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Ausgabe:

1903

Spalte:

289-294

Autor/Hrsg.:

Gomperz, Theodor

Titel/Untertitel:

Griechische Denker. Eine Geschichte der antiken Philosophie. Zweiter Band 1903

Rezensent:

Goedeckemeyer, Albert

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. SchÜrer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 10. 9- Mai 1903. 28. Jahrgang.

Gomperz, Griechifche Denker, 2. Bd. (Goe- , Wächter, Der Verfall des Griechentums in | Bishop, commonly called The book of Cerne

deckemeyer). Kleinafien im XIV. Jahrhundert (Kattenbufch). 1 (E. Chr. Achelis).

The Jewish Encyclopedia ed. by Singer, vol. j Müller, Kirchengefchichte II, 1, 2. Heft | Kapp, Die Predigt der Sündenvergebung nach

II and III (Schürer). (Bollert), ihren religiös-fittlichen Beziehungen (Nieber-

Mommert, Aenon und Bethania, die Taufflätten Ehrhard, Liberaler Katholicismus? (Mirbt). gall).

des Täufers (Schürer). Hennig, A. E. Biedermanns Theorie der reli- Walther, Bibelwort und Bibelwiffenfchaft

Wer n 1 e, Die Reichsgottesholl'nung in den älteüen giöfen Erkenntnis (E.W. Mayer). (Baffermann).

chridlichen Dokumenten und bei Jefus(Clemen). , Drews, Zur Eutdehungsgefchichte des Kanons , Baumgarten, Neue Bahnen (Derf.).

Synaxarium ecclesiae Constantinopolitanae e co- 1 in der römifchen Melle (E. Chr. Achelis). | Eck, Goethe's Lebensanfchauung (Hans).

dice Sirmondiano ed. Delahaye (Harnack). Kuypers, The prayer book of Aedeluald the ' Spiefs, Goethe und das Chridentum (Derf.).

Gomperz, Theodor. Griechische Denker. Eine Gefchichte aus ernft gemeinte Staatslehre (S. 131 ff.) verbanden, ift

der antiken Philofophie. Zweiter Band. Leipzig 1902, uns unbekannt (S. 134 fr., 118 ff.).

Veit & Comp. (VIII, 615 S. gr. 8.) M. 13.- 1 p ,Lrft Jetzt u,nd im Zufammenhang mit der in diefem

^ v J ö Punkte verwandten meganfchen Lehre wendet fich G.

Das vierte Buch von Gomperz' ,Griechifche Denker', den erkenntnifstheoretifchen Leiftungen des Antifthenes

mit dem der zweite Band des Werkes beginnt, handelt j zu, die auf die damals allgemein behandelte Frage nach

von Sokrates und den Sokratikem. Es geht aus von der Vereinbarkeit von Vielheit und Einheit (Inhaerenz, Prae-

dem Hinweis auf die Wandlung hellenifcher Denkart um dication) verneinend antworteten (S. 143 ff.). Im Uebrigen

die Wende des 6. Jahrhunderts, die in der Aufnahme des 1 unterfcheiden fich aber die Megariker ganz erheblich von

ethifchen Elements in die griechifche Naturreligion be- den Kynikern und erweifen fich vor allem durch ihre

(fand, und mit der fich eine ganz allgemeine und wefent- i Uebernahme der eleatifchen Dialektik, der gegenüber

lieh durch die Aufklärung bedingte Humanifirung der | fie die Ethik vernachläfligten, eher als Neu-Eleaten,

Moral verknüpfte (Cap. 1). Eben diefe Bewegung vollzog denn als Sokratiker. Und das um fo mehr, als von

fich auch in Athen, das fich durch feine äufseren und der logifchen Strenge diefer Dialektik aus Euklides

inneren Vorzüge am heften zur Erbin Milets eignete ; die fokratifche Induction als unzureichend bezeichnete

(Cap. 2). (S. 153), während fich die Späteren vor allem auf

Auf diefem ,Nährboden der Originalität und Genialität' Fangfchlüffe warfen, in denen, wie G. mit Recht betont,

erwuchs Sokrates (S. 36 ff.), der ,Enthufiaft der Nüchtern- die PCrnfteren unter ihnen jedenfalls metaphyfifche und

heit', der fein inbrünftiges Streben nach Reinheit der Be- logifche Schwierigkeiten aufzudecken fuchten (S. 154ff.),

griffe dadurch zu befriedigen fuchte, dafs er fich zum i Die Ethik wurde aber erft von dem bereits unter kyni-

erften Male der induetiven Methode (2 Arten S. 45), die { fchem Einfluffe flehenden Stilpon genauer behandelt,

bei ihm von den Vorgängen und Vorftellungen des Alltags- i während fein Zeitgenoffe Diodoros Kronos feine Argu-

lebens ihren Ausgang nahm, bediente, und fo zu seiner 1 mente gegen die Bewegung und den — ariftotel. — Be-

Lehre gelangte, deren Quellen für uns aus Arifloteles griff der Möglichkeit aufhellte (S. 160 ff). — Nach einer

als dem ficherften, Plato als dem ergiebigften und Xeno- kurzen Erwähnung der elifchen und eretrifchen Schule,

phon als dem geringwerthigften Zeugen (S. 48 f., 71 f., bei welcher Gelegenheit das Erflarken des Wirklich-

nof.) fliefsen, und deren Darftellung das 4. Cap. ge- i keitsfinnes bei Menedemos wie auch bei den Kynikern

widmet ift. u°d jüngeren Megarikern betont wird (S. 169), wendet

Von den Schülern des Sokr. befchäftigt fich das fich G. im 9. Cap. den Kyrenaikern zu.

6. Cap. — das 5. bandelt vom Ende des Sokr. — mit i Ihr Gründer Ariftipp fand ebenfo wie Sokrates

Xenophon, allerdings nicht um feiner felbft willen , fon- feinen Hauptgegenftand in der Ethik, in deren Behand-

dern nur, um feine Schriftftellerei überhaupt und eben | lung er fich aber ähnlich wie Antifthenes einer von That-

damit auch die Glaubwürdigkeit feiner Berichte über j fachen, aber wirklichen Thatfachen ausgehenden Me-

Sokr. in gebührender Weife zu charakterifiren. thode bediente und auf diefem Wege zu feiner Hedonik

In Antifthenes dagegen (7. Cap.) fieht G. nicht nur ! kam (S. 173 ff). Dabei läfst aber G. die Möglichkeit offen,
einen Jünger, fondern auch einen Fortbildner des Sokr., dafs die Ausgeftaltung diefer Lehre erft dem jüngeren
der über feinen, faft überall bei der principiellen Aner- : Ar. angehört (S. 177), und hebt weiterhin die Modi-
kennung des Vernunftradicalismus flehen gebliebenen | ficationen der Luftlehre durch Hegefias und Annikeris
Meifter zu dem Aufftellen eines neuen Sitten- und 1 hervor (S. 179 f.). Schliefslich betont er, dafs fie auf
Gefellfchaftsideales (S. 138) fortging, indem er, von Wider- [ jeder ihrer Stufen einen Uebergang zu focialen Pflichten
willen erfüllt gegen die Cultur feiner Zeit, auf den Natur- gefucht und auch gefunden habe (S. 181 ff). Auf die Ethik
zuftand zurückwies und mit Hülfe einer concret-empiri- folgt die Darfteilung ihrer leider nur fehr fchlecht über-
fchen, mit, wenn auch oft nur fictiven, Thatfachen lieferten Erkenntnifslehre, mit der G. auch die Senfations-
operirenden Methode die Autarkie in den Vordergrund theorie bei Plato. Theaetet 152 D. ff. in Verbindung bringen
ftellte und, wenn auchnoch nicht fo radical wieder Vollender ; will, und durch die fie die erften Vertreter der phäno-
des Kynismus, Diogenes (S. 127 f.), die Verachtung aller menaliftifchen Denkart und im Zufammenhang damit
bisherigen Ideale lehrte (S. 113ff). Wie aber die Kyniker | die Gründer einer induetiv-phänomenaliftifchen Logik
mit diefen auf dem Boden der Individualethik erwach- j wurden (S. 186 ff). Die Darfteilung der Ethik der fchon
fenen Grundfätzen, die fie durch die allegorifch gedeutete j recht ftark von den Kynikern beeinflufsten jüngeren
und durch einen ziemlich farblofen Monotheismus erfetzte Kyrenaiker, Theodoros und Bion, bildet dann den Ab-
Volksreligion zu empfehlen fuchten, ihre nach G. durch- 1 fchlufs des Capitels und des Buches.

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