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Ausgabe:

1902 Nr. 5

Spalte:

147-150

Autor/Hrsg.:

Rand, Edward Kennard

Titel/Untertitel:

Der den Boethius zugeschriebene Traktat De fide Catholica 1902

Rezensent:

Brandt, Samuel

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147 Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 5. 148

darfteilen, einen Schiffbruch, den er auf hoher See erlebte
. Es ift ein Votivbild nach antikem Mufter (Friedländer
, Sittengefchichte III5 203), bei dem es noch be-
fonders bemerkenswerth ift, dafs die rettende Gottheit
einen ausgefprochen heidnifchen Charakter hat.

Den allgemeinen Urtheilen über Katakombenmalerei
kann ich vielfach beiftimmen, nur dafs ich den angeblichen
Einflufs der Begräbnisliturgie noch mehr einge-
fchränkt hätte. Die Texte, die man da heranzieht, find
zu jung, als dafs fie mit den Katakomben zu confrontiren
find. Einige Berührungen wollen wenig beweifen, da man
natürlicher Weife beim Begräbnifse diefelben Bibelftellen
citirt, deren fich die Maler bei der Ausfchmückung des
Grabes erinnerten. Solche Fragen laffen fich nur in
grofsem Zufammenhange löfen, wo der Charakter der
Katakombenkunft feftgeftellt wird. Dafür aber find fo
gute Monographien, wie die Arbeit von Mitius, noth-
wendige und dankenswerthe Vorarbeiten.

Königsberg i. Pr. H. Achelis.

Rand, Dr. Edward Kennard, Der dem Boethius zugeschriebene
Traktat De fide Catholica unterfucht. Befonderer
Abdruck aus ,.Jahrbücher für klaffifche Philologie"
XXVI. Supplementband. Leipzig 1901, B. G. Teubner.
(VI, 55 S. gr. 8.) M. 2.40

Mit diefer Unterfuchung giebt der Verfaffer eine
Vorarbeit zu einer neuen, im Wiener Corpus erfcheinen-
den Ausgabe der theologifchen Schriften von Boethius,
nach dem Vorwort eine Frucht handfchriftlicher Studien
auf deutfchen, franzöfifchen und italienifchen Bibliotheken,
zugleich unter Benutzung (nach S. 412) der im Befitze
der Wiener Kirchenväter-Commiffion befindlichen Colla-
tionen und fonftigen Vorarbeiten aus dem Nachlafs von
Georg Schepss (f 1897), dem bekannten Entdecker und
erften Herausgeber des Priscillian, der fchon längft mit
anderen Werken des Boethius auch die Opuscula sacra
für das Wiener Corpus vorbereitet hatte. Nach dem
lange geltenden Verwerfungsurtheil von Fr. Nitzfeh (1860)
waren die vier unter dem Namen des Boethius überlieferten
theologifchen Tractate, die bei dem letzten Herausgeber
(1871), dem inzwifchen gleichfalls verftorbenen
Peiper, mit I. II. III. V bezeichnet find, durch das Anec-
doton Holderi und Ufener's Bearbeitung desfelben (1877)
für Boethius zurückgewonnen worden. Nur Tractat IV
De fide catholica, eine kleine populäre Schrift ausgefprochen
kirchlichen Standpunktes, nach kurzer Aufhellung des
Trinitätsdogmas als Haupttheil einen Ueberblick über
das göttliche Heilswerk von der Schöpfung der Welt an
bis zur Vollendung aller Dinge enthaltend, blieb auch
durch Ufenerausgefchloffen, fand jedoch in C. Krieg (1884)
einen Vertheidiger der Echtheit. Rand übernimmt nun
bei voller Verfügung über das handfehriftliche Material
mit aller erforderlichen Sachkenntnifs und weit um-
fchauendem Scharffinn die Prüfung diefes Schriftchens
auf feine Echtheit. Auch er ift bei der Verneinung der
Echtheit flehen geblieben, und wir zweifeln nicht, dafs
fein Ergebnifs entfeheidenden Erfolg haben wird. Sein
Beweis ftützt fich, worin er fchon in Ufener einen Vorgänger
hatte, zunächft auf die Handfchriften. Von
den älteften Handfchriften der Opuscula sacra — es
finden fich faft ausfchliefslich Sammelcodices, keiner älter
als das IX. Jahrhundert — enthält überhaupt nur ein Theil
den Tractat IV. Während nun aber in diefen 21 Handfchriften
saec. IX—XII bei jedem der auf I folgenden Tractate
II. III. V im Titel der Verfaffername Boet{h)ii oder
doch Eiusdem faft durchgängig fleht, fehlt umgekehrt
bei IV eine Namensangabe faft ebenfo allgemein; nur
eine Einfiedler Handfchrift saec. X macht eine Ausnahme,
dazu kommt eine Wiener saec. IX, in welcher der Tractat
zu einer Predigt verarbeitet ift. Aufserdem findet
Rand ein wichtiges pofitives Zeugnifs in dem von Künftle,

I Eine Bibliothek der Symbole (1900), bearbeiteten Reichenauer
, jetzt Karlsruher Codex saec. IX, der durch die
Unterfchrift (H)ACTENUS BOETIUS nach Tr. III vor
Tr. IV, letzteren ausdrücklich von dem Eigenthum des
Boethius fcheidet. Es tritt alfo in unferen älteften Texturkunden
die Zuweifung der Schrift an Boethius nur ganz
vereinzelt auf, wo es doch fo nahe gelegen hätte, mitten
zwifchen den echten Schriften auch ihr diefen Namen
vorzufetzen. — Nachdem hierauf Rand die fchon von
1 Anderen beobachtete materiale und phrafeologifche Ab-
! hängigkeit des Tr. IV von Auguftin {De catechiz. rudibus
I und auch De civil, dei) im Einzelnen nachgewiefen hat,
j auch ein Unterfchied von den übrigen Tractaten, macht
1 er eine mit Nitzfeh angenommene inhaltlicheDifferenz
I zwifchen Boethius und Tr. IV gegen die Echtheit geltend.
Finden wir in Tr. IV die biblifch-kirchliche Lehre von
der Erfchaffung der Welt aus Nichts klar ausgefprochen
(S. 177, 51 ff. Peiper), fo foll im Gegenfatz dazu Boethius
in der Consolatio S. 139, 5 ff. lehren, Gott zwar fei
aeternus (von unbegrenzter Dauer aufser und über der
Zeit), die Welt, mundus, aber doch perpetuus (von unbegrenzter
Dauer, jedoch gebunden an die Zeit). Hier
j erfcheint mir Rand's Beweisführung nicht zwingend, und
| ich bin mehr der Anficht Hildebrand's (Boethius und
1 feine Stellung zum Chriftenthum. 1895), gegen den Rand
j (S. 426) vornehmlich polemifirt. Es kommt Boethius
a. O. keineswegs auf eine förmliche Lehre von dem Ver-
hältnifs zwifchen Gott und der Welt an, fondern nur auf
die Erläuterung der aeternitas Gottes (S. 137, 7), die man
; fich am beften klar machen könne, wenn man fich den
; Begriff perpetuus, den die Philofophen von der Welt
; gebrauchten, vergegenwärtige. Wenn es (S. 139, 17) heifst:
1 Quod igitur temporis patitur condicionem, licet illud,
sicuti de mundo censuit Aristoteles, nec coeperit utnquaui
j esse nec desinat vitaque eius cum temporis infinitate ten-
datur, nondum tarnen tale est, ut aeternum esse iure cre-
! datur, fo fpricht Boethius in den Worten licet—tendatur
I doch nicht, wie Rand will, als feine eigene Lehre aus,
,dafs die Zeit felbft weder Ende noch Anfang hat', fondern
j das conceffive licet läfst fich nur im Sinne der Möglich-
j keit verliehen. Und wie hier Ariftoteles, fo nennt Boethius
darnach Plato (S. 140, 30 unde non recte quidam,
qui cum uudiunt uisum Piatoni mundum hunc nec
I habuisse initium temporis u. s. w. und aliud est enim per
1 interminabilem duci uiiain, quod mttndo Plato tribuii),
wie vorbauend, um nicht diefe Lehre als feine eigene
j erfcheinen zu laffen. Auch für die nun folgenden Worte
I dürfte fich die Deutung, dafs fie noch im Sinne Plato's
gefprochen find, nicht ganz abweifen laffen, wie insbe-
fondere noch der abfchliefsende Satz der ganzen Be-
j trachtung nahe legt (S. 141, 55): ltaque si digna rebus
nomina velimus imponere, Platonem sequentes deuin
quidem aeternum, mundum vero dicamus esse perpetuum,
j wo auch auf den vorlichtigen Potential zu achten ift.

Boethius verneint allerdings keineswegs die Lehre von
I der perpetuitas der Welt, ebenfo wenig aber will er fich
j deutlich zu ihr bekennen. Mit nicht mehr Recht benutzt
Rand die Stelle des Tr. I De trinitate S. 158, 55—72,
deren Zufammenhang und Sinn ganz der gleiche wie
dort in der Consolatio ift: quod (die dreifache Zeitform) de
caelo et de ceteris inmortalibus corporibus secundum
philosophos dici potest, at de deo non ita. Wenn nun
Boethius an diefen Stellen mit feiner eigenen Anficht fo
wenig beftimmt hervortritt, follte es da unmöglich fein,
in ihm den Verfaffer von Tr. IV zu fehen, in dem doch
nur die Lehre der Kirche dargeftellt werden foll und
die eigene Speculation ausgefchloffen ift? vollends wenn
man hier verfchiedene Entwickelungsftufen desfelben
Autors annehmen wollte? — Weit eher können wir dem
Verfaffer folgen, wenn er fprachliche Unterfchiede
zwifchen den Werken des Boethius und Tr. IV aufdeckt,
1 welche die Annahme gleicher Autorfchaft verbieten.
| Am wichtigften ift hier das Verhältnifs im Gebrauch der