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Ausgabe:

1903 Nr. 6

Spalte:

186-188

Titel/Untertitel:

Blätter zur Pflege persönlichen Lebens 1903

Rezensent:

Drews, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 6.

186

noch viermal (die letzten Male in je 3000 Exemplaren)
gedruckt worden (in den drei letzten Auflagen in zwei
Händen), jedoch gänzlich ohne Aenderungen. Das Werk
Silwdftr's heifstVerfuch der rechtgläubigen dogmati-
fchen Gottesgelehrtheit'. Es erfchien ebenfalls in fünf
Händen, ift jedoch viel umfangreicher als dasjenige Ma- j
kari's (letzteres umfafst 1272 Seiten, dasjenige S.'s 2565).
.Silweftr ift Dr. theol., war Bifchof und Rector der Kijewer
Geiftlichen Akademie, hat fich wegen Schwäche des Sehvermögens
in eins der Kijewer Klöfter zurückgezogen
(Familienname: Malinöwski)'. Sein Werk erfchien zuerft
1884fr., es ift zum Theil in dritter, zum Theil (Bd. IV |
und V, 1897) in zweiter Auflage erfchienen. Philaret,
der dritte Theolog, den Grafs als befonders bekannten
Mann nennt, war Erzbifchof von Tfchernigow (Familienname
: Gumilewski), f 1866. Sein Werk .Rechtgläubige j
dogmatifche Gottesgelehrtheit' (326 Seiten, zwei 1 heile in
einem Bande) ift nach der dritten Auflage, Petersburg .882, |
nicht mehr edirt worden. ,Es mag fich wegen feines mehr j
compendiumartigen Charakters nicht neben den beiden
grofsen Syftemen haben behaupten können'. Philaret ift
bei uns in Deutfchland wohl am bekannteften, nämlich
durch feine von Blumenthal überfetzte .Gefchichte der
Kirche Rufslands', zwei Bände, (der als Anhang übrigens
der Katechismus' eines anderen Philaret beigegeben ift;
f. darüber meine Confeffionsk. 1, 286 Anm.). Noch einen
vierten Theologen nennt Grafs als relativ fehr ange-
fehen, den Juftin, Bifchof von Tobolsk, der ebenfalls
eine Dogmatik herausgegeben hat (2 Bände, Cherfon
1886 und 87, unvollendet). Von Makäri's Werk exiftirt
ein Auszug, den der Autor felbft hergeftellt hat,
und den Jeder ruffifche Priefter' kennen mufs, ,Handleitung
zum Erlernen der chriftlichen, rechtgläubig-dog-
matifchen Gottesgelehrtheit' (368 Seiten). Diefes kleinere
Werk ift, ebenfalls von Blumenthal, 1875 ins Deutfche
ubertragen worden. Das grofse Hauptwerk Makäri's ift
bislang nicht ins Deutfche überfetzt, wohl dagegen ins
Franzöfifche (2 Bände, Paris 1859 u. 60); es ift mir in diefer
Form entgangen gewefen (wie übrigens felbft Leroy-
Beaulieu), Loofs hat es mit herangezogen. Grafs bezeichnet
im Vorwort, S. IX, als feine Abficht, einen
Auszug aus Mak. und Silw., ,der möglichft alles Wefent-
liche und Charakteriftifche enthält', herzuftellen. Er erbittet
fich, .Rathfchäge hinfichtlich der Art und Weife,
wie diefes Ziel am beften zu erreichen wäre, fpeciell ob
eine Zufammenarbeitung oder eine Nebeneinanderftellung
mehr zu empfehlen ift'. Ich meine, eine gefchickte Zufammenarbeitung
, die den Unterfchied der beiden .berühmten
' Männer erkennbar macht und im Uebrigen eine
deutliche Einficht in den Geift ihrer Werke, zumal eine
gute Darftellung derjenigen Partien derfelben gewährt,
die für den Standpunkt der ruffifchen Kirche am direc-
teften lehrreich find, wäre am erwünfchteften. Ein folches
Werk möchte auch buchhändlerifch die befferen Auslichten
haben. Es könnte etwa heifsen ,Makäri und
Silweftr, die bedeutendften ruffifchen Dogmatiker des
19. Jahrhunderts'. Grafs ift zum Schlufs etwas bekümmert
, dafs Makäri's grofses Werk nicht fo völlig un-
überfetzt geblieben ift, wie auch er, bis er Loofs' Buch
fah, gemeint hat. Ich glaube nicht, dafs die franzöfifche,
nicht einmal, wie der Petersburger Profeffor Glubokowski
ihm mitgetheilt hat, fehr glückliche Ueberfetzung des-
felben für feinen Plan ein Hindernifs bedeutet.

Was Grafs für diesmal, quasi zur Probe, bietet, ift
zweierlei, zuerft von Makari die ,Gefchichte der rechtgläubig
dogmatifchen Gottesgelehrtheit' (= § 6—8 feines
Werks), S. I—43. fodann von Silweftr die ,Gefchichte
der dogmatifchen Wiffenfchaft' (= § 16—22 von deffen
Werk), S. 45—145- Er nat al'es, auch die Anmerkungen,
genau wiedergegeben. Die Ruffen eignen fich faft alle
fremden Namen in einer Affimilation an. Grafs giebt immer,
mit Recht, diefe ruffifcheForm in Transfcription wieder
Wunderfam berühren Umfetzungen, wie die des griechi-

fchen # in / (Theodoros = Feödor, Thomas = Foma
[Foma Akwina], Athos = Afos, Athen = Afinü, ka-
tholifch = kafolifch; zu letzterem Worte bemerkt Grafs
S. 179, es finde fich kafolitschcski neben katholitscheski,
erftere Form werde verwandt, wenn von der alten ka-
tholifchen Kirche die Rede fei oder das Wort als Epitheton
der eigenen Kirche gebraucht werde, letztere
Form ziele auf die römifche Kirche). Ich kann hier
nicht herausheben, was die beiden Skizzen der Dogmen-
gefchichte (Silweftr behandelt auch die modernen römi-
fchen und die proteftantifchen Theologen [er fpricht von
Gergard = Jon. Gerhard, Genke = Henke, Margeineke
etc.]; beide geben eine Ueberficht über die ruffifche dogmatifche
Literatur feit Alters) fpeciell werthvoll für uns
macht. Ich bezeuge nur, dafs Grafs wirklich einen
guten Griff gethan.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Blätter zur Pflege persönlichen Lebens, herausgegeben von
Dr. Johannes Müller. Erfter Band. Dritte Auflage.
Erfte öffentliche Ausgabe. Achtes bis zwölftes Taufend
. Leipzig 1902, Verlag der Grünen Blätter.
(XII, 280 S. gr. 8.) M. 4.— ; geb. M. 5 —

Dr. Johannes Müller, den Theologen vor allem bekannt
durch die intereffante Schrift: Die Evangelifation
unter den Entkirchlichten 1895 (vgl. diefe Zeitfchr. 1896,
Sp. 124), hält feit Jahren religiöfe Vorträge vor Gebildeten
in den gröfseren und mittleren Städten Deutfchlands.
Dadurch ergab fich eine Reihe perfönlicher Beziehungen
zu Suchenden, mit denen in ernfter Fühlung zu bleiben
M. als Pflicht erkannte. Diefem Zwecke follten .Blätter
zur Pflege perfönlichen Lebens' dienen, die nur als Manu-
| fcript gedruckt und nur denen zugefandt wurden, die fie
I zu haben wünfchten. Seit 1898 liefs M. fo jährlich vier
j Hefte ausgehen. In dem deutfch - ruffifchen Pfarrer
Dr. Lhotzky fand er dabei einen gleich gelinnten und
gleich eifrigen Mitarbeiter. Der erfte Jahrgang diefer
.Blätter' liegt jetzt in dritter Auflage als .öffentliche'
Ausgabe vor. Ihr Programm liegt in ihrem Namen:
Blätter zur Pflege perfönlichen Lebens. M. erklärt dies fo:
j .Perfönliches Leben ift die Kunft und Kraft felbftändigen
] und urfprünglichen Lebens zu harmonifcher Entfaltung
und Bethätigung unferes Wefens nach feiner befonderen
Eigenart und Beftimmung' (S. IX). Er rechnet nur auf
folche Lefer, ,die fich felbft, ihre Stellung in der Welt
und ihr Leben, das fie zu führen haben, als Probleme
empfinden, von deren Löfung ihr Schickfal abhängt'
(S. XI). Den Dienft, den die Blätter leiften follen, fafst
er in diefe Worte zufammen: .Handelt es fich alfo in
diefen Blättern um Pflege perfönlichen Lebens, fo können
alle ihre Ausführungen niemals autoritativ gemeint fein.
Wir haben viel zu viel Refpect vor jedes Lefers eigenartiger
Perfönlichkeit und Entwicklung, um zu wünfchen,
dafs jemand auf unfer Wort, auf unfere Verantwortung
hin etwas annähme, etwas thäte. Wir wollen nicht, dafs
fich jemand andern oder fich felbft gegenüber auf uns
beruft. Wir wollen keine Anhänger, keine „Gemeinde"
mit einem niedlichen Perfonencultus, keine Heerde, die
blindlings nachläuft, keine Nachbeter und Nachfchwä'tzer.
Wir wollen das Gegentheil: jeden auf fich felbft weifen,
jeden zu eigenem Suchen und Finden anregen, die Selbft-
ftändigkeit fördern' (S. 29). Ferner: ,Wir erwarten weniger
Zuftimmung als Anklang. Wir möchten, dafs die Ausführungen
verwandte Gedanken, Eindrücke, Erlebnifse,
Bedürfnifse in Schwingung verfetzen und fo zur Anregung
und Belebung der geiftlichen Entwicklung bei-
j tragen' (S. 30). Den Erfolg, den diefer erfte Band bisher
I hatte, rechtfertigt es, dafs der private Charakter des Unternehmens
abgeftreift wurde: bis jetzt find 7000 Exemplare
diefes Bandes verbreitet. Den Inhalt bilden Auffätze
bald allgemein principiellen, bald fpeciellen Charakters.