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Ausgabe:

1902 Nr. 3

Spalte:

70-74

Autor/Hrsg.:

Réville, Jean

Titel/Untertitel:

Le Quatrieme Evangile, son origine et sa valeur historique 1902

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 3.

70

J. Singer, C. Toy, J. Funk Chairman of the board,
F.Vizetelly Secretary of the board, J. Singer Pro-
jector and managing editor, assisted by american and
foreign boards of Consulting editors. Vol. I, Aach —
Apocalyptic Literature. New York and London
1901, Funk and Wagnalls Company. (XXXVIII,
685 S. 4.) ä M. 30.—

Auf Grund ausgedehnter und mühevoller Vorarbeiten
ift vor Kurzem der erfte Band diefes grofsen Unternehmens
ans Licht getreten. Es will, wie das Vorwort
fagt, in fyftematifcher, umfaffender und doch knapper
Form eine vollftändige und gründliche Orientirung darbieten
über die Gefchichte und Literatur, das
focialeund geiftige Leben des jüdifchen Volkes,
feine ethifchen und religiöfen Anfchauungen,
feine Sitten, Gebräuche und Ueberlieferungen
zu allen Zeiten und in allen Ländern. Der Plan
zu dem Unternehmen ift von Dr. Ifidor Singer in New
York entworfen. Es ift ihm gelungen, nicht nur einen
rührigen Verleger, fondern auch einen Stab von Mit-
Redacteuren und eine Armee von Mit-Arbeitern zu gewinnen
. Die jüdifchen Gelehrten der meiften Cultur-
Länder und auch manche chriftliche Gelehrte find an
dem Unternehmen betheiligt. Das Ganze ift auf zwölf
Bände berechnet. Da der erfte Band nur bis Apocalyptic
geht, fcheint es uns fraglich, ob diefer Plan innegehalten
werden kann.

Die Ausführung verfpricht nach dem vorliegenden
Anfange eine durchweg gediegene zu werden. Manche
Artikel find von anerkannten Fachmännern beigefteuert;
alle machen den Eindruck, dafs ihre Verfaffer in den
behandelten Materien gründlich zu Haufe find. Das
Gebiet der Sprachwiffenfchaft ift z. B. vertreten
durch die Artikel Acccnts (S. 149—158, von M. L. Mar-
golis) und Alphabet (S. 439—454, von Lidzbarski, mit
reicher Bibliographie, fünf Schrifttafeln und zahlreichen
Schriftproben, in knapper Form wohl die befte Orientirung
über die Gefchichte der hebräifchen Schrift, die
wir jetzt haben). — Von Artikeln zur biblifchen Gefchichte
feien hervorgehoben: Aaron, Abel, Abner,
Abraham, Absalom, Adam, Ammonites, Amorites, Arnos.
Ueberall find auch die auf die biblifchen Helden bezüglichen
fpäteren jüdifchen Legenden in Kürze mitgetheilt.
Auch der Artikel Alexander the Grcat bringt eine Ueber-
ficht über die jüdifchen Alexander-Legenden von Israel
Levi, der in der Revue des etudes juives mehrere Einzelbeiträge
hierüber geliefert hat. — Dem Gebiete der
jüdifchen Alterthümer gehören an die Artikel: Ab
ninth day of, Ablution, Abraxas, Adoration form of,
Agriculture, Almemar (das Lefepult in der Synagoge),
Altar, Amarkol, Amulct (S. 546—550, von Blau, mit
zahlreichen Abbildungen jüdifcher Amulette), Anathema
(über den Bann in feinen verfchiedenen Formen), Ani-
■mals of the Biblc. Infonderheit find den einzelnen
Stücken der jüdifchen Liturgie Special-Artikel gewidmet
(z. B. Abinu Malkenu, Abodah, Adonaj, Ailon
olam, Ahaba rabbah, d. h. die Benedictionen, welche dem
Schma vorangehen, AI ha-Rishonim, Amen). — Es feien
ferner genannt, aus dem Gebiete der talmudifch-
rabbinifchen Literatur und ihrer Autoritäten:
Abba Arika, Abbreviations, Abot, Abot de-Rabbi Nathan,
Abtaljon, Academies, Acrostics, Akiba (S. 304—310), Alle-
gorical Interpretation, Aniiochus Megillat, Antoninus in
the Talmud; — aus dem Gebiete der Apokryphen-
Literatur: Abraham Apocalypsc of, und Testament of,
Adam book of, Ahikar, Apocalypse, Apocalyptic Literature
(S. 675—685, von Buttenwiefer); — aus dem Gebiete der
Glaubenslehre: Adam Kadmon, Agnosticism, Ahriman,
Angelology, Anger, Anthropomorphisin, Antichrist. —
Einen Artikel über Alexandrian Philosophy hat Wendland
geliefert.

Einen noch gröfseren Raum als das jüdilche Alterthum
nimmt begreiflicher Weife in diefer die jüdifche
Gefchichte aller Zeiten und Länder umfpannenden En-
cyklopädie die Gefchichte der Juden im Mittelalter
und in der Neuzeit ein. Eine Menge gröfserer und
kürzerer biographifcher Artikel beweifen, mit welcher
Umficht der Plan zu dem Werke feftgeftellt wurde; man
vergleiche nur die Stichworte Aaron, Abraham, Adler,
Altschul, Anaw. Auch Artikel wie Alliance Israelitc
(S. 413—422), Anonymus Works (S. 613—616), Anti-
semitism (S. 641—649), fehlen nicht. Von bekannteren
Perfonen feien etwa noch Acosta, Albo, Alfasi hervorgehoben
. — Ueber die Verbreitung der Juden in allen
Ländern geben zahlreiche, zum Theil fehr ausführliche
geographifche Artikel Auffchlufs (Africa, Alexandria,
Algeria, Alsace, Alt-Ofen, Altona, America, Amsterdam,
Ancona, Andalusia, Andernach, Antwerf). Ueberall
werden nicht nur die heutigen Zuftände, fondern auch
die Gefchichte der Juden in den betreffenden Ländern und
Städten berückfichtigt. Sehr umfangreich und intereffant
ift der Artikel Agricultural Colonies (S. 241—262). Er
behandelt die jüdifchen Ackerbau-Colonieri in Argentinien
, Canada, Palaeftina, Rufsland und den Vereinigten
Staaten von Nord-America und beweift, dafs es doch
irrig ift, die neueren Juden nur für ein Handelsvolk
zu halten.

Vielen Artikeln find gut gewählte Illuftrationen
beigegeben. Die Schrifttafeln im Artikel Alphabet und
die Abbildungen von Amuletten find fchon erwähnt.
In der Gefchichte der ftädtifchen Gemeinden find oft
deren Synagogen und andere Gebäude abgebildet. Ein
fchönes Facfimile eines von Schechter in der Geniza
zu Kairo entdeckten Handfchriften-Fragmentes, welches
die dem Schma vorangehenden Benedictionen enthält
, bringt der Artikel Ahabah Rabbah (S. 281). Lehrreiche
Illuftrationen finden fich z. B. auch bei Adam
Kadmon, Agriculture, Almemar. Von befonderem Intereffe
ift die dem Artikel Adam S. 175 beigegebene Probe aus
der illuftrirten Paffa-Haggada von Sarajevo (f. über die-
felbe: D. H. Müller und J. v. Schloffer, Die Haggadah
von Sarajevo, eine fpanifch-jüdifche Bilderhandfchrift
des Mittelalters, 1898). Das jüdifche Bilderverbot hat
doch nicht gehindert, dafs im fpäteren Mittelalter jüdifche
Seitenftücke zu den chriftlichen Bibel-Illuftrationen
entftanden. Aufser der Haggada von Sarajevo giebt
es auch folche im germanifchen Mufeum in Nürnberg,
in der Parifer Nationalbibliothek, im Britifchen Mufeum
in London und im Privatbefitz (f. zu obiger Publication
auch die Anzeige in der Monatsfchr. für Gefch. und
Wiffenfch. des Judenth. 1899, s- 526—528).

Wir wünfehen dem grofsen Unternehmen einen
rüftigen Fortgang und glückliche Vollendung.

Göttingen. E. Schürer.

Reville, Jean, Le Quatrieme Evangile, son origine et sa
valeur historique. (Bibliotheque de l'Ecole des Hautes
Etudes [Sciences religieuses] XIV. volume.) Paris 1901,
E. Leroux. (VIII, 344 S. gr. 8.)

Unter einem doppelten Gefichtspunkte hat der Verf.
das vierte Evangelium zum Gegenftande feiner Unter-
fuchung gemacht. Er will feftftellen, in welcher Beziehung
es zum Apoftel Johannes fleht und ob ihm hiftorifcher
Werth zukomme; es find das connexe Fragen, die fich
zwar berühren, aber nicht ohne Weiteres zufammenfallen.
Die erfte wird hauptfächlich in einem Abfchnitte über
die johanneifche Tradition erörtert, in welchem die altkirchlichen
Ueberlieferungen über eine Wirkfamkeit des
Apoftels in Klein-Afien und über eine fpäte literarifche
Thätigkeit desfelben als irrthümlich erwiefen werden.
Eine über das ganze Evangelium fich erftreckende kriti-
fche Analyfe zeigt fodann, dafs auf die Gefchichtlichkeit