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Ausgabe:

1902

Spalte:

689-693

Autor/Hrsg.:

Urbain, August

Titel/Untertitel:

Ein Martyrologium der christlichen Gemeinde zu Rom am Anfang des V. Jahrhunderts 1902

Rezensent:

Erbes, C.

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 26.

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wicklung des Verdienftbegriffes zu reden ift. — Die Schrift
,Ouod idola dü non sinf fchreibt der Verf. als von Härtel
als echt anerkannt ohne weitere Begründung dem Cyprian
zu (S. 8) und bezieht fich im Laufe der Arbeit des öfteren
auf diefelbe. Ich will mit dem Verf. über einen be-
ftimmten anderen Autor nicht flreiten, dafs aber diefe
fpätbezeugte Schrift dem Cyprian angehöre, ift mehr
als unwahrfcheinlich. — Stil und Ausdruck find theil-
weife recht ungefchickt, fo S. 37 Abf. I, S. 41 u. 43 (,Ver-
demüthigung'), S. 104 (,Aehnliches in dem gelegentlichen
//vwAr/rr-Gebrauche von Hades und Elyfium' etc.), S. 76
(.eine Art von quasi-Cohvi) u. a. v. a. O. Bei Harnack,
Gefch. d. altchriftl. Litt, fehlt regelmäfsig Tl. I. Der
Druck ift correct; ich notire nur S. 113 Anm. 2 (imber),
S. 35 Z. 4 v. o. {fragilitas), S. 36 Anm. 2 {Cyprian), S. 170
Z. 4 v. o. {xo/.aitrai).

Deyelsdorf bei Tribfees Lic. Jordan.

(Neu Vorpommern).

Urbain, Auguft, Ein Martyrologium der christlichen Gemeinde
zu Rom am Anfang desV. Jahrhunderts. Quellenftudien zur
Gefchichte der römifchen Märtyrer. Leipzig 1901, J. C.
Hinrichs'fche Buchh. (VI, 266 S. gr. 8.) M. 8.—

Das aller Anerkennung werthe Hauptziel diefer
Arbeit ift nach S. 6 ,die Herftellung einer dokumen-
tirten Grundlage zum Studium der einzelnen in Rom
vorgekommenen chriftlichen Martyrien von Nero bis
Julian'. Zur Erreichung desfelben foll I. ,eine Ueberficht
des Beftandes des zerftreuten Materials (in Drucken und
Handfchriften vorhandener Vitae, Paffionen u. f. w.) zu-
fammengeführt'; foll II. ,als befondere und wefentliche
Quelle aus Martyrologium Hieronymianum ein Martyro-
Togium Komanum, welches beftanden hat, aber verloren
ift, nach Möglichkeit wieder hergeftellt werden'.

Nach dem Titel wird das fragliche Martyrologium
am Anfang des 5. Jahrhunderts gefucht, nach S. 18
aber ca. 450. Den Grund diefes Schwankens müffen
wir errathen. Der Verf. folgt hauptfächlich Duchesne,
der darauf hingewiefen, dafs das M. H. die Depofitions-
tage der römifchen Bifchöfe von Zephyrinus bis Inno-
centius I. faft ausnahmslos giebt, von dem nachfolgenden
Zofimus (417—418) freilich nichts, von Bonifatius
I. aber erft den Ordinationstag, der daraus fchon
felbft den Schlufs gezogen, dafs das benutzte römifche
Martyrolog noch aus der Zeit des Bonifatius (418—422)
geftammt habe, und dafs der Todestag Leo's I. ebenfo
wie der Gregor's fpäter nachgetragen worden fei.
Auf der anderen Seite hatten fchon de Rofli, A. Harnack
u. A. gefchloffen, dafs die Reihe der unter
Sixtus III. (432—440) vollzogenen, im M. H. notirten
römifchen Kirchweihen aus derfelben römifchen Quelle
herübergenommen fei. Die Sache erfcheint aber noch
fchwieriger, als Urbain fich bewufst war. Wie in der
von ihm nicht genug benutzten tüchtigen Arbeit von
Achelis S. 92 f. nachgewiefen ilt, gab die ebenfalls ins
M. H. aufgenommene nikomedifche Quelle noch den
Tag der in Antiochien gefeierten Translation des 459
geftorbenen Styliten Symeon (5. Jan. 466), und wahrscheinlich
fogar den Todestag des noch 520 lebenden
Bifchofs Stephanus von Nikomedien. Diefes kann ich
nur beftätigen durch den Hinweis auf die derfelben
orientalifchen Quelle entnommene Feier der Anaftafia
in Conftantinopel am 25. December. Denn diefe Heilige
wurde nach Theodorus Lector II, 65 (ed. Valefius) erft
unter dem Patriarchen Gennadius und Kaifer Leo, nach
460, von Sirmium herübergebracht in die Kirche, die
Gregor Naz. zwar fchon längft Anaftafia genannt hatte,
doch ohne Gedanke an eine Heilige des Namens.
Reicht nun aber die im M. II. aufgenommene orientalische
Quelle bis in fo fpäte Zeit, fo ift es doch wahr-
fcheinlich, dafs dem näher bei Rom lebenden Compi-

I lator des M. H. auch eine (jüngere) römifche Quelle
I zur Verfügung ftand, die nicht fchon feit 100 Jahren
veraltet war. Thatfächlich findet fich auch von Leo's
! Nachfolger Hilarius (-[-467) der Todestag zum 4. Jd.

Sept. eingetragen. So gut fich die Ordinationstage des
j Miltiades und Liberius bewahren konnten, obgleich die
Quelle fortgefetzt wurde, konnte fich der des Bonifatius
! bewahren, auch wenn fie weiter fortgefetzt und ergänzt
worden war. Höchftens ift anzunehmen, dafs der darin
benutzte Bifchofskatalog nur bis Bonifatius reichte,
j und die Späteren für einen Ergänzer nicht mehr das
! gleiche Intereffe hatten wie ,die Alten' und gar wie die
heiligen Märtyrer. Die Arbeit Urbain's läfst nicht ahnen,
! wie viele Verdienfte fich nach den Verwüftungen Attila^s
und der Gothen noch Bifchof Simplicius (467—482) und
Symmachus (498—514), Vigilius (540—555) und Johann
III. (560—573) um die römifchen Märtyrer, ihre
; Kirchen und ihre Feier erwarben, wie viele (Gräber undj
I Namen derfelben zu ihrer Zeit neu entdeckt und ins
römifche Martyrologium nachgetragen worden fein
mögen, bis das M.II, um 628 in Luxeuil (S. 15) die Ge-
ftalt erhielt, die den gemeinfamen Inhalt der drei vorliegenden
Codices plcniores Bernensis, Eptcrnacensis und
I Wissenburgensis bildet. Man fieht, um hieraus ein Römisches
Martyrologium aus dem Anfange des 5. Jahrhunderts
wieder herzuftellen ift noch etwas mehr nöthig,
als aus dem gegenwärtigen M. H. die für Rom regiftrirten
Märtyrer mit ihren Gedenktagen auszuziehen und nur
einige fremde Eindringlinge und nachträgliche Ver-
wechfelungen zu befeitigen. Die Vergleichung der
Itinerarien und Pilgerbücher, die Urbain mit Fleifs und
an mehreren Stellen mit besonderem Glück durchgeführt
hat, kann zur Hauptfache wenig helfen, da die-
felben dem 7. Jahrhundert angehören, früheftens in die
zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts zurückreichen, alfo
, nur den Beftand von damals bezeugen können.

Bekanntlich bewahrt uns ,der Chronograph von 354'
eine ältere Depositio martyrum. Diefe ift nach der Annahme
| Duchesne's und Mommfen's nur ein Auszug aus dem
; officiellen und ausführlichen Feftkalender der römifchen
Gemeinde, welcher in der römifchen Quelle des M. 11.
vermuthlich in fpäterer Geftalt wiederkehrt. Die Reihe
Fragen, die Urbain S. 13 f. über das Verhältnifs der
1 Depositio von 354 zum M. H. aufwirft, zeigt deutlich,
dafs er genau weifs, worauf es hierbei ankommt. Leider
entzieht er fich der für feinen Zweck doch faft unumgänglichen
Aufgabe, durch eigene Unterfuchung und Vergleichung
hier die Wiffenfchaft zu fördern und die Grundlage
feines römifchen Martylogiums klarer zu ftellen.
Die Arbeiten de Roffi's und Durchne's kennt der Verf.
fehr genau, und vielen römifchen und katholifchen Autoren
thut er alle Ehre an; um fo unangenehmer berührt
es, dafs er von den, allerdings mehr zerftreuten,
Arbeiten proteftantifcher Forfcher wenig Notiz nimmt,
fo viel er daraus hätte brauchen können, dafs diefe
Arbeiten alfo verloren find und manche Fragen im
verkehrten Geleife bleiben und nicht von der Stelle
kommen. Es fcheint, als habe Verf. feine Arbeit in
Rom gemacht und im Wefenlichen fchon vor einigen
Jahren abgefchloffen.

Was Urbain S. 27—77 a's Material aus den gedruckten
Katalogen einiger Bibliotheken zu Paris.
Brüffel u. f. w. zufammenftellt, giebt einen Begriff von
der Menge der noch vorhandenen Märtyrergefchichten.
die der kritifchen Sichtung und wiffenfehaftlichen Ver-
werthung harren. Hierauf giebt Verf. eine etwas ein-
feitige Zufammenftellung der archäologifchen Hilfsmittel
S. 77 ff., auch der altrömifchen Begräbnifsftätten, nach
Strafsen geordnet, mit vielen Fingerzeigen.

Die II. Abtheilung (S. 102—216) beginnt er mit
Zufammenftellung der römifchen Bifchöfe von Petrus
bis Hilarius und ihrer Beifetzungstage nach M. IL, der
Dep. martyrum et episcop. und dem Bifchofsverzeichnifs

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