Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1902 Nr. 4

Spalte:

124-125

Autor/Hrsg.:

Arndt, Augustin

Titel/Untertitel:

Die kirchlichen Rechtsbestimmungen für die Frauen-Congregationen 1902

Rezensent:

Bruckner, Albert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

123

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 4.

124

ift, — ift charakteriftifch, dafs das Natürliche an ihr nur
Potenz, nur ein verfchwindendes Accidens bildet. Das
Leibliche ift bei diefen Geiftwefen nur Mittel zu parafta-
tifcher Verleiblichung. Es fehlt ihnen deshalb Naturtiefe,
Phantafie, Reichthum felbfteigenen inneren Lebens. Darin
liegt ihre der Menfchenwelt untergeordnete Art. Diefe
Geifterwelt hat ihre Contrapofttion in der himmlilchen
Naturwelt, welche die natürliche Seite des Abfoluten in
creatürlichem Abbilde darftellt. Als nun zum Abfchluffe
der Schöpfung der Menfch als Synthefe der beiden
Welten hergeftellt werden follte, trat in der dritten Hierarchie
der Geifterwelt aus Neid auf die hervorragende
Stellung des zu fchaffenden Menfchen ein Act der
Renitenz ein, eine Ablöfung vom Abfoluten. Diefe hatte
wieder eine Auflöfung der Kräfte zur Folge, und ,diefe
Auflöfung innerhalb der perfönlichen Geifter mufste auch
eine Paralyfe der ihr zuftehenden Naturwelt hervorrufen,
welche nur mit einer gewaltfamen Ablöfung diefer Welt
von jenem Geifterreiche enden konnte' (S. 208). So erklärt
fich die Entftehung der Materialwelt. Gott fchlug die
in Widerftreit verfetzte Naturwelt nieder, ,fchlug fie dem
Verderber gewiffermafsen aus der Hand' (die xaraßoXr/).
Das Niedergefchlagene ift ,das Waffer' Gen. ia, aus dem
Gott dann in dem Siebentagewerke das materielle Sein zu
fchrittweife aufzeigender Verinnerlichung brachte, damit
der urfprüngliche Zuftand wiederhergeftellt und im
Menfchen der Weltzweck erreicht werde.

Mit dem Falle des Menfchen beginnt der Tag des
Sohnes. Das Ziel des Sohnes ift, ,das nach dem von ihm
dargereichten Bild vom Vater Gefchaffene führend und
zurückführend dem Vater zu überantworten' (S. 241).
Während das Schöpfungswerk des Vaters, das derfelbe
nach dem Bilde des Sohnes, im Blick auf die Prognofe
des Sohnes und unter Beiftand des h. Geiftes vollzog, das
der ,Beiwohnung' genannt werden kann, ift das befondere
Werk des Sohnes, dem der Geift vorarbeitend und dann
mitbauend zur Seite ftand, das der ,Einwohnung'. Der
Sohn begab fich des Lebens in freier Evolution und trat
bei feiner Erniedrigung in eine Involution ein, die eine
hemmende Qual für ihn bedeutete. Im Sohne wohnte
die Trinität der Welt inne. Das befondere Werk des
h. Geiftes ift dann das der ,Durchwohnung'. Der Geift
waltet gegenwärtig zeugend, bezeugend, entfaltend, erbauend
, fichtend in der Kirche. Sein Hauptwerk aber
wird fein die grofse Wiedergeburt der Kirche. Denn die
Kirche, die in die Materialwelt hineingezeugt ift, mufs aus
den Hüllen derfelben entbunden werden. Das wird einft
gefchehen, wenn die Wiedergeburt des Himmels und der
Erde eintritt und die Gläubigen ihre verklärten Leiber
erlangen. Dann wird die heilige Drei die Welt des Ge-
fchöpflichen durchwohnen und durchleuchten, fo dafs Gott
ift Alles in Allem.

Dies ein kurzer Ueberblick über die Hauptgedanken
des Werkes. Ich habe nicht viel hinzuzufügen. Auf
Punzeines kann ich nicht eingehen. Es kommt mir nur
darauf an, die Hauptfache, die Art im Ganzen, wie der
Verf. den Gottesbegriff entwickelt, zu beurtheilen.

Das Buch Poll, wie der Nebentitel fagt, ein ,Beitrag
zur fpeculativen Theologie' fein. Einen folchen Beitrag
bietet es wirklich. In meinem Ueberblicke habe ich die
Speculation des Verf.'s nur in ihren Grundzügen andeuten
können. Von dem Reichthume ihrer Ausführung, von
der Fülle der Combinationen und Partitionen, der phyfi-
kalifchen und mathematifchen Begriffe und Bilder, mit
denen der Verf. operirt, von feinen immer wiederkehrenden
finnigen Erörterungen über die Bedeutung gewiffer Zahlen
kann man nur beim eigenen Lefen des Buches einen Eindruck
gewinnen. Wer geiftreiche Speculation in dem
Buche fucht, wird befriedigt werden. Man kann es als
ein befonders typifch geftaltetes und kräftig entwickeltes
Product der fpeculativen Theologie bewundern.

Aber wie verhält fich der Inhalt diefer Speculation
zu dem Evangelium Jefu Chrifti? Man kann ja der

fyftematifchen Theologie im Ganzen den Zweck der Ver-
; ftändlichmachung diefes Evangeliums geben. Man kann
] ihr die Aufgabe zuweifen, den Werth, die Wahrheit, die
Offenbarungsbedeutung diefes Evangeliums zu prüfen
I und zu begründen und die zu diefem Evangelium ge-
! hörigen einzelnen Anfchauungsglieder fo klarzulegen und
ficherzuftellen, dafs für die praktifche Verkündigung des
' Evangeliums in der Gegenwart eine fefte Bafis gewonnen
wird. Indem ich felbft mit diefer Aufgabe im Herzen
das Buch R.'s las, bereitete mir fein Inhalt eine grofse
Enttäufchung. Denn mir fchien, dafs gerade das, worauf
der Verf. am meiften Werth legt und was er am breiteften
! ausführt, zu jener grofsen Hauptaufgabe der fyftematifchen
Theologie in keiner inneren, fördernden Beziehung fleht.
Wohl weifs ich es zu würdigen, dafs der Verf. feinen
Ausgang von der Erkenntnifs nimmt, dafs Gott nicht nur
i abftractes abfolutes Sein, fondern Leben ift. Denn aller-
j dings ift der Gott, den uns Jefus Chriftus als den himm-
lifchen Vater offenbart hat, ein lebendiger Gott. Aber
was der Verf. dann zur näheren Bezeichnung diefes
Lebens Gottes beibringt, alle feine an das kirchliche
Dogma angefchloffenen Speculationen über die immanenten
Relationen der Trinität, — was tragen fie bei zum
Verftändnifse und zur Befeftigung der einfachen Gottes-
anfchauung, von welcher das Evangelium Jefu Chrifti
j getragen war? Ich bezweifle nicht, dafs in einem Chriften,
i der folchen Speculationen Raum giebt, auch eine einfache
evangelifche Frömmigkeit fortbeftehen kann. Aber
fie befteht dann trotz jener Speculationen. Geftützt und
i gefördert wird fie durch diefelben nicht. Es können diefe
{ Speculationen aber auch zu einer Ablenkung von dem
1 Wefen des Evangeliums und dadurch zu einer Behinde-
j rung der einfachen evangelifchen Frömmigkeit gereichen.
Der Mafsftab, den ich an das Buch angelegt habe, ift
dem Verf. felbft nicht gewohnt. Denn für ihn ift die
höchfte Offenbarungsautorität eben nicht Jefus Chriftus
I felbft mit feinem Evangelium, fondern die infpirirte heilige
Schrift im Ganzen. Und weil er für feine Speculationen
über das kirchliche Dogma in der h. Schrift alle mög-
j liehen Anknüpfungen und Andeutungen findet, ift es ihm
gewifs, dafs er feft auf dem Boden der Offenbarung fleht.
| Da bietet ihm z. B. die Vifion das Ezechiel natürlich viel
mehr Stoff für feine Speculationen über Gott als das einfache
Gleichnifs Jefu vom verlorenen Sohne. Einen Ver-
fuch, das ethifche Wefen Gottes genauer darzulegen, die
einzelnen ethifchen Eigenfchaften, die wir von dem himm-
lifchen Vater ausfagen müffen, zu definiren und die damit
zufammenhängenden Probleme zu unterfuchen, (teilt der
' Verf. überhaupt nicht an.

Jena. H. H. Wendt.

Arndt, Auguftin, S. J., Die kirchlichen Rechtsbestimmungen
für die Frauen-Congregationen. Mainz 1901, F. Kirchheim.
(VIII, 360 S. gr. 8.) M. 5.— ; geb. M. 6.—

Mit viel Sorgfalt und Gefchick (teilt der Verfaffer
hier alle auf die Frauencongregationen bezüglichen kirchlichen
Rechtsbeftimmungen zufammen und erläutert fie,
wenn nöthig, an der Hand der von den verfchiedenenCardi-
nalscongregationen getroffenen fpeciellen Entfcheidungen.
Im erften Theile (S. 1—84) befpricht er die rechtliche
Stellung der Frauencongregationen in der katholifchen
Kirche', im zweiten (S. 85—326) ,die kirchlichen Beftim-
mungen über die innere Organisation der Frauencongregationen
' und dies alles mit folcher Genauigkeit, Prä-
eifion und Objectivität, dafs man den Eindruck einer in
jeder Beziehung glücklichen Löfung des von ihm darge-
I (teilten Themas erhält und in verfchiedentlicher Beziehung
die Weisheit der römifchen Kirche in der Leitung und
' Organifation auch diefer weitverzweigten Bewegung be-
I wundern lernt. Den Schlufs bildet eine kleine Zahl von
| Ergänzungen, unter anderen die Bulle ,Auditae a Christd*