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Ausgabe:

1903 Nr. 10

Spalte:

301-302

Autor/Hrsg.:

Wächter, Albert

Titel/Untertitel:

Der Verfall des Griechentums in Kleinasien im XIV. Jahrhundert 1903

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 10.

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wird fchon verwiefen) entgangen ift. Sie werden mit
Nutzen für hagiographif'che Arbeiten jeder Art gebraucht
werden können. Auch der Index Nominum mit feinen
6—7000 Namen wird in Zukunft ein fehr dankenswerthes
wiffenfchaftliches Hülfsmittel fein.

Immer deutlicher zeigt es (ich, dafs die griechifche
Kirche nach Beendigung des Bilderftreites und unzweifelhaft
unter feinem Impulfe einen bedeutenden Auffchwung
erlebt hat. Der Studite, Photius, Arethas und die Neuordnungen
, wie fie in der Arbeit des Metaphraften und in
dem konftantinopolitanifchen Synaxarium vorliegen, be-
weifen das. Die Quellenunterfuchung des Synaxariums
zeigt, dafs der Compilator fich, foweit es möglich war,
nicht an die jüngeren, fondern an die älteren Menden an-
gefchloffen hat. Sein Verhältnifs zum Metaphraften hat
Delahaye p. LX nur geftreift und uns an feine früheren
Unterfuchungen über den Metaphraften {Acta Boll. XVI
p. 311 ff. XVII p. 448fr.) erinnert. Hoffentlich erhalten
wir bald die erfehnte abfchliefsende Arbeit Ehrhard's.
Den Bollandiften aber, vor allem Delahaye, gebührt für
die neue grofse Gabe der wärmfte Dank.

Berlin. A. Harnack.

Wächter, Albert, Der Verfall des Griechentums in Kleinasien
im XIV. Jahrhundert. Leipzig 1903, B. G. Teubner.
(70 S. gr. 8.) M. 2.20

Eine Arbeit aus Geizer's Schule. Gelzer's eigene
ausgebreiteten Forfchungen zur Gefchichte des chrift-
lichen Orients, befonders in der byzantinifchen Epoche,
werden aufs trefflichfte ergänzt durch folche Detail-
ftudien, die Jeder würdigen wird, welcher weifs, wie un-
ficher alle unfere Kenntnifse über die Umftände find,
unter denen die orientalifche Chriftenheit aus dem Mittelalter
in die Neuzeit übergetreten ift. Was wir felbft
fchaudernd erlebt haben von der Chriftenpolitik des
gegenwärtigen Sultans ift in der Vergangenheit nur zu
oft und natürlich in noch viel brutaleren Formen geübt
worden. Immerhin waren die Osmanen noch relativ
humane Eroberer gegenüber den Seldfchuken. Und
was für eine entfetzliche Gottesgeifsel war vor allem
Timurlenk! Wächter hat keine zufammenhängende
Schilderung der Verhältnifse des Griechenthums Klein-
afiens im 14. Jahrhundert gegeben, fondern aufs
fleifsigfte aus den nicht fehr zahlreichen, aber auch
nicht ganz einfachen Quellen gefammelt, was an Notizen
befonders über die Metropolen überliefert ift. Die Frage,
die er zu beantworten fucht, ift die, wie das Griechenthum
in Kleinafien, wo doch im Mittelalter fein Schwerpunkt
lag, im 13. und vor allem im 14. Jahrhundert eine fo vollkommene
Vernichtung fand, dafs nur noch wenige Refte
griechifcher Bevölkerung als Infein in dem grofsen Gebiete
übrig blieben. Eine Hauptquelle find ihm die
Acten des Patriarchats von Konftantinopel, aus denen
manches zu entnehmen ift, wenn man beachtet, wie es
mit der Wiederbefetzung geiftlicher Stellen gehalten
wurde. Man bemerkt, wie allmählich eine Metropole
nach der andern eingeht, wie folche, die fich noch
halten, betraut werden mit der Verwaltung anderer, die
fchon nicht mehr felbftftändige Oberhirten ernähren
können. Nebenher thut man einen Blick in die Schätzungen
des kirchlichen Titelwefens. Wächter geht davon
aus, beftimmte Titel bezw. technifche Ausdrücke
zu beleuchten. So handelt er zunächft von der Bedeutung
der Verleihung eines Sitzes xatct loyov ejttöö-
Oecog, dann von den Titeln jiqÖsöqoc und rov xöxov
zniymv. In neunzehn Abfchnitten durchwandert er dann,
von Often nach Werten vorfchreitend, ganz Kleinafien,
um feftzuftellen, wann und wie die einzelnen Metropo-
litenfitze entweder untergehen oder doch noch eine
Schattenexiftenz retten. In dem letzten Abfchnitt wird
derjenigen wenigen einfachen Bifchofsfitze gedacht, die

j in den Quellen noch auftauchen. Die Eparchien im
Often, die an Armenien grenzenden Bezirke, find feit
dem erften Seldfchukeneinbruch (1070) nur vorübergehend
wieder im Befitze der byzantinifchen Kaifer ge-
! wefen und im 14. Jahrhundert kaum noch von Chriften
' bewohnt. Im 14. Jahrhundert kommt das Verhängnifs
; erft mit feiner vollen Wucht auch über den Werten.
| Hier find die Quellen mannigfaltiger. Vielleicht wird uns
j Wächter auch mit Studien über die Entwicklung nach
' dem definitiven Zufammenbruch der ganzen byzantini-
i fchen Herrlichkeit und wieder feit dem Sinken der
■ Türkenmacht erfreuen. Er würde damit viel Intereffe
erwecken können. Nur ganz gelegentlich wirft er für
j diesmal einen Blick auch auf moderne Verhältnifse.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Müller, Prof. D. Karl, Kirchengeschichte. Zweiter Band.
Erfter Halbbd., 2. Hft. Mit einer (farbigen) Karte über die
Verbreitung der Reformation in Deutfchland und der
Schweizvon i524bis Anfang derfechziger Jahre. (Grund-
rifs derTheologifchen Wiffenfchaften. 12. Abteilung, b.)
Tübingen 1902, J. C. B. Mohr. (XV, S. 177—571.
gr. 8.) M. 6.80

Das zweite Heft des zweiten Bandes der zwölften Ab-
I theilung des Grundriffes der theologifchen Wiffenfchaften,
welcher die Kirchengefchichte von Karl Müller giebt,
bringt dem Lefer eine Ueberrafchung. Denn es umfafst
[ ohne das Regifter des ganzen Halbbandes nicht weniger
| als S. 189—549 für die Zeit von 1517—1555 bezw. 1560,
während der dritte Band des Lehrbuchs der Kirchengefchichte
von Moeller-Kawerau für diefen Zeitraum nur
| 199 Seiten zählt, aber allerdings bei gröfserem Format
fehr Vieles in engerem Satz giebt. Statt uns mit der
Frage aufzuhalten, ob hier das rechte Verhältnifs von
Grundrifs und Lehrbuch innegehalten ift, oder gar zu
fragen, ob es möglich fei, die Zeit von 1555 bis Ende
! des 18. Jahrhunderts, alfo für 250 Jahre, in einem Halbband
zu bewältigen, ohne dafs der ganze Band unhandlich
wird, ift es am Platz, fich zu freuen über das hier
Gebotene. Es wird auch Niemand beftreiten, was Müller
S. VI der Vorrede geltend macht: Die Reformationszeit
verlangt in jedem Fall ihr befonderes Mafs. Mufste
doch jener Vorzug der Darftellung Müller's, den Zu-
fammenhang der Kirchengefchichte mit der politifchen
Gefchichte ftets klar herauszuftellen, in der" Reformationszeit
naturgemäfs mehr Raum beanfpruchen, da gerade
in diefer Periode beide aufs innigfte fich berühren. Ganz
1 befonders aber verdient es Anerkennung, dafs Müller
j fich die Mühe nicht verdriefsen liefs, die Reformation
durch die einzelnen Territorien zu verfolgen, aber er
mufste eben damit auch einen gröfseren Raum haben,
j Das Verdienft Müller's in letztgenannter Richtung ift
um fo höher anzufchlagen, als er nur zu fehr Recht
i hat, wenn er fagt: ,Die Territorial- und Ortsgefchichte
liegt noch fehr im Argen' (S. VI). Darum werden ihm
auch alle Freunde diefer Gefchichte, und ihre Zahl ift
in allen deutfchen Ländern, in Dorf und Stadt, nicht
klein, fehr dankbar fein nicht nur für die Heranziehung
diefes erft neuerdings mehr beachteten Theils der Refor-
mationsgefchichte, fondern auch für die werthvolle, wenn
auch der Ergänzung bedürftige Ueberficht über die Literatur
und für die kartographifche Darftellung des durch die
Reformation gefchaffenen kirchlichen Zuftands in den einzelnen
Gebieten. Es ift auch zu hoffen, dafs das Unheil
Müller's über die Territorial- und Ortsgefchichte nicht
i ohne Wirkung bleiben wird. Freilich wird eine Belebung
1 der Forfchung auf diefem Gebiet an drei Bedingungen
geknüpft fein. In erfter Linie müffen unfere jetzigen
Theologen dafür ganz anders gefchult werden, als dies
bisher, felbft da, wo kirchenhiftorifche Seminarübungen
ftattfinden, der Fall war. Um bei der Heimath des Ref.