leicht einftellen, möglichft vermieden worden.
Eigentlich Neues ift nicht viel hinzugekommen.

überfetzt) und Schat Peterfen (1902), während das treffliche
Buch von Jean ReVille (1901) eher Beachtung verdient
hätte. Freilich nimmt daffelbe einen Standpunkt
ein, welcher dem vom Verf. ftandhaft behaupteten direct

haltenes Verzeichnifs von 187 neuteftamentlichen Hand- Berückfichtigt wurden die neuen Auflagen bei

fchriften auf dem Berge Athos, das manche von Gregory ' Zöckler-Luthardt und im ,Hand-Kommentar', dagegen

für den 3. Theil der Textkritik noch zu verwerthende Er- manches Andere, zumal Ausländifches, nicht. Das mag

gänzungen zu deffen Lifte liefert. Dabei giebt Lake feiner keinen Schaden bedeuten bezüglich der fkandinavifchen

Bewunderung für die Genauigkeit der Befchreibungen bei j Commentare von Bugge (übrigens 1894 von Beftmann
Gregory, der bekanntlich 1886 nur eine Woche für den
Athos Zeit hatte, unumwunden Ausdruck, wie er auch
gleich der Mehrzahl der englifchen Mitarbeiter Gregory's
Zahlenfyftem anwendet; es war ein überflüffiges Compli-

ment, das Neftle englifchem Selbftgefühl gemacht hat, entgegengefetzt ift. Da auch ich in der gleichen Lage bin

wenn er in der englifchen Ausgabe feiner Einführung und das in der Einleitung Gefagte faft ausnahmslos be-

Scrivener's Zahlen dafür einfetzte. auffanden müfste, begnüge ich mich hier mit einem Hin-

Das 3. und 4. Stück find werthvolle Beiträge zu den 1 weis auf früher Gefagtes (Jahrg. 1887, Sp. 76 f.) und unter

Apokryphen. Dafs der Apparat zu dem griechifchen Umftänden auch auf Solches, was ich gegen mannigfache

Text des Evangelium Nicodemi (Pilatusacten) um eine Angriffe (z. B. S. 403. 419. 439. 449) künftig vielleicht noch

wichtige, wenn auch junge Handfchrift vermehrt wird, in gröfserem Zufammenhang werde vortragen können.

ift bei der eigenartigen Textüberlieferung diefer Schrift ctf-af-u.,..« ■ r? u u-n,,-,«,..

r iT j- n. t „i _ u„<. • w * 1 , . . , r otralsburg 1. rt. Ii. Holtzmann.

ein grofses Verdienft. Lake hat richtig beobachtet, dafs

die neue Handfchrift vielfach mit den Ueberfetzungen

gegen die anderen griechifchen Zeugen zufammentrifft;

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