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Ausgabe:

1902 Nr. 26

Spalte:

693-694

Autor/Hrsg.:

Lindner, Theodor

Titel/Untertitel:

Weltgeschichte seit der Völkerwanderung. 1. u. 2. Bd 1902

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 26.

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der Dezifchen Verfolgung in Rom flarb und im M. H. I werden die hiftorifchen Zeitfchriften bringen. Uns mufs
bisher vermifst wurde? Dann könnte die Gleichheit des es geniigen, die Theologen auf ein Werk aufmerkfam zu

Namens dazu geführt haben, ihn mit dem Symphorianus
der IV coronati zu identificiren und diefen mit ihm auch
den Clemens beizugefellen. Weiter fällt uns auf:

XVI'II. kal. Maj. via Appia in cimet. Praetextati: Ti-
burtii, Valeriani, Maximi [et aliorum].
XL kal. Maj. via Appia in cimet. Callisti: Valeriani,

Maximi, Tiburtii.
Die Feier derfelben Heiligen auch in Callifti, an der
Üctave, ift doch erft denkbar in einer Zeit, als fie in die

machen, das ,das Werden unferer heutigen Welt in ihrem
gefamten Inhalt erklären und erzählen' foll und feine
Hauptaufgabe darin fieht, die Entwickelung aufzuzeigen.
Es verfleht fich von felbft, dafs in einem folchen Werke
auch der Gefchichte der Kirchen, ja der Religionen überhaupt
ein breiter Raum gegeben fein mufs; ift es doch
eine Frage weltgefchichtlicher Betrachtung werth, welchen
Antheil die Religion an der Gefchichte der Menfchheit
gehabt hat.

Gefchichte der dort begrabenen Cäcilia verflochten waren: | Dafs ein fo grofs angelegtes Werk nicht durchgängig
feit Ende des 5. Jahrh. j aus den Quellen gearbeitet fein kann, bedarf kaum der

Die Cäcilia felbft giebt Verf. richtig zu X. kal. Dec. Erwähnung; es baut fich auf auf die beften und ein-
(22. Nov.). Nun fleht aber noch in M. H. XV. kal. Dec. j dringendrten Bearbeitungen. In den Anhängen verzeichnet
Romae Irans Ttbere Cccili. Da ein Cäcilius für Rom | L. die hauptfächlichfte Literatur; foweit Referent es be-
trans Tibertm unbekannt ift, glaubt U. fich im Recht, ! urtheilen kann, ift die Auswahl eine vortreffliche. Die
in der Textüberlieferung des M. H. eine fehr frühe j felbftändige Zufammenfaffung der Refultate der Special-
Confufion zu vermuthen und eine Verwirrung durch 1 Arbeiten zu einem gut gruppirten und gegliederten
viele Hände anrichten zu laffen, um jenen Heiligen : Ganzen möchte Referent nach dem Eindrucke, den die
wer weifs wohin zu fchaffen. Aber es handelt fich ein- ! beiden erften Bände machen, als das bleibende Verdienft
fach um die bekannte Cäcilia und ihre Feier in der alten j des Werkes erklären. Unfere Zeit ift den Special-Arbeiten
Kirche derfelben trans Tibertm, die wohl an jenem Tage günftiger als den zufammenfaffenden; um fo verdienftlicher
(einem Sonntag vor dem 22. Nov.) geweiht worden ift. j erfcheinendiefe. Glücklicherweife braucht man bei deutfchen
Nur ift der Name der Cäcilia genau ebenfo verkürzt und I hiftorifchen Büchern es nicht mehr als befonderes Lob
entftellt, wie der Name der erwähnten Anaftafia entftellt J hervorzuheben, wenn fie gut gefchrieben find. Dafs das
ift. indem alle Codd. geben: VIII. kal. Jan. Constan- Einzelne auf Korten des Allgemeinen zu kurz käme, kann
tinopoli sei Anastasi, B noch mit dem Zufatz virginis, j ich nicht finden; im Gegentheil fcheinen mir manchmal
indem Eptern. auch VIII. id. Jan. apud Sirmiam Anastasi der einzelnen Thatfachen zu viele erzählt zu fein,
giebt. L. fetzt ein bei der Völkerwanderung: nur kurz wer-

Ob ich auch eine Reihe wohlgelungener Erklärungen den die vorausgehenden Zeiten berührt; die Gefchichte
gefunden habe, fo zeigen die Stichproben genügend, des römifchen Reichs und die Gefchichte des Chrirten-
dafs das von Urbain hergeftellte Römifche Kalendarium thums nur in einzelnen Zügen gegeben. Obgleich die
aus dem Anfang des 5. Jahrh. noch manches zu wünfehen ! Antike den Grund gelegt hat zu der byzantinifchen, abend-
läfst und mit Vorficht gebraucht fein will, dafs erft noch | ländifch-chriftlichen und islamifchen Cultur, fo brauchte
manche Specialunterfuchung nöthig ift, um eine folche j die antike Welt doch nicht ausführlich gefchildert zu
beabfichtigte allgemeine Grundlage felbft hinreichend zu | werden, weil ,lediglich das erhalten gebliebene Ergebnis,
fundamentiren. Aber die vorliegende Arbeit kann doch j und auch diefes in der Auffaffung der fpäteren Zeiten,
gute Dienrte leiften und dankenswerthe Anleitung und von weiterbildender Kraft gewefen ift'. Dankenswerther-
Anregung geben durch ihre überfichtliche Vorführung fo 1 weife wird im erften Bande auch von Indien und China
vieler wiffenfehaftlichen Fragen und Refultate, durch eine gefprochen und bei diefen Culturen auf die Anfänge zurück-
mit hingebendem Fleifse zufammengetragene Fülle von gegangen. Da der Verfaffer alle gefchichtlich bedeutbrauchbarem
und oft fchwer zugänglichem Material, das famen Völker in feine Darftellung mit aufzunehmen beeine
Orientirung erleichtert und das Studium der einzelnen abfichtigt, fo durften diefe Völker nicht fehlen. Gern
Martyrien und ihrer Zeit fördern wird. j macht der Verf. auf die natürlichen Anlagen der Völker

Das angehängte .Verzeichnifs aller in der Gefchichte ! und die natürlichen Bedingungen aufmerkfam, unter denen
und Legende fowie in den übrigen Urkunden vorkom- j fie fich entwickeln; und befonderen Werth fctieint er
menden Namen von römifchen Heiligen oder Märtyrern, [ daraufgelegtzu haben, aufzuweifen, in welchenBeziehungen
die wirklich oder angeblich den erften 4. Jahrhunderten | die Völker zu einander geftanden haben, wie fich Abendangehören
', hat gewifs mehr Mühe gekoftet als es für
die3 Wiffenfchaft Werth hat, fo lange wir noch auf den
kritifchen Herkules warten, der den Alpheius hineinkehrt

und Morgenland berühren, wie fie ihre Culturerzeugnifse
austaufchen, wie fich ihre Culturen gegenfeitig befruchten.
Mehr noch als im erften Bande kommt dies im zweiten zum

und Holz, Heu, Stroh, Stoppeln befeitigt. Ausdruck. Er reicht bis zur Ausbildung des europäifchen

roH-Pllann C Frbes Staatenfyftems im 13. Jh.; er geht noch nicht ein auf die

cauenaun. | chriftliche Cultur des Mittelalters; ihren Charakter und

Werth foll erft der folgende Band aufzeigen. L. zeigt,

Lindner, Prof. Theodor, Weltgeschichte seit der Völker- wie der Islam und Byzanz von ihrer Höhe herabfinken,
Wanderung. In neun Bänden. Erfter Band. Der Ur- wägend die abendländifche Welt kräftig emporfteigt;

r j u l: t i. ■ 1 r u u ji- j t u : welche Urfachen diefe verfchiedenartige Entwickelung

fprung der byzantinifchen, islamifchen, abendlandifch- v,„r„„rrrou^n^uf u„k a ■ r u a ■ ■^"-w"-"ci""s

Hervorgebracht haben, und wie fich das eigenartige Leben

des Abendlandes geftaltet.

Mit diefen wenigen Angaben müffen wir uns begnügen.
Es ift für jeden Theologen unerläfslich, den Blick foweit
wie möglich zu fpannen; er gerade foll auch fremdes
Leben zu würdigen verfuchen, um daran das chriftliche
meffen zu können. Wenn auch des Verfaffers Ausführungen
öfters feinen Widerfpruch herausfordern mögen,
werden fie ihm doch reiche Belehrung geben und in die
Probleme einführen können, die die Gefchichte Hellt.

chriftlichen, chinefifchen und indifchen Kultur. Zweiter
Band. Niedergang der islamifchen und der byzantinifchen
Kultur. Bildung der europäifchen Staaten.
Stuttgart 1901/2, J. G. Cotta'fche Buchh., Nachf. (XX,
479 u. X, 508 S. gr. 8.) je M. 5.50; geb. M. 7.—

Es kann nicht unfere Aufgabe fein, eine Recenfion
der vorliegenden zwei Bände von Lindner's Weltgefchichte
zu geben, noch auch, darzulegen, welche Stellung der

Verfaffer zu den neuerlichen Verhandlungen über Begriff j tj_i1f> _ c n . a tt- 1

und Aufgabe der Gefchichtsdarftellung einnimmt. Wer
fich über diefen Punkt unterrichten will, möge desfelben
Verfaffers ,Gefchichtsphilofophic' lefen, und Recenfionen