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Ausgabe:

1903 Nr. 10

Spalte:

294-296

Titel/Untertitel:

The Jewish Encyclopedia. Vol. II and III 1903

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 10.

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erfetzt (S. 458, 460). Mit ihrer Hülfe gewinnt er dann, I Das der im höchften Grade anregende und viel-
freilich nicht ohne fie fogleich zu vervollkommnen (S. 462), J fach auch mit eigenen Gedanken des Verf. durchflochtene

im Staatsmann (5. 460fr.) den Begriff der .königlichen
Kunft', der Staatskunft. Dadurch aber, dafs auf diefe
Erörterung noch die Frage nach der Nothwendigkeit
der Gefetze folgt, die dort, wo die volle Einficht fehlt,
als Zweitbeftes an ihre Stelle zu treten habe, erweift
fich der Staatsmann als ein Schritt auf dem Wege zu
den Compromiffen geneigten Gefetzen.

Vor ihnen liegen indeffen noch drei andere, auf
ähnlicher Stimmung beruhende (S. 458) und ebenfalls das
im Sophiften zum Durchbruch gekommene Erftarken
des Wirklichkeitsfinnes zeigende Werke, der die Glück-
feligkeit als eine Mifchung mehrerer Beftandtheile be-
ftimmende Philebos (S. 465 ff.), in dem aber aufserdem
eine gewaltige Erweiterung des platonifchen Horizontes

Inhalt des Werkes, dem ich nur drei kurze Ausheilungen
folgen laffe. Zunächft halte ich es für richtiger
, die jüngeren Vertreter der fog. kleineren fokrati-
fchen Schulen ein für allemal von den älteren zu trennen
und fie der nachariftotelifchen Periode zuzuweifen, der
fie der Zeit wie den Gedanken nach allein angehören.
Zweitens kann ich die von G. gewählte Behandlung
Plato's nicht als das erftrebenswerthe Ziel anerkennen.
So unbedingt nothwendig fie ifl, ganz abgefehen von
der geradezu muftergültigen Form, in der fie G. durchgeführt
hat, fleht für den Philofophen die Darfteilung
der platonifchen Weltanfchauung doch höher. Und
dafs eine folche ,unthunlich' fei, kann der nicht behaupten
, der, wie G., — von der die Selbständigkeit

auffällt,dadurch dafs menfchlicheTendenzenzukosmifchen | Plato's nur einleitenden fokratifchen Periode gar nicht
erweitert werden (S. 475), und der mit dem Timäus j zu reden — fo fcharf die Periode der Blüthezeit Plato's
zufammengehörige Kritias, die beide eine nachträglich j von der feines Alters unterfcheidet und fo klar die die
concipirte (S. 361) Ergänzung des Staates bilden (S. 475 ff.), j eine wie die andere doch immer nur vorbereitenden und

darin zur Ruhe kommenden Gedanken darzulegen weifs.
Dann wird man auch nicht in die Verlegenheit kommen,
die fchliefsliche Gestaltung einer der wichtigsten Fragen
der platonifchen Weltanfchauung, des Verhältnifses
zwifchen Ideen und Dingen ,nebenbei' mit einem obendrein
eingeklammerten Satze abzuthun (vgl. S. 513 Mitte).
Und endlich ein äufserliches Moment: die Anmerkungen.
Niemand wird darin eine Erleichterung der Leetüre fehen,
dafs die Anmerkungen ans Ende des Buches gestellt

dazu bestimmt, den ,Staat' einmal gegen Angriffe zu ver-
theidigen und ihn zweitens durch eine Naturphilofophie
zu ergänzen, die in Fortfetzung der im Philebos aufgetauchten
Erweiterung des platonifchen Horizontes zunächft
die Analogie zwifchen Menfch und Staat zu einer
Analogie zwifchen Menfch und Univerfum (Mikrokosmos
und Makrokosmos) ausdehnt, um fodann in der ,Gerechtigkeit
' der Weltfeele die Bafis des kosmifchen Heils
zu erkennen. Und auf diefer Grundlage gewinnt P.

dann, orphifche, pythagoreifche und fokratifche Ge- j find und obendrein im Texte jeder Hinweis auf (je verdanken
mit einander verknüpfend, aber ohne Verftänd-
nifs für die ,einzige damals zugängliche Schule des echten

mieden ift.

Göttingen. Dr. Goedeckemeyer.

Naturverltändnifses' (die Atomiften) mit Hülfe der fchon
im Phädon verkündeten teleologifchen Methode (vgl. S. 527)

fein Weltbild (S. 482 ff.), aus deffen Darftellung erwähnt The Jewish Encyclopedia. A descriptive record of the hiftory,
fei, dafs G. die platonifche Materie nicht mit dem Raum ; reljgion üterature, and customs of the Jewish People
identihcirt (S. 484) und P. neben der Annahme der | ° , ,• n ■ , , « ■
guten auch die einer böfen Weltfeele zufchreibt (S. 486 f.). from the earlleft t,mes to the present day. Prepared
Die Gefetze (S. 497 ff.) endlich bilden das Endglied J by more than four hundred fcholars and fpecialifts
der platonifchen Schriftenreihe, auch fie trotz der binnen j under the direction of the following editorial board:
Jahresfrist vollendeten Herausgabe durch Philipp von Opus j C.Adler, G. Deutfch, L. Ginzberg, R Gottheil
ein auch in.ihrer Durchfuhrungecht platonifches (vgl.S. 505), etc etc j. Funk Chairman of the board, F. Vizewenn
auch durch manche dem Greifenalter entfprungene .. c ' , T c- n ■
formale Mängel gekennzeichnetes Werk (S.498f.) In ihnen j telly Secretary of the board, I. Singer Projector and
fetzt P., durch reiche und fchwere Lebenserfahrungen be- managing editor, assisted by amencan and foreign
lehrt und fich .häufiger als in all feinen früheren Schriften boards of Consulting editors. Vol. II, Apocrypha —
zufammengenommen' (S. 510) auf die Erfahrung berufend, j Benash. Vol. III, Bencemero — Chazanuth. New
an die Stelle des Ideals der unumfehränkten Philofophen- | York and London Fun]< and w u com

lio--f^S,^^ Uoi- '/.„BitKoflo A.t. ,,f.rlafriintTsmnl5icr erprecre te _______ 0 tr J '

herrfchaft das Zweitbeste, die verfaffungsmäfsig geregelte
Regierung, die — nach G. die reifste Frucht feines Nachdenkens
über staatliche Dinge — aus einer Mifchung der
Verfaffungsformen bestehen follte und deren aus P. im

(XXII, 685 u. XXII, 684 S. 4.) ä M. 30.-

Das grofse Werk, deffen ersten Band wir im vorigen
Jahrgang angezeigt haben (1902, Sp. 68), ist fo rüftig fort-

Sophiften erwachtem Intereffe am Einzelnen zu erklärende, gefchritten, dafs binnen Jahresfrist zwei neue Bände er-
felbft das Geringfügigste umfaffende Bestimmungen den fchienen find. Sie führen uns wieder durch die ganze
wefentlichen Inhalt des Werkes bilden, und fich theils Gefchichte des Judenthums von den ältesten Zeiten bis

auf die Gegenwart und durch alle Länder vom Osten
Afiens bis zum Westen Amerikas.

Aus dem Gebiete der biblifchen Wiffenfchaft
möchten wir namentlich die umfangreichen Artikel des
3. Bandes über Bible Cano?i (S. 140—154), Bitte cditions

als Milderungen der urfprünglichen Theorie bezeichnen
laffen, wenn z. B. jetzt nicht mehr ein auserlefener Theil,
fondern die ganze Bevölkerung den Staat bilden foll,
theils aber auch als Verfchärfungen, wenn P. z. B. kein
Bedenken trägt, alles, was ihm als gemeinfehädlich gilt,

insbefondere die Irreligiofität ,mit dem Richtfehwert zu (154—162), Bible exegesis (162—178), Bible Manttscripts
bekämpfen', beklagenswerthe Ausfchreitungen, die G., (178—182) und Bible translations (185—197) hervorheben,
weil fie erft in den letzten drei Büchern der Gef. auf- j Sie find reich mit guten Facfimiles der ältesten Drucke
treten, der Verknöcherung des Uralters zufchreiben zu und Handfchriften ausgestattet (S. 155 ed. princ. der
dürfen wünfehen möchte (S. 524 f.). Pfalmen, 157 cd. princ. des Pentateuches, 159 compluten-

,Rückblicke und Vorblicke' befchliefsen das Werk, fifche Polyglotte, 161 Bomberg'fche Bibel, 178 illuftrirte
Rückblicke, die noch einmal Piatos unerhörte Geistes- j Bibelhandfchrift, farbig, 179 Petersburger Codex, 181 Erfülle
und niemals raffende Denkarbeit hervorheben furter codex Reuchlini, 187 griech. codex Vaticanus). Die
(S- 526f.), zugleich aber auch die Minderwerthigkeit feiner einzelnen Gebiete der biblifchen Alterthumskunde find
Naturphilofophie gegenüber den Conceptionen der Vor- j alle in angemeffener Weife durch Special-Artikel vertreten;
fokratiker betonen (S. 527f.); Vorblicke, die die Bedeutung doch find diefelben in der Re<*el knapp gehalten und
Plato's in die Worte zufammenfaffen: ohne P. kein Aristo- nicht von folcher Bedeutung, dafs um ihretwillen ein
teles, ohne P. kein Karneades, ohne P. kein Augustinus. | evangelifcher Theologe zu diefem Werke greifen würde.