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Ausgabe:

1903 Nr. 12

Spalte:

348-349

Titel/Untertitel:

Le P. Barnabé, Le Prétoire de Pilate et la forteresse Antonia 1903

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 12.

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,einzufchreiten' (S. 227). ,Es verdient auch befondere Beachtung
, dafs die erfte Verhandlung gegen Jefus im
,Palafte des Hohenpriefters ftattfindet. Denn diefe That-
,fache im Vereine mit dem ganzen Hergange zeigt, dafs
,das Synedrion nicht blofs wegen feiner Mitglieder, fon-
,dern auch durch die Befchränkung feines Wirkungskreifes
,auf Tempeldelikte ein der Führung der Priefterfchaft anheimgegebenes
Kollegium und die Hauptfache nur die
,war, dafs die vornehmen Priefter unter Vorfitz des Hohen-
,priefters fich verfammeln' (S. 238). Diefes Synedrion darf
auch nicht mit der ßovXrj identificirt werden (S. 235).
Letztere ift ,die Verwaltungsbehörde der Stadt Jerufalem
und blofs ihrer Bewohner' (S. 232).

Ich habe den Verfaffer möglichft ausgiebig zu Worte
kommen laffen und glaube in der Kritik mich fehr kurz
faffen zu dürfen. Es ift auch hier wieder wie bei früheren
Publicationen des Verfaffers fchmerzlich, zu fehen, dafs
ein ungewöhnliches Mafs von Gelehrfamkeit, Fleifs und
Scharffinn verbraucht wird, um gänzlich unhaltbare
Meinungen zu ftützen. Ein Beifpiel, wie der Verf. mit
den Quelllen umgeht, wenn fie feiner Meinung entgegen-
ftehen, ift bereits oben gegeben. Auf ein gleiches Verfahren
ftöfst man aber bei ihm auf Schritt und Tritt.
Gegen feine Hauptthefe ift fchon dies entfcheidend, dafs
das ,grofse Beth-Din in der lischkath ha-gasith1 felbft auch
,das Synedrion' und zwar ,dasgrofse Synedrion' genanntwird
. Es heifst Middoth V, 4 bt! fibna 'pinSD,
wobei ausdrücklich gefagt wird, dafs es in der lischkath
ha-gasith feine Sitzungen hielt. Nach Sanhedrin I, 6 be-
ftand das nbllS jiTlffiO aus 71 Mitgliedern. Daher heifst
es auch das inKI Epyn© bt) Tmnao (Schebuoth II, 2).
Büchler erkennt felbft an, dafs hier überall diefelbe Behörde
gemeint ift, welche Sanhedrin XI, 2 ,das grofse
Bethin-Din in der lischkath ha-gasith1, heifst; und er
bringt S. 34 noch andere Belege dafür bei, dafs diefe auch
,das grofse l^nnSC' hiefs. Andererfeits kann nach den
Evangelien und der Apoftelgefchichte doch kein Zweifel
darüber fein, dafs das Synedrion, welches Jefum und die
Apoftel aburtheilte, der oberfte Gerichtshof der Juden,
alfo ,das grofse cwedgiov' war. Beides find demnach
die reinen Doppelgänger, und zwar nicht nur dem
Namen, fondern auch der Sache nach. Denn nach dem
Tractat Sanhedrin c. I und c. XI ift das rtbllÄ "p-nWO
nicht nur ,eine mit der Auslegung des Religionsgefetzes
und mit der Ueberwachung feiner Durchführung fich befallende
Körperfchaft', fondern der oberfte Gerichtshof
überhaupt, der in allen Fragen des Rechts die letzte
entfcheidende Inftanz bildet. Ebendasfelbe war aber
nach allen Notizen, die wir haben, auch das avvedoiov
der griechifchen Quellen. Denn es ift rein willkürlich,
wenn Büchler feine Competenz auf ,Tempeldelicte' oder
,Uebertretungen, die innerhalb des Tempelgebietes begangen
wurden', einfchränken will (vgl. dagegen z. B.
den oben erwähnten Vorfall zur Zeit des Herodes und
Hyrkan II). — Wie es fcheint, ift Büchler zu feiner Unter-
fcheidung zunächft dadurch veranlafst worden, dafs die
Ueberlieferungen in Betreff des Verfammlungsortes nicht
übereinftimmen: die lischkath ha-gasith foll innerhalb
des eigentlichen Tempelvorhofes gelegen haben, die ßovXrj
des Jofephus lag aufs er halb desfelben. Aber diefes Argument
, das B. zunächft in den Vordergrund ftellt, entkräftet
er dann felbft wieder durch feine Unterfcheidung von
övpeögiov und ßovXrj. Wenn diefe beiden Behörden ver-
fchieden find, mufs doch letztere ihre Sitzungen in der
ßovXrj = ßovXfvxrjQiov gehalten haben. Was von der
Lage der ßovXr] gilt, beweift dann nichts für den Verfamm-
lungsort des ovpeöoiov. Damit wird die ganze Bafis der
Unterfuchung Büchler's hinfällig. Ich zweifle freilich
meinerfeits nicht daran, dafs die bisher allgemein herr-
fchende Auffaffung, wonach die drei von Büchler unter-
fchiedenen Behörden identifch find, die richtige ift. Die
Differenz in Betreff des Verfammlungsortes kann dann
nur zu Ungunften der rabbinifchen Ueberlieferung beur-

theilt werden; denn Jofephus ift ein gleichzeitiger Zeuge,
die Mifchna nicht. Wer nach diefem Gefichtspunkt den
Werth der Quellen abwägt und die fpäteren hinter den
älteren zurückftellt, mufs fich allerdings von Büchler S. 1
das Urtheil gefallen laffen, dafs eine folche Behandlung
der jüdifchen Quellen ,nicht blofs eine ungerechtfertigte,
fondern auch eine unwiffenfchaftliche und vorurtheils-
volle ift'. Ich ertrage diefes in Geduld, denn ich befinde
mich dabei in guter Gefellfchaft.

Dem in Einzelheiten meift forgfältigen Verfaffer ift
S. 31 doch das Verfehen paffirt, für die Notiz, dafs die
lischkath ha-gasith die Form einer Bafilika gehabt habe,
die Mifchna (Middoth V, 4) als Quelle anzugeben. Sie
findet fich nicht dort, fondern bab. Ioma 25a.

Göttingen. E. Schür er.

Le P. Barnabe, d'Alsace, O. F. M., Le Pretoire de Pilate
et la forteresse Antonia. Avec 32 illustrations en photo-
gravure dans le texte et hors texte. Paris 1902, Picard
et fils. (XXIII, 251 S. 8.)

Jerufalem hatte zur Zeit Jefu Chrifti zwei Caftelle.
1) Die Burg Antonia, nördlich vom Tempel, wo zur Zeit
der Procuratoren eine römifche Cohorte als ftändige Be-
fatzung lag {Jos. Bell. lud. V, 5, 8: xa&rjoxo /ap del est*
avxrjg xctyua Pcopaicop). 2) Den ehemaligen Palaft des
Herodes an der nordweftlichen Ecke der Oberftadt, der
nicht nur fürftliche Wohnräume enthielt, fondern auch ftark
befeftigt war und ausreichend Raum zur Unterbringung
einer anfehnlichen Truppenmacht bot (vgl. die Befchrei-
bung Bell. lud. V, 4, 3—4). Während der Wirren nach
dem Tode des Herodes im J. 4 vor Chr. wurde hier der
Procurator Sabinus mit einer ftarken Truppenmacht von
den Aufftändifchen belagert (Jos. Antt. XVII, 10, 3. Bell,
lud. II, 3, 4). Beim Ausbruch des grofsen Krieges im J.
66 nach Chr. wurden ebenfalls hier die Truppen der
Friedenspartei vom kriegerifchen Volk belagert (Bell. lud.
II, 17, 7—8). Die drei feften Thürme des Palaftes dienten
damals den römifchen Truppen als letzte Zufluchtsftätte
(Bell. lud. II, 17, 8). Durch verfchiedene Zeugnifse fteht
nun feft, dafs die römifchen Procuratoren (die für gewöhnlich
in Caefarea refidirten), wenn fie nach Jerufalem
kamen, ihr Quartier eben in jenem ftark befeftigten
Palaft des Herodes auffchlugen, in welchem zugleich auch
hinreichend Raum zur Unterbringung der den Statthalter
begleitenden cohors praetoria war. Im J. 66 wohnte hier
Florus, als er beim Ausbruch des Aufftandes nach Jerufalem
gekommen war (Bell. lud. II, 14, 8. 15, 5). Aber
auch Pilatus mufs dort gewohnt haben, denn er liefs Weihe-
Schilde dafelbft aufftellen (Philo Leg. ad Cajum §. 38,
ed. Mangey II, 589 sq.). Ohnehin ift es faft felbftverftänd-
lich, dafs der Statthalter, der an die Stelle des Herrfchers
getreten war, auch die Wohnung desfelben für fich in
Anfpruch nahm. Die Wohnung des römifchen Statthalters,
der zugleich Oberbefehlshaber der Truppen war, hiefs
aber siqcuxojqiop. Hiernach dürfen wir als ficher annehmen
, dafs das jtgaixmQiov zu Jerufalem, in welchem
Pilatus zu Zeit der Verurtheilung Jefu Chrifti wohnte, und
wo die ihn begleitende Truppenabtheilung ihr Quartier
hatte, der uns wohlbekannte Herodes-Palaft war. — Die
fpätere Legende fucht aber das Prätorium vielmehr in
der Antonia. Dahin weift vor allem die Notiz des Pilgers
von Bordeaux (333 n. Chr.): inde ut eas foris murum de
Sion, euntibus ad portam Neapolitanam ad partem
dextram deorsum in valle sunt parietes, ubi domus fuit
sive praetorium Ponti Pilati (Itinera Hierosol. ed. Geyer
p. 22). Im fechften Jahrhundert ftand hier eine basüica
sanctae Sqfiae, in welcher der fog. Antoninus Martyr (d.
h. der Pilger von Piacenza) den erhöhten viereckigen Stein
fah, auf welchem der Angeklagte, wenn er verhört wurde,
flehen mufste. In dem Stein waren die Fufsfpuren zu
fehen, welche Chriftus, als er verhört wurde, dafelbft zurück-