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Ausgabe:

1903 Nr. 1

Spalte:

349-351

Autor/Hrsg.:

Gwilliam, G. H.

Titel/Untertitel:

Place of the Peshitto Version in the Apparatus Criticus of the Greek New Testament.(Studia biblica et ecclesiastica. Volume V, part. III.) 1903

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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349

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 12.

gelaffen hatte (Antoninus Martyr c. 23 in: Itinera Hierosol.
ed. Geyer p. 175: in quam levatus est Dominus, quando
audilus est a Pilato, ubi ctiam vestigia illius remanscrunt;
ich möchte hier beiläufig bemerken, dafs auch im heid-
nifchen Alterthum fich die Vorftellung findet, dafs Götter
bei ihren Befuchen auf Erden Fufsfpuren in Steinen zu-
rückgelaffen haben, f. Lanckoronski, Städte Pamphyliens
und Pifidiens Bd. II, 1892, S. 220). Im Mittelalter hat
dann die Legende in Betreff des Prätoriums allerdings
Schwankungen durchgemacht. Im zwölften Jahrhundert
verlegen es manche Pilger auf den ,Zion', d. h. den weltlichen
(oder Oberftadt-) Hügel. Aber die ältere, feit dem
vierten Jahrhundert nachweisbare Meinung hat doch die
Herrfchaft behalten. Noch heute fucht die fromme Pilgertradition
das Prätorium des Pilatus an der Stelle der Antonia.

Diefe Tradition hält auch der gelehrte Verfaffer des
hier anzuzeigenden Werkes für hinreichend gefichert. Das
Hauptverdienft desfelben ift die äufserft reichhaltige und
forgfältige Darfteilung der Tradition. Sie bietet mehr als
z. B. der betreffende Abfchnitt bei Tobler, Topographie
von Jerufalem I, 220 ff. (vgl. über das ältefte Stadium der
Tradition auch Riefs, Zeitfchr. des DPV. XI, 220ff.
Gildemeifter's Ausgabe und Ueberfetzung des Antoninus
Placentinus, 1889, S. 48). Das Schwanken der
Tradition im 12. Jahrh. erklärt P. Barnabe daraus, dafs im
lateinifchen Bibeltext Ev. loh. 18, 28 ftatt adducunt Iesum
a Caipha in praetorium von Manchen gelefen wurde ad
Caiph am in praetorium. Die Identificirung des Prätoriums
mit dem Haufe des Kaiphas habe dazu geführt, es auf
den Zion zu verlegen. Ich hebe dies als erwägenswerth
hervor, obwohl es mir zweifelhaft erfcheint, ob damit der
ganze Thatbeftand ausreichend erklärt ift.

Mit der Widerlegung der Gründe, welche dafür
fprechen, dafs das Prätorium mit dem Palaft des Herodes
identifch ift, nimmt es der Verf. etwas leicht (S. 78—85).
Das Argument aus der Gefchichte des Florus befeitigt er
durch die Annahme, dafs Florus ausnahmsweife den
Herodes-Palaft bewohnt habe, weil die Antonia fchon von
den Aufftändifchen befetzt war (S. 79: parce qu'il riavait
paspu s'etablir dans la fortercsse Antonia, alors occupee
par /es seditieux). Diefe Annahme ift nachweislich
falfch, denn die Antonia fiel erft einige Zeit fpäter in die
Hände der Aufftändifchen (Bell. lud. II, 17, 7). Die Notiz
in Betreff der Weihefchilde des Pilatus bezieht P. Barnabe
auf die Antonia (S. 81 f.), was angefichts der Ausdrucksweife
Philo's unmöglich ift (kv xolq 'Hgmöov ßaöiXeioiq kann nur
auf den Palaft des Herodes gehen). Die aus der beglaubigten
Gefchichte zu entnehmenden Gründe gegen die
fpätere Legende find alfo von ihm nicht entkräftet.

Wer die feit dem vierten Jahrhundert üppig wuchernden
Legenden über die heiligen Orte in ihrer Gefammt-
heit überfchaut, kann darüber nicht im Zweifel fein, dafs
fie faft fämmtlich hiftorifch werthlos find. Die Bemühungen
neuerer katholifcher Gelehrter auf diefem Gebiete
find alfo für uns nur von Bedeutung als Beiträge zur Gefchichte
der Legenden. Als ein folcher darf auch das
vorliegende Werk willkommen geheifsen werden.
Göttingen. E. Schür er.

Gwilliam, G. H., Place of the Peshitto Version in the Apparatur
Criticus of the Greek New Testament. (Studia
biblica et ecclesiastica. Essays chiefly in biblical and
patristic criticism by members of the University of Oxford
. Volume V, part. III.) Oxford 1903, Clarendon
Press, (p. 189—237. gr. 8.) 3 s. 6 d.

Im Jahr 1891 veröffentlichte Gwilliam im dritten Band
der Oxforder Studia eine Unterfuchung über ,The Materials
for the Criticism of the Peshitto New Testament-.
Seither hat er felbft die von Pufey begonnene Ausgabe
der Peschitto- Evangelien beendet, und ift die Forfchung
über den griechifchen und fyrifchen Text des neuen Te-

ftaments nicht ftill geftanden. Namentlich Burkitt hat
durch eine genaue Unterfuchung der Bibelcitate Ephrem's
gezeigt, dafs die bisherige Meinung, dafs Ephrem die
Pefchitto citire, nicht aufrecht erhalten werden könne,
dafs defshalb nichts mehr der Vermuthung im Wege ftehe,
in der Pefchitto die Revifion zu erkennen, die Rabbula
von Edeffa um die Wende des 4. und 5. Jahrhunderts
unternommen habe. Da aufserdem in den Debatten über
den Werth des textus receptus die Pefchitto der
,sheetanchor' des letzteren genannt wurde, fo mufste
es einem Vertheidiger des letzteren befonders am Herzen
liegen, ihre Stellung in der neuteftamentlichen
Textkritik noch einmal zu unterfuchen. Das thut Gw.
in der vorliegenden Arbeit mit dem Ergebnifs, dafs die
Pefchitto weder für d en von Weftcott-Hort hergeftellten
Text, noch für den traditionellen in Anfpruch genommen
werden dürfe, fondern eine ganze Reihe von Lesarten
vertrete, die fonft nicht nachgewiefen feien, alfo als ein
unabhängiger Zeuge Wichtigkeit habe und behalte, felbft
wenn man Burkitt's Theorie annehme. Aus der Unterfuchung
will ich als wichtig hervorheben, dafs man Männern
wie Burgon, Miller, Gwilliam unrecht thut, wenn man
fie, wie es ziemlich allgemein gefchieht, Vertheidiger
des textus receptus fchlechtweg nennt. Sie machen einen
Unterfchied zwifchen diefem auf fehr ungenügender
Grundlage ruhenden Text und dem .traditionellen', der
durch die Majorität der Zeugen vertreten wird. Mt. 2.
11 z. B. fällt es Burgon und feinen Genoffen nicht ein,
das svqov des textus receptus gegenüber dem eidov der
andern Zeugen zu vertreten, und noch weniger dürfen
ihnen die individuellen Fehler des Erasmus aufgebürdet
werden. Weiter haben auch nicht fie, fondern ihre Gegner
das Schlagwort aufgebracht, dafs die Pefchitto ihr sliect-
anchor fei, der, wie Harris fchrieb, nach Burkitts Nachweis
nun vollends als altes Eifen verkauft werden müffe.
Ein eigener Theil der vorliegenden Unterfuchung ift dem
Nachweis gewidmet, dafs die Entfcheidung gar nicht
alterirt werde, wenn man die Pefchitto ganz aus dem
Spiel laffe. Sodann ift an der Arbeit wichtig, dafs fie
die Stellen namhaft macht, an denen Tifchendorf's
Apparat durch die bisherigen ungenügenden Ausgaben
der Pefchitto irreleitete. Mt. 10, 8 z. B. hat Gutbier
.wecket die Todten auf aus eigener Machtvollkommenheit
in den fyrifchen Text gefetzt gegen alle Handfchriften.
Endlich ift verdienftlich, dafs gleich im Eingang als
Charakterifticum der Pefchitto der Zufatz in Mt. 28, 18
hervorgehoben wird ,und wie mich mein Vater gefendet
hat, fo fende ich euch'. Bei Tifchendorf ift derfelbe gar
nicht erwähnt; er dient freilich auch fofort dazu, den
Werth der Pefchitto zu beeinträchtigen; denn er wird
fich nicht anders erklären laffen, denn als ein Ueber-
bleibfel aus dem Diateffaron, das allen Revifionen trotzte.
Hl dies aber hier der Fall, fo können andere der Pefchitto
eigene Lesarten fich auch fo erklären und fetzen nicht
nothwendig einen eigenartigen griechifchen Text voraus.
Wir werden uns alfo hüten müffen, die Pefchitto auch
künftig noch als die Königin unter den Ueberfetzungen
zu betrachten; vor allem aber werden wir gut thun, Burkitt
's Ausgabe des fyrifchen und von Soden's Bearbeitung
des griechifchen Textes abzuwarten, ehe wir ein definitives
Urtheil über Werth oder Unwerth des traditionellen
Textes und der Pefchitto fällen wollen. Als fehr forgfältige
Materialfammlung bleibt Gwilliam's Ausgabe verdienftlich,
und da fie fich an ein bei uns wenig verbreitetes Werkchen
anfchliefst, möchte ich zum Schliffs nachdrücklich auf das-
felbe hinweifen; fein langer Titel heifst: ,Appendices adNo-
vum Testamentum Stephanicum jam inde a Millii temporibus
Oxoniensium manibus tritum. Cur ante GULmo SANDA Y ■
A. M., S. T. P., LL. D. I. Collatio Textus Wcstcottio-
Horham (Jure permisso) cum Textu Stephanico AnniMDL.
11. Delectus lectionum notatu dignissimarum. III. Lectiones
quaedam ex codicibus Versionum Memphiticae Armeniacae
Aethzopicae fusius illnstratae. Oxonii, e typographeo Cla-

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