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Ausgabe:

1902 Nr. 25

Spalte:

663

Autor/Hrsg.:

Ebersolt, Jean

Titel/Untertitel:

Les Actes de S. Jaques et les Actes d‘Aquilas 1902

Rezensent:

Harnack, Adolf

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663

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 25.

664

werde, fondern auch, dafs nach feinem Mufter die
Ueberfetzungen anderer Apokryphen eingehend behandelt
werden. Es wird fich zeigen, dafs der Ueber-
lieferungsreichthum der Thekla-Akten keineswegs allein
fteht, wenn auch vermuthlich v. G. das fchwierigfte Problem
vorweggenommen hat.

z. Z. Lindenfels i. O. von Dobfchütz.

Ebersolt, Jean, Les Actes de S. Jacques et les Actes d'Aquilas,

publies d'apres deux manuscrits grecs de la Biblio-
theque Nationale. Paris 1902, E. Leroux. (II, 78 S.
gr. 8.)

Diefe beiden Acten aus einer gröfseren Gruppe
bisher unbeachteter Stücke, auf die Ehrhard zuerft
hingewiefen und ihre Publication gewünfcht hat, find
nicht Schriften erften oder zweiten Ranges, aber die
Veröffentlichung ift doch fehr dankenswerth. Das erfte
Stück ift eine verftändige Zufammenftellung der Berichte
und fpärlichen Traditionen über den Zebedäiden Jakobus
und gehört, wie der Herausgeber zeigt, der zweiten
Hafte des 8. Jahrhunderts an. Intereffant ift die Erzählung
, weil fie die bei Clemens Alex. (Hypotyp.) flehende
Legende über Jakobus in einer etwas anderen Faffung
bringt als Eufebius, weil fie (c. 7) von der Auferftehung
bis zum Tode des Jakobus ausdrücklich zehn Jahre
rechnet und weil fie (unter Berufung auf Hippolyt von
Theben) in c. 6 von den Zebedäiden erzählt, fie hätten
ihren Belitz in Galiläa verkauft xal r/yoQaOav hv fsQOOo-
Xvßoig o löriv r/ ayia Ximv. Der Verf. nimmt dies zum
Anlafs, um in einer ausführlichen und gründlichen Studie
die neueren zuverfichtlichen Behauptungen über die Nachweisbarkeit
des Haufes der Maria, des Haufes der letzten
Mahlzeit Jefu u. f. w. zu prüfen. Die Unterfuchung endigt
negativ, wie zu erwarten: Weder das Wohnhaus, noch
Zeit und Ort des Todes der Maria läfst fich beftim-
men; denn kein gefchichtliches Zeugnifs ift vorhanden;
nur der Tod in Jerufalem ift fehr wahrfcheinlich [?].

Das zweite Stück, die Acten des Gatten der Priscilla,
bietet weniger. Das Datum läfst fich nicht ermittelen
(saec. VI. med. —XI). In der Erzählung tritt Priscilla
ganz zurück. Das beweift bereits die Werthlofigkeit.
Noch Chryfoftomus wufste fehr wohl, dafs Aquila nur
der Mann feiner Frau gewefen ift.

Berlin. A. Harnack.

Leder, Dr. Hermann, Untersuchungen über Augustins Erkenntnistheorie
in ihren Beziehungen zur antiken Skepsis,
zu Plotin und zu Descartes. Marburg 1901, N. G. Elwert'
fche Verlagsbh. 1901. (III, 93 S. gr. 8.) M. 1.80

Die Auguftinforfchungder letztenjahrzehnte hat immer
intenfiver auf die Abhängigkeit Auguftin's vom Neuplatonis-
mus hingewiefen. Wenn man auch befonders auf katho-
lifcher Seite geneigt gewefen ift, den Neuplatonismus
Auguftin's zu verfchleiern (Willmann) oder gar ihm jeden
Einflufs auf feine theologifche Arbeit zu beftreiten und
nur als Ausgangspunkt feines wiffenfchaftlichen Denkens
zu würdigen (Hergenröther), fo hat doch, um von prote-
ftantifchen Forfchern zu fchweigen, Fr. Wörter, fich wohl-
thuend von dem ganz unmethodifch verfahrenden Wolfsgruber
unterfcheidend, zum Verftändnifs der Geiftesent-
wickelung Auguftin's auf den Einflufs der neuplatonifchen
Theoreme energifch aufmerkfam gemacht. Leder will
eine Ergänzung des Bisherigen bieten, indem er auch für
die Erkenntnifstheorie Auguftin's den Beweis der Abhängigkeit
von Plotin zu erbringen fucht. Leder nimmt damit
freilich nicht eine bisher unberückfichtigt gebliebene Aufgabe
in Angriff. Schon Harnack hat in feiner Dogmen-
gefchichte, auch in der Auseinanderfetzung mit der von
Leder nicht verwertheten ArbeitKahl's, darauf hingewiefen,

und neuerdings hat Loofs in der RE3 in dem von Leder
ebenfalls nicht berückfichtigten Artikel über Auguftin ver-
hältnifsmäfsig ausführlich diefe Frage behandelt, die fchon
Feuerlein und Huber erörtert hatten. So intereffirt an
i der Arbeit Leder's zunächft vornehmlich die ausführliche
j Darbietung des Materials, das freilich zum weitaus gröfsten
Theil den Jugendfchriften Auguftin's entnommen ift. Auch
der nahe liegende Vergleich mit Descartes ift fchon vor
I Leder unternommen worden. Dilthey's Ausführungen, auf
die fich Leder nicht eingelaffen hat, berühren fich z. T.
mit denjenigen Leder's. Auch hier haftet das Intereffe
zunächft an der ausführlichen und von tüchtiger philofo-
phifcherSchulung zeugenden Gegenüberftellung Auguftin's
und Descartes'.

Leder betrachtet zunächft das Verhältnifs Auguftin's
zur akademifchen Scepfis, zugleich den zweiten Haupttheil,
j den Piatonismus Auguftin's, vorbereitend. Mit den Skeptikern
die Polemik gegen den ftoifchen Senfualismus
j theilend und auch einen verdeckten Piatonismus bei ihnen
| vorfindend, ging er mit feinem offenkundigen Piatonismus
über die Akademie hinaus, deren Ideal des Weifen ihm
widerfpruchsvoll erfchien und deren Verfuch, eine Wahr-
fcheinlichkeit einzuführen, die nicht als eine Annäherung
an das abfolut Wahre galt, er als unwiffenfchaftlich und
unethifch beurtheilte. Die von ihnen beftrittene Möglichkeit
der Erkenntnifs beweift er vermitteln des Platonis-
| mus. Die Seele findet in fich felbft ohne finnliche Ver-
i mittelung die Wahrheit der Disjunction und Conjunction,
erweift dadurch ihren intelligiblen Urfprung und gelangt
zu einer fern von den Sinnen im Geifte lebenden, allein
in der Vernunft enthaltenen Gegenftandserkenntnifs. Der
Rationalismus Plato's hat Auguftin den Glauben an Wiffen-
fchaft und Tugend, Seele und göttliche Heimath wieder-
1 gegeben.

Der zweite, vom Piatonismus Auguftin's handelnde
und bereits angedeutete Gedanken ausfuhrende Theil entwickelt
Auguftin's .Rationalismus' und ,Spiritualismus',
jedesmal die hiftorifche Anknüpfung bei Plotin anfchlie-
fsend. Es gilt, gegen die Skeptiker die Anwendbarkeit
der dialektischen (und mathematifchen) Grundgefetze auf
die Phänomene nachzuweifen. Sie find die methodifchen
Mittel, den erfcheinenden Gegenftand immer vollkommener
zu beftimmen. Aber die Ideen find nicht allein die Grundlagen
der wiffenfchaftlichen Erkenntnifstheorie, fondern
auch an und für fich zu erftrebende Erkenntnifsobjecte
(S. 43); der von den Sinnen abhängige Erkenntnifsinhalt
ift nur opiniv. Die Inhalte der Dialektik und Mathematik
find ebenfo eine göttliche Schöpfung und Inhalte der ab-
foluten Vernunft, wie die nicht fowohl zur Erklärung der
Phänomene dienenden, als zur ewigen Schauung hinführenden
rationes dci. So entlieht eine die Geltung der Er-
kenntnifsgefetze begründende Realität. Die Auguftin's
,Spiritualismus' behandelnde Partie entwickelt die neue
,Ausfchlag gebende' Gedankenreihe, welche keine Verbindung
zwifchen der fenfiblen und intelligiblen Welt kennt.
Die Welt ift nur, fofern fie an der geiftigen Antheil hat.
Gewiffe Dinge find res verae auf grund ihrer dinghaften
Abhängigkeit von der abfoluten Wahrheit. Die Plotin
entlehnte ,Bewufstfeinsgewifsheit', welche die Begründung
für die Exiftenz des eigenen immateriellen Seins giebt,
tritt an die Stelle von Dialektik und Mathematik. Es ift
eine der finnlichen Vermittelung entnommene Gegenftandserkenntnifs
gefunden, und die Frage nach einer Möglichkeit
der Erkenntnifs der wirklichen Welt verliert für
Auguftin jegliches Intereffe.

Der letzte Theil Hellt Auguftin's Lehre vom Selbft-
bewufstfein derjenigen Descartes' gegenüber. Leder, hier
von Natorp ftark abhängig, macht mit Recht darauf aufmerkfam
, dafs man dem auguftinifchen Selbftbewufstfein
die, — übrigens fchon von Huber (S. 245) ihm verliehene —
Auszeichnung des Modernen vertagen muffe, denn er will
die Skepfis nicht zur Erkenntnifskritik läutern. In Descartes'
Ueberwindung des Zweifels wirke aber die erkenntnifs-