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Ausgabe:

1903 Nr. 12

Spalte:

359-360

Titel/Untertitel:

Bullarium Franciscanum 1903

Rezensent:

Mueller, Karl

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359

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 12.

360

Bullarium Franciscanum sive Romanorum pontificum con-
stitutiones, epistolae, diplomata tribus ordinibus Mi-
norum, Clarissarum, Poenitentium a seraphico patri-
archa sancto Francisco institutis ab eorum originibus
ad nostra usque tempora concessa. Tom. VI. Benedict
! XII, Clementis VI, Innocentii VI, Urbani V,
Gregorii XI documenta iussu atque auspiciis reve-
rendissimi P. M. Laurentii Caratelli de Signia, totius
ordinis Minorum S. Francisci conventualium, post
seraphicum patriarcham ministri generalis CVI a
Conr. Eubel, eiusdem ordinis alumno, digesta. Ro-
mae 1902. Leipzig, O. Harraffowitz in Komm. (LXIV,
687 p. Fol.) M. 40.—

Ueber den fünften Band des Bullarium Franciscanum,
den erften in der neuen Reihe, die P. Conrad Eubel bearbeitet
, habe ich in diefer Zeitung 1898 Nr. 13 berichtet.
Es ift eine Leiftung, in vier Jahren diefen neuen Band
und zugleich die Fortfetzung der Hierarchia catholica
medii aevi zu Stande zu bringen! Man kann dem Orden i
nur Glück wünfchen, dafs das Werk in Händen liegt,
die es fo rüftig vorwärts bringen. Der neue Band um-
fafst freilich nur 44 Jahre (1335—1378), und es find Bullen
genug darin, die für den Gebrauch der Gelehrten nicht in
ihrem ganzen Umfang veröffentlicht zu werden brauchten.
Eubel felbft giebt mehrfach folche nur in Regeftenform
und fügt dann vom Wortlaut der Bulle nur Adreffe, Anfangs-
Wort und Datum bei. Doch hätte es m. E. ohne Schaden
für die Sache in gröfserem Umfang gefchehen können,
und es wird wohl in Zukunft gefchehen müffen, wenn
die Bände nicht gar zu zahlreich werden follen. Im
Ganzen find es 1506 + 46 Bullen, die faft alle aus den
päpfllichen Regeftenbüchern gefchöpft find. Dazu kommen
anderweitige Stücke in den Appendices 1 und 2 I
und gelegentlich Stücke, die in den Anmerkungen
untergebracht werden. Wie der Herausgeber im Vorwort
bemerkt, ift die Zahl der Bullen, die bei Wadding fehlen, j
gröfser als fonft, 1. weil Wadding, vermuthlich abfichtlich,
u. a. alle diejenigen ausgelaffen habe, die einzelnen Mi- j
noriten geblatteten, zu andern Orden überzugehen, oder
in denen die Beobachtung von Bonifazens VIII Bulle
Super cathedram eingefchärft wurde, durch die die Händel
zwifchen Bettelorden und Weltklerus beigelegt werden
follten, 2. weil zu Wadding's Zeit eine grofse Anzahl
von Bullen noch nicht in Rom, fondern noch in
Avignon lag.

Die Art der Ausgabe und Bearbeitung ift diefelbe
geblieben; nur den einen meiner drei Wünfche hat Eubel
erfüllt, dafs die Nummer der Bullen an dem obern Rand
neben Papft und Papftjahr vermerkt wird.

Vom Inhalt der Bullen ift wenig zu fagen. Grofse
Ereignifse kommen kaum vor oder werden nicht neu beleuchtet
. Der Kampf gegen die Anhänger Michael's
von Cefena ift in der Hauptfache vorüber, nur einzelne
Nachwehen folgen noch: der gegen die Fraticellen geht
weiter, aber ohne merkwürdige Einzelheiten. Die Ver-
fuche, die urfprüngliche Regel und das Teftament Franzens
zur alleinigen Norm machen zu dürfen, werden zunächft
wieder abgelehnt (vgl. den intereffanten Befcheid an
König Robert von Sicilien, der das für feinen Schwager
Philipp von Majorca erbeten hatte, Nr. 123 vom Auguft
1340. Vgl. auch Nr. 384, vom Auguft 1346, wonach aus
der Hinterlaffenfchaft von Robert's Frau, der Königin
Sancia, ein Pack mit Schriften und allerhand Schriftlichkeiten
fowie andern Sachen in das Clariffenklofter von
Neapel gekommen ift und nun ausgeliefert werden foll,
weil man darin allerhand über Ludwig d. B. und anderes
Häretifche vermuthet). Allein bald darauf folgen die
erften Unternehmungen, die wenigftens eine Anzahl von
Jahren ihr Leben friften können, von Johann von Valle
und von Gentiiis von Spoleto. Aber für keines der

beiden konnte, foviel ich fehe, neues Material beigebracht
werden. — Die beiden grofsen Conftitutionen, die das innere
Leben des Ordens nach verfchiedenen Richtungen neu
regeln, die Bulle Redemptor noster von Benedict XII 1336
(Nr. 51 S. 25—44) und die ,farinerifchen' Generalconlti-
tutionen von Affin 1354 (Appendix II S. 639—655) waren
gleichfalls fchon bekannt.

Das neue Material fteckt wohl hauptfächlich in den
Bullen, die für die allgemeinere Gefchichte weniger
Intereffe haben, den zahlreichen Ernennungen zu allen
möglichen kirchlichen Aemtern uud Aufgaben, den verfchiedenen
Privilegien, Abläffen u. ä., den Urkunden, die
fich auf einzelne Convente beziehen. Auch für den zweiten
und dritten Orden ift, foviel ich fehe, nichts Beträchtliches
neu veröffentlicht. Aber das liegt in der Natur
der Sache und ift von einem folchen Bullarium kaum
anders zu erwarten.

Dagegen enthält der Appendix I zwei Proceffe, die,
bisher unbekannt, in mancher Beziehung intereffant find;
vor allem den des Bruders Andreas von Galliano 1337,
der befchuldigt war, ein Anhänger Cefena's, aber auch
Olivi's, und am Hof der Königin Sancia der eifrigfte Agitator
und Vorkämpfer gegen Johann XXII und die neue
Leitung des Ordens gewefen zu fein, fchliefslich aber
freigefprochen wird. Der zweite geht gegen eine Anzahl
Brüder und Schwertern des drittten Ordens, 1355; auch
er hängt noch mit dem Kampf unter Cefena zufammen.
Beide Mal find zahlreiche Zeugenausfagen protocollirt, die
intereffante Einzelheiten enthalten.

Die Regifter find wieder fo eingehend und mannigfaltig
, wie im fünften Band.

Breslau. Karl Müller.

Weis, Dr. phil. et theol. J. E., Die Choräle Julian's von Speier
zu den Reimoffizien des Franziscus- und Antoniusfestes.

Mit einer Einleitung nach Hff. herausgegeben. Mit einer
Tafel. (Veröffentlichungen aus dem Kirchenhiftorifchen
Seminar München Nr. 6.) München 1901, J. J. Lentner.
(VIII, 34 u. XXXVIII S. gr. 8.) M. 2.80

Den Berichten über die frühere Schrift desfelben Ver-
faffers und die parallelen Arbeiten von van Ortroy u.Felder
(Th. Lit.-Z. 1901 Nr. 4 u. 18) habe ich hier den über eine
zweite Veröffentlichung von Weis beizufügen. Sie fetzt fich
mit van Ortroy u. Felder auseinander und giebt fchliefslich
auf 38 Seiten eine .kleine Ausgabe der julianifchen Choräle'
nach Handfchriften und Drucken. Ich kann hierüber nichts
fagen, weil ich davon nichts verliehe, fondern nur das
ganz Aeufserliche bemerken, dafs die Ausgabe für die
Augen jedenfalls viel angenehmer ift als die Felder's.

Breslau. Karl Müller.

Comba, Em., Histoire des Vaudois depuis leurs origines
jusqu'ä nos jours. Premiere partie. Avant la reforme.
Paris 1901, Pischbacher. (775 p. gr. 8.)

Dem erften Band feiner Histoire des Vaudois d'Italic 1887
(f. ThLZ. 1888 Nr. 14) hatte Comba leider niemals einen
zweiten Band folgen laffen, obwohl eine Gefchichte der
Waldenfer feit der Reformation an fich nothwendiger
wäre, als die im MA. Jetzt ift nach 14 Jahren jener erfte
Band in zweiter ftark veränderter und erweiterter Auflage
erfchienen, nachdem ihm ein einleitendes Bändchen vorangegangen
war (ThLZ 1900 Sp. 81 f.). Auf dem Titel ift
der Zufatz ,d''Italic1 geftrichen. Aber das Buch als Ganzes
ift darum nicht anders geworden. Es handelt fich nicht
um das Waldenferthum als Gefammterfcheinung, fondern
um die Vorgefchichte der italienifchen Waldenferkirche,
insbefondere alfo ihr Urfprungsgebiet in den piemon-
tefifchen Alpenthälern. Was aufserhalb diefes Bereichs
gefchehen ift, wird nur berührt, fofern es auf die Waldenfer
der Thäler zurückwirkt. So verftehe ich nun auch den