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Ausgabe:

1902 Nr. 5

Spalte:

138-142

Autor/Hrsg.:

Bertholet, Alfred

Titel/Untertitel:

Leviticus 1902

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 5.

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Uebertra-ung literarkritifcher Fixirungen auf die Religions- Machpela liege in zeitgefchichtlichen Verhältnifsen (250 f.),
eefchichte Aus der fpäten Entftehungszeit einer Schrift während es P m. E. nur auf den ausdrücklichen Nachweis
folgt keineswegs ohne Weiteres die fpätere Entftehungs- ankommt, dafs der Patriarch den Uebergang vom TA (vgl.
zeit ihrer Stoffe Gedanken und Stile'. Diefe Warnung I7,s) zum Grundeigenthümer auf ftreng rechtlichem Wege
ift m E wohl berechtigt. Aber ihr Refultat ift zunächft ! vollzogen habe. Ein finnftörender Druckfehler ift S. 160
nothwendicr ein rein negatives: Sie entrückt mit einem j Z. 10 v. o. .gewefen' wohl ftatt ,gemeffen<. — Ein
Schlage auf einen für uns uncontrollirbaren Boden Man- ! kurzes Regifter (449 f.) gewahrt zum Schlufse noch ein-
ches hinter das der Literarhiftoriker vielleicht noch mit mal einen willkommenen Ueberbhck über die vielen
einer gewiffen Zuverficht zu kommen hoffte. Wenn da- wichtigen religions-, fitten-und culturgefchichthchen Einzeigegen
G. nun aber zu pofitiven Aufftellungen fortfchreitet heiten, welche G. in feiner werthvollen Arbeit zur Sprache
und den für blofse Vermuthungen gewonnenen Spielraum | gebracht hat.

dazu benutzt, um Vielem, was die Kritik in fpätere Zeit j Ba(ei Alfred Bertholet,

hinabgefetzt hat, wieder ein höheres Alter zu vindiciren,

ru

fo wird er (Ich damit apologetifcherfeits einigen Dank | pfof ^ A Leviticus, erklärt. (Kurzer

verdienen, aber andererfeits allerlei Widerfpruch wach- ( » ' ' T T

fem Ich glaube allerdings, dafs die kritifche Anfchau- Hand-Commentar zum Alten Teftament. In Verbindung
mit J. Benzinger, A. Bertholet, K. Budde, B.Duhm,
H. Holzinger, G. Wildeboer herausgeben von D. Karl
Marti. 13. Lieferung. III. Abtheilung.) Tübingen 1901,
J. C. B. Mohr. (XX, 104 S. gr. 8.) M. 2.40

Es ift längft allgemein anerkannt, dafs der Priefter-
codex nicht ein Gefetzbuch aus einem Gufse ift, fondern
ein Werk, mit dem theils ältere oder jüngere felbftändige
Gefetzbücher, theils eine Anzahl von Novellen, fämmtlich
aus derfelben priefterlichen Schule, verbunden worden find.
Für ein eingehenderes Studium eben diefer Schule, für
die Erkenntnifs ihrer Entwickelung und der verfchiedenen
in ihr nebeneinander herlaufenden Strömungen, d. h. aber
für das Studium des Hauptfactors der religiöfen Entwickelung
des Judenthumes von etwa 600 bis in das
4. Jahrhundert hinein ift eine genaue Scheidung und wo
möglich eine genaue chronologifche Feftlegung aller aus

ung gewiffe Correcturen, die er an ihr vornimmt, nicht
unbefehen von der Hand weifen darf. Dahin rechne ich
vor Allem fein Urtheil über das Alter des Schöpfungsglaubens
in Ifrael (109, 113, 260; man vgl. übrigens den
Tempelweihfpruch Salomo's in LXX), ferner über die
alten Vorftellungen von Jahwe's Verhältnifs zum Menfchen
(XLVIII—L. 201, 284), über das altifraelitifche Opfer (165),
über vorprophetifche Eschatologie (436), über priefterlich.es
Königthum (261) u. f. w. Diefer ,reactionäre' Zug wirkt,
wo er fich geltend macht, darum überzeugender, weil
anderwärts der Verf. gegen allegorifirende (18) und dog-
matifirende Mifshandlungen der alten Erzählungen (15,
vgl. 156, 282, 378), überhaupt gegen falfche Moderni-
firungen in der Auslegung u.dgl. (16, 103, 172, 198 [zu
19,33] 245) fchonungslos zu Felde zieht.

Im Commentare erfcheint der Gefammtftoff der Ge-
nefis auf 4 Abfchnitte vertheilt (Urgefchichte, Abraham

gefchichten, Jakobgefchichten, Jofephgefchichte), wobei . diefer Schule flammenden literarifchen Erzeugnifse eine
die Darfteilung von J und E einerfeits und P andererfeits nothwendige Vorausfetzung. Es ift daher mit Freuden
gefondert behandelt wird. Die Ueberfetzung fucht der | zu begrüfsen, dafs B. in feinem. Commentare gerade da

kunftvollen rhythmifchen Gliederung des Originales gerecht
zu werden und gleichzeitig fein .Archaifiren' nachklingen
zu laffen. VonTextverbefferungen merke ich an 25,22: ">b
(ift mir zugeftofsen) für *9bR; 34,27: S^bhn (die Kranken,
Schwachen) ftatt BVdfjTl. Äuf Einzelheiten wie z. B. die
abweichende Erklärung von 8,4(S. 134) einzutreten, verbietet
mir der Raum. Nur einiges Wenige fei hier noch erwähnt
, was ich zu beanftanden oder wozu ich wenigftens
Fragezeichen zu fetzen hätte: das Paradies habe urfprüng-
lich im Himmel gelegen (33); die Kainfage handle nicht
von den Kenitern und rede nicht vom Standpunkt des
Bauernvolkes Ifrael (43); der Noahfegen enthalte die
ältefte Nachricht des A.T. über Völkerverhältnifse, d. h.
er fetze eine Situation noch des zweiten Jahrtaufends

rauf ganz befonders fein Augenmerk gerichtet hat, ebenfo
wie Baentfch in feinem kurz zuvor erfchienen Commentare
überExod. und Lev., und es ift ficherlich ein günftiges
Präjudiz, dafs beide unabhängig voneinander (S. XX, Note)
doch in weitgehendem Maafse zufammentreffen.

Im Lev. laffen fich zunächft einige Gefetzgruppen
leicht herausheben: 1. die Opferthora Cap. 1—7 (Po),
2. die Reinheitsthora Cap. 11 —15 (Pr) und 3. das Heilig-
keitsgefetz Cap. 17-26 (Ph [Baentfch] oder H [Bertholet
]). Diefe erweifen fich der priefterlichen Grundschrift
(Pg) gegenüber als felbftändige Gefetzkörper. Neben
ihnen ftehen: 1. Cap. 8—10, die Priefter betreffende Erzählungen
und Gefetze, 2. Cap. 16, das Gefetz vom grofsen
Verföhnungtage, und 3. Cap. 27, ein Gefetz über Gelübde

voraus (76). Zu Cap. 1 finde ich nicht genügend her- und Zehnten. Die Hauptrefultate der fehr forgfältigen
vorgehoben, wie der Bericht die ganze Schöpfung auf's und eingehenden Analyfe B.'s feien im folgenden im An-
Gefetz angelegt fein läfst. 13,18, 18,1 (auch 14,13) fei der i fchlufse an diefe Eintheilung mitgetheilt (vgl. S.IX—XIII).
Plural (mehrere Terebinthen) nicht tendenziöfe Aenderung, j 1. In Po ftehen zunächft Cap. 1—5 den Cap.6—7 felb-
fondern der Wechsel von Sing, und Plural erkläre fich fo, j ftändig gegenüber; beide aber find complicirte Gröfsen.
dafs an der betreffenden Stelle in alter Zeit nur ein Baum In Cap. 1—5 find folgende 4 Beftandtheile zu unter-
ftand, in fpäterer es mehrere Bäume waren. Aber Jo- fcheiden (in chronologifcher Reihenfolge: a) 5,1.4-6.17-19,
feph. B. J. IV 9,7 kennt dann doch wieder nur einen j welche die fcharfe Unterfcheidung von nSTjn' und' DOS

(S. 178)! Lot fei urfprünglich nicht Vater Moab's und
Ammon's fondern der Ahnherr eines horitifchen Urvolkes
(vgl. Lotan 36,29; S. 161, 195), und die Sage feiner Töchter
fei zum Ruhm der Ahnfrauen erzählt worden (197). Cap. 22
liege Polemik gegen das Kinderopfer gänzlich fern; es fei
urfprünglich nur die Sage vom Kinderopfer zu Jeruel
(218—220). Die Gleichung von Urzeit und Endzeit er

noch nicht kennen und darum vielleicht vorezechielifch
(vgl. Ezech. 44,29), jedenfalls aber vorefranifch (vgl. Eft.
10,19) find; fo urtheilt B. mit Carpenter m. E. mit Recht,
b) I,2a£-i3, 3,i-i6, welche älter als Pg find (die Bezugnahme
auf die Stiftshütte und Aaron's Söhne beruht auf
Ueberarbeitung; 1,7 kennt die Anfchauung des Pg vom
himmlifchen Urfprunge und von der Permanenz des Altarkläre
fich aus der Beobachtung der Präceffion der Sonne | feuers, 9,24 vgl. 6,6, noch nicht); fo wiederum mit Recht
1242). Die vielen göttlichen Wefen, die Jakob nach E j im Anfchlufse an Carpenter (Ob a) älter oder jünger
zu Bethel fleht, feien nicht durch nachträgliche Differen- als b) ift, wagt B. nicht beftimmt zu entfeheiden).
zirung aus einem Engel entftanden fondern umgekehrt | c) 2,1-10.14-16, welche fich formell durch die directe Anrede
fei der eine bei J jünger (LVII, 289, 291). Das Zerreifsen von Cap. I und 3 unterfcheiden; auch Vers 1_3, die gegender
Kleider als Trauerfitte erkläre fich lediglich als leiden- wärtig die 3. Perfon aufweifen, find erft durch die Re-
fchaftlicher Ausdruck der Trauer (369). Der Grund des daction mit Cap. 1 conformirt. Diefe Neuerung B.'s
befondern Intereffes von P an der Erwerbung der Höhle | fcheint mir nicht überzeugend zu fein; es ift doch jeden-