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Ausgabe:

1903

Spalte:

345-348

Autor/Hrsg.:

Büchler, Adolf

Titel/Untertitel:

Das Synedrion in Jerusalem und das grosse Beth - Din in der Quaderkammer des jerusalemischen Tempels 1903

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.
Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 12. 6. Juni 1903. 28. Jahrgang.

Büchler, Das Synedrion in Jerufalem (Schürer).
Le P. Barnabe, Le Pretoire de Pilate et la
forteresse Antonia (Schürer).

Gwilliam, Place of the Peshitto Version in the
apparatus criticus of the Greek New Testament
(Neflle).

Meyboom, De Clemens-Roman, eerste deel:
Synoptische vertaling van den tekst (v. Dob-
fchütz).

Schmidt, Die alten Petrusakten im Zufammen-
hang der apokryphen Apoftelliteratur (v. Dob-
fchütz).

Baum und Geyer, Kirchengefchichte für das
evangelifche Haus, 3. Aufl. (Boffert).

Voigt, Der Miffionsverfuch Adalberts von Prag
in Preufsen (Mirbt).

Bullarium Franciscanum t. VI ed. Eubel (Karl
Müller).

Weis, Die Choräle Julian's von Speier zu den
Reimoffizien des Franziscus- und Antonius-
feftes (Karl Müller).

Comba, Histoire des Vaudois I (Karl Müller).

Buchwald, Gefchichte der evangelifchen Kirche
(Boffert).

Schleiermacher's Monologen hrsg. von

Schiele (E. W. Mayer).
Bruckner, Der alte Weg zum alten Gott

(Niebergall).

Büchler, Prof. Dr. Ad., Das Synedrion in Jerusalem und
das grosse Beth-Din in der Quaderkammer des jerusalemischen
Tempels. (IX. Jahresbericht der ifraelitifch-
theologifchen Lehranftalt in Wien für das Schuljahr
1901/1902.) Wien 1902, Verlag der ifrael.-theol. Lehranftalt
. (S. 1—252).

Der Titel diefer Abhandlung deutet bereits an, worauf
diefelbe hinauswill. Das .Synedrion' der Evangelien und
des Jofephus und das grofse ,Beth-Din' der rabbinifchen
Quellen find zwei ganz verfchiedene Behörden. So lefen
wir wenigftens S. 4. Im Laufe der Unterfuchung ftellt
fich freilich heraus, dafs die Sache noch complicirter ift:
von beiden Behörden ift noch eine dritte, die ßovlr), zu
unterfcheiden (S. 232, 235, 238). Ich mufs aber annehmen
, dafs der Verfaffer zu diefem Refultat noch
nicht gelangt war, als er den erften Abfchnitt fchrieb
(S. 5—33). Hier wird nämlich die Verfchiedenheit der
Behörden aus der Verfchiedenheit ihres Verfammlungs-
ortes bewiefen: das grofse Beth-Din der rabbinifchen
Quellen, das übrigens auch Synedrion ("pTi'rTJO) hiefs, ver-
fammelte fich in der lischkath ha-gasith (fiTSn FOlüb),
welche im inneren Vorhof des Tempels lag; ,die oberfte
Behörde Jerufalems' dagegen verfammelte fich in der von
Jofephus erwähnten ßovlrj, welche aufserhalb des Tempelvorhofes
lag. Hier ift alfo nur von zwei Behörden die
Rede (f. bef. S. 18 u. 33). Und auch im Folgenden hat
es zunächft den Anfchein, als ob es fich nur um zwei
handelte. Das Hauptaugenmerk richtet der Verf. dabei
auf das grofse Beth-Din oder Synedrion in der lischkath
ha-gasith oder ,Quaderkammer' (S. 33—194). Es beftand
aus 71 Mitgliedern, hiefs daher auch das ,Synedrion
der 71' (S. 34, 35, 69). Es amtirte in der Quaderkammer
,ftändig, jedermann zugänglich, und wie es fcheint zu
jeder Zeit am Tage' (S. 35). Es war .eine ausfchliefslich
mit der amtlichen Auslegung des Religionsgefetzes und
mit der Ueberwachung feiner Durchführung fich be-
faffende Körperfchaft' (S. 115). Als Vorfitzende find
uns befonders Schemaja und Abtaljon, Hillel, Ga-
maliel I und Simon Sohn Gamaliel's I bekannt. Der
Thätigkeit diefer Männer wird eine fehr eingehende
Unterfuchung gewidmet (S. 114—194). Diefelbe beftätigt
in jeder Einzelheit die früheren Ergebnifse: ,dafs das
>grofse Beth-Din in J erufalem, welches in der Quader-
Cammer des Tempels, fpäter in der Ofthalle des Tempel-
Werges und dann in der Stadt Jerufalem feinen Sitz hatte,
>in keinerlei Beziehungen zum Synedrion ftand,
,fondern ausfchliefslich das religiöfe Leben regelte, den
>Tempeldienft leitete und für die Durchführung der jeweilig
geltenden Auslegung des Religionsgefetzes im
Qpferdienfte und im Leben forgte und in feiner Zu-

Tammenfetzung der Regel nach die fadducäifche
,und nur zeitweilig die pharifäifche Herrfchaft
,zum Ausdruck brachte; die Kämpfe zwifchen Saddu-
,cäern und Pharifäern auf dem Gebiete des Religionsgefetzes
fpielten fich in diefer aus 71 Mitgliedern beftehenden
,Behörde ab. Die tannaitifchen Berichte im Talmud und
,in der halachifchen Literatur haben faft ausfchliefslich die
.Zeit der pharifäifchen Herrfchaft im Beth-Din zum Gegenwände
, hauptfächlich aber das letzte Jahrzehnt vor der
,Tempelzerftörung, als jene ganz unbeftritten war und befonders
im Tempeldienfte zur Geltung kam' (S. 193 f.).

Der letzte Theil der Unterfuchung behandelt ,die
Stellung des Hohenpriefters im Tempel und im Volke'
(S. 194—240), wobei nun auch über das Synedrion der
griechifchen Quellen noch Einiges, aber freilich fehr
wenig, ermittelt wird. Büchler glaubt ,dte allgemein
angenommene politifche Stellung des Hohenpriefters
ganz in Abrede ftellen zu müffen' (S. 195). Nachdem
dies mit grofser Entfchiedenheit durchgeführt ift, erfahren
wir freilich S. 218 trotzdem: ,dafs der Hohe-
.priefter wohl zur politifchen Körperfchaft der ctQxi£Q£iq
.gehört hat (doch nirgends aus derfelben hervorgetreten
,ift), und dafs er allenfalls der erfte unter den apy/epetc ge-
,wefen fein dürfte, die überall als die Vertreter der
Juden^ vor dem Prokurator Judäas oder dem Legaten
,von Syrien erfcheinen'. Wenn man hier den von mir
eingeklammerten Satz ftreicht, der durch die Thatfachen
als zweifellos falfch erwiefen wird, fo wird damit eben
das unumwunden anerkannt, was vorher mit grofser
Emphafe negirt war. — Die weitere Unterfuchung be-
fchäftigt fich dann mit der Stellung des Hohenpriefters
im Synedrion und mit letzterem felbft. Es hat unter
Herodes überhaupt nicht beftanden (S. 223); aber ,auch
in der älteren, vorherodianifchen Zeit fpricht nicht' eine
einzige Stelle, ohne Voreingenommenheit gelefen, für
das Vorhandenfein eines oberften Gerichtshofes in Jerufalem
' (S. 228, obwohl nämlich der junge Herodes
wegen feiner Thaten in Galiläa unter Hyrkan II vor
das Synedrion in Jerufalem geladen wird, bezeichnet
hier ro gvveöqiov nicht das eine Obergericht in Jerufalem,
fondern .jeden im Lande beftandenen Gerichtshof; fo
erklart der Verf. S. 229 vermöge feines Frei-Seins von
jeder Voreingenommenheit). Zur Zeit der Procuratoren
hat dann allerdings ein Gvveöqiov als Obergericht exiftirt
und neben ihm noch eine dritte Behörde, die ßovlr].
Aber eine erhebliche Bedeutung hat das Synedrion nicht
gehabt, denn die Juftiz wurde in der Hauptfache vom
Prokurator ausgeübt. Die in den evangelifchen Schriften
erhaltenen Berichte über das Synedrion .fcheinen zu
.zeigen, dafs diefes blofs bei Uebertretungen, die innerhalb
des Tempelgebietes begangen wurden, befugt war,

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