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Ausgabe:

1902 Nr. 5

Spalte:

143-145

Titel/Untertitel:

Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi 1902

Rezensent:

Schürer, Emil

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143

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 5.

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folgende Stellen: Pf. 90, 17. Pf. 91, 1—16 (die letzten vier
Verfe defect). Pf. 92, 1—10 (die erften vier Verfe defect).
Pf. 96, 7—13. Pf. 97, 1—12 (defect). Pf. 98, 3. Pf. 102,
16—29. Pf. 103, 1—13 (defect). Es find alfo recht erhebliche
Stücke von Aquila's Ueberfetzung, die uns
hiermit gefchenkt werden. Aeufserlich fällt befonders
in die Augen, dafs der Gottesname rTl.T1 durchweg
hebräifch gefchrieben ilt, aber nicht in Quadratfchrift,
fondern in althebräifchen Charakteren, wie das auch in
den durch Burkitt herausgegeben Fragmenten der
Königsbücher der Fall ift. Schon Burkitt hat darauf
aufmerkfam gemacht, dafs damit eine Notiz des Origenes
in merkwürdiger Weife beftätigt wird (zu Pf. 2, 2; sv
zoiq axgcßsözegocq 6s xmv avztygcupcov sßgaioiq yjxgax-
xrjgGi xslzai zo ovofta, sßga'ixoiq 6s ov zoiq vvv dXXa
zoiq ccgyaiozazoiq). — Das charakteriftifche avv findet
fich Pf. 102, 7: dvörjzoq ov GvvqOsi övv zavzrjv.

3. Die dritte Serie der von Taylor mitgetheilten
Palimpfeft-Fragmente enthält kleine Bruchftücke des
Neuen Teftamentes. Auf drei Stücken (man kann
hier eigentlich nur fagen: Fetzen) flehen ein paar Sätze
oder Satztheile aus Matthäus (c. 10), auf zwei anderen
folche aus dem Johannes-Evangelium (c. 20). Die
Schrift ift eine grofse aufrechtftehende Majuskel. Der
Herausgeber vermuthet, dafs die Blätter nicht aus einer
vollftändigen Evangelien - Handfchrift, fondern einem
Lectionar (Evangeliftarium) flammen. — Von etwas grösserem
Umfang als diefe Evangelien-Fragmente ift ein
Fragment der Apoftelgefchichte (Act. 24, 22—26),
ebenfalls Palimpfeft. — Den Schlufs bildet ein kleines
Bruchftück, auf welchem ein paar Worte aus dem erften
Petrusbrief (2, 23; 3, 7) lesbar find.

Die hebräifchen Texte, welche auf diefen Blättern
flehen, find verfchiedener Art. Auf den Hexapla-Frag-
menten ift ein liturgifches Werk gefchrieben, auf den
Aquila-Fragmenten Stücke des paläftinenfifchen Talmud,
auf den Evangelien-Fragmenten Stücke der Pefikta de-
Rab Kahana. Merkwürdig ift, dafs nicht nur Blätter von

Die Ergänzungen, sowohl im Texte als in den Anmerkungen
, find aber doch fo zahlreich, dafs der Umfang
um 127 Seiten geftiegen ift. Nicht ganz wenige find
durch neue Funde veranlafst. Zu der nie raffenden In-
fchriften-Forfchung ift jetzt auch die Papyrusforfchung
mit ihren, alle Gebiete der Alterthumskunde befruchtenden
reichen Ergebnifsen getreten. Was durch beide dem
vorliegenden Bande zu Gute gekommen ift, ift etwa
Folgendes.

In dem Abfchnitte über die „nichterhaltenen Quellen"
(§ 3, B) ift eine Mittheilung über die Papyrus-Fragmente
eingefchaltet, welche fich auf die Gefchichte der alexan-
drinifchen Judenverfolgungen beziehen (S. 65—70). Sie
find merkwürdig durch ihre protokollarifche Form: es
wird berichtet über Verhandlungen in Gegenwart der Kaiser
Claudius, Trajan und eines der Antonine; und zwar fcheint
es fich überall um Verhandlungen zu Ungunften der
alexandrinifchen Antifemiten zu handeln, die mit der
Todesftrafe bedroht sind, aber angefichts des Todes
noch mit grofser Kühnheit auftreten. Man hat daher
diefe fragmentarifchen Berichte als ,heidnifche Märtyrer-
Acten' bezeichnet; vielleicht nicht mit Unrecht. — Die
Thatfache, dafs die Provincialen in der römifchen Kaiserzeit
dem Kaifer einen Eid der Treue zu leiden hatten
(wofür Joseph. Antt. XVII, 2, 4 der ältefte Beleg ift),
war fchon bisher mehrfach bezeugt. Ein neuer Beleg
ift der von Cumont gefundene Eid der Paphlagonier
für Auguftus aus dem dritten Jahre der Provinz = 4/3
v. Chr. (S. 399). — Die Exiftenz einer cohors Italica in
Syrien ift jetzt durch zwei weitere Infchriften bezeugt,
deren eine wahrfcheinlich aus dem Jahre 69 n. Chr.
flammt, während die andere vom Jahre 157 n. Chr. datirt
ift (S. 463). Damit ift freilich für die Rettung von Act. 10, 1
nichts gewonnen. — Ueber die Befatzungsverhältnifse
Paläftina's im Jahre 139 v. Chr. giebt ein neues Militärdiplom
Auffchlufs (S. 465). — Ueber das övfißovXiov
der Statthalter (Act. 25,12) ift das Material durch neue
Funde bereichert worden (S. 469). — Einige Ent-

Aquila's Bibel-Ueberfetzung, die bei den Juden hochge- täufchung hat ein Fund in Jerufalem bereitet. Während
fchätzt war, fondern auch Blätter aus chriftlichen 1 man bisher geneigt fein konnte, eine Wafferleitung von

Werken (Hexapla und Neues Teftament) von fpäteren
jüdifchen Schreibern als Schreibmaterial benützt
worden find. Wenn es fich nur um die Hexapla
handelte, könnte man annehmen, dafs diefe auch von

den Salomonsteichen nach Jerufalem, deren Rede noch
erhalten find, auf Pilatus zurückzuführen, ift jetzt unter
den Trümmern ein Stein gefunden worden, welcher den
Namen des Confuls vom Jahre 195 n. Chr. J. Clemens

gelehrten Juden ftudirt worden ift. Selbft beim Neuen trägt (S. 490). Es ift freilich möglich, dafs unter ihm
Teftament wäre dies an fich wohl möglich. Wenn aber ! eine ältere Arbeit nur ausgebeffert worden ift. — Der

Taylor's Vermuthung richtig ift, dafs die Evangelien-
Fragmente aus einem Lectionar flammen, fo mufs doch
wohl angenommen werden, dafs nicht irgendwelches
Intereffe am Inhalt, fondern nur die Brauchbarkeit
des Pergamentes diefe Blätter in jüdifche Hände geName
des ägyptifchen Statthalters A. Avillius Flaccus,
der die Juden verfolgte, ift jetzt auch auf einem Papyrus-
Fragment (Bruchftück eines Edictes aus dem 21. Jahre
des Tiberius) und auf einem vom Auguft 33 n. Chr.
datirten Oftrakon gefunden worden. Letzteres beftätigt

bracht hat. die Angabe Philo's, dafs Flaccus fchon unter Tiberius

Göttingen. E. Schürer.

Schürer, Prof. D. Emil, Geschichte des jüdischen Volkes
im Zeitalter Jesu Christi. Dritte und vierte Auflage.
Erfter Band. Einleitung und politifche Gefchichte.
Leipzig 1901, J. C. Hinrichs'fche Buchh. (VII, 781 S.
gr. 8). M. 18.— ; geb. M. 20 —

Nachdem im Jahre 1898 Bd. II und III in dritter
Auflage erfchienen find, liegt nun auch der erfte in neuer
Auflage vor. Diefelbe ift auf Wunfeh des Herrn Verlegers
als dritte und vierte bezeichnet, da fie in einer
erheblich gröfseren Zahl von Exemplaren gedruckt wurde,

als die der beiden anderen Bände. Das Regifter zum der Kaifer feine Stellung zur Sache nicht geändert hat,

fünf Jahre lang, also 32—37 n. Chr., Statthalter war
(S. 496 f. Anm.). — Während ich noch in der vorigen
Auflage fagen mufste, dafs der Nachfolger des Flaccus
unbekannt fei (S. 418), kennen wir denfelben jetzt durch
eine neu gefundene und eine richtiger ergänzte Infchrift,
fowie durch einen Papyrus-Text: es war C. Vitrafius
Pollio, derfelbe, der nach Plm, Hist. Nat. 36,57 auch
noch unter Claudius im Amte war (S. 500). Diefe Thatfache
ift für das Verftändnifs der Gefchichte wichtig.
Da Claudius, der den Conflict zu Gunften der Juden ent-
fchied, den Statthalter im Amte liefs, kann diefer kein
Juden Verfolger gewefen fein. Daraus erklärt es fich, dafs
in den beiden letzten Jahren Caligula's, 39 und 40, eine
acute Verfolgung nicht mehr ftattgefunden hat, obwohl

Ganzen, welches das vorige mal dem erften Bande bei- : — Viel Material haben die Papyrusfunde über die ano-
gegeben wurde, ift diesmal davon getrennt worden, und ygaipai in Aegypten geliefert (S. 514 fr.). Wenn die dorfoll
als befonderes Heft erfcheinen. Es ift gegenwärtig tigen Verhältnifse auch nicht ohne weiteres auf Syrien
noch in Arbeit. übertragen werden dürfen, fo können wir uns nun doch

Wie bei den anderen Bänden fo hat auch bei diefem j eine deutliche Vorftellung davon machen, mit welcher
der Text keine durchgreifende Umgeftaltung erfahren. ! Sorgfalt und Strenge die Römer für regelmäfsige perio-