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Ausgabe:

1902

Spalte:

41-45

Autor/Hrsg.:

Peter, Hermann

Titel/Untertitel:

Der Brief in der römischen Litteratur 1902

Rezensent:

Deissmann, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 2.

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feines Gegenftandes zwei Hindernifse in den Weg: Die I wohl dabei. Eine Fülle guten Materials von fleifsiger
Unkenntntfs der in Deutfchland gemachten Fortfehritte in Hand forgfältig bearbeitet, aber ein innerlich unfertiges
der Behandlung der fachlichen Probleme des Urchriften- j Buch, in dem man fich nicht zurechtfindet, ein Buch mehr
thums und der Aberglaube, man könne mit geiflreichen für Indexbenutzer, als für Lefer.

Einfällen und mit der anekdotenhaften Erfindung und In den Mittheilungen der Verlagsbuchhandlung B. G.

Gruppirung von Perfonen und Situationen aller Dinge Herr , Teubner in Leipzig 1901, Nr. 1 hat der Verf. felbft folgen-
werdenundeineGefchichte, vonderuns nur karge Trümmer- ! des Refume des Buches "gegeben:

Mücke erhalten find, bis in alle Flinzelheiten reconftruiren. .Infolge des Aufgehens des antiken Bürgers im Staat

tt yi, . 1 I ift erft fpät die Individualität des Einzelnen bei den Alten
Bonn- ri. Weine 1. anerkannt worden, bei den Griechen erft, nachdem die

Blütezeit ihrer Litteratur fchon hinter ihnen lag, bei den
Reville, Jean, La valeur du temoignage historique du Pasteur Römern in dem Zeitalter Ciceros. Rhetorik und Mon-
d'Hermas. (Ecole pratique des Hautes Etudes. Section archie unterdrückten fie indes bald wieder; nachdem
des sciences religieuses.) Paris 1900, Imprimerie Na- ; daher in den Briefen Ciceros an feinen Freund Atticus
. , c a ' in elner Weife die Eigenart des Brieifchretbers zum Aus-

• l29 ^ Sr- °0 druck gekommen war wie nirgends wieder in diefer

Dem Berichte und Programme der ecole pratique des j Litteraturgattung im Altertum, ohne dafs indes die Zeit-
hautes etudes in Paris (1900) ift eine bemerkenswerthe Ab- genoffen ihren Wert zu würdigen verftanden hätten, ent-
handlung von Jean Reville vorangeftellt, welche die Be- ; wickelte fich das „halbierte Gefpräch" zum „halbierten
deutung des hiftorifchen Zeugnifses des Hirten des Hermas | Dialog", zumKunstbrief, zur „Epiftel". Ausgegangen ift fie
im Allgemeinen zum Gegenftande hat. Ausgehend von j von Ciceros Sammlung „adfamiliäres'1, in deren buntem Gedern
halbwegs apokalyptifchen Charakter des Buches, das mifch fich auch fchon Anfänge des Kunftbriefes finden,
fich doch von dem claffifchen Typus der Apokalypfen weit J ausgebildet zu einer effaiartigen Behandlung eines beentfernt
, ftellt Reville es als die Hauptabficht des Hirten ftimmten Themas zunächft durch den Dichter Statius
hin, den Chriften zuzurufen, dafs noch eine Bufse vor- j und ziemlich gleichzeitig durch den jüngeren Plinius, fort-
handen fei auch für die Gefallenen, wenn fie fich nur 1 gefetzt durch Fronto, fpäter durch Symmachus und die
jetzt fofort von ganzem Herzen bekehren. Heiligung I Epiftolographen im dies- und jenfeitigen Gallien bis
und fchnelle Bekehrung ift die Parole des Verfaffers, j Ennodius. Von diefem Gefichtspunkt aus wird die Ge-
der nicht zu den Presbytern, fondern zu den Laien ge- 1 fchichte des Briefes in der römifchen Litteratur zur Darhört
und ganz und gar praktifche Abfichten hat. Diefer j ftellung gebracht, bald kürzer, bald ausführlicher, je nachCharakter
zeigt fich in allen Partien des Buches gleich- j dem es der Stoff verlangte; namentlich gaben die Cicero-
mäfsig und verbietet fowohl eine Unterfcheidung von 1 nifchenSammlungenAnlafszumehrfachenUnterfuchungen,
verfchiedenen Autoren iChampagny, Hausleiter, Hilgen- j die die Art der Zufammenfetzung und die Zeit der Ver-

feld) als die Annahme der chriftlichen Bearbeitung einer
jüdifchen Grundfchrift (Spitta). Das Problem des Hirten
konnte überhaupt nur in einer chriftlichen Gemeinde
aufkommen. Das ift der überzeugendfte Beweisgrund

öffentlichung klarlegen follen.

Voraus geht eine Einleitung über die grundverfchie-
dene Auffaffung der Bedeutung des Briefes bei den Alten
und in der Neuzeit, ein Capitel über die Anfänge der

Reville's gegen die Spitta'fchen Hypothefen. Vielmehr Brieflitteratur und die Gattungen der Briefe nach den Vor-
ift es die Zeit einer Verweltlichung und Ernüchterung, die ; ftellungen der Alten und ein zweites über die äufsere
dem apoftolifchen Zeitalter folgte, aus der heraus das Form und Beförderung, das Sammeln und Veröffentlichen
Buch als ein Bufsruf entftanden ift. Es ift die Zeit von der Briefe nach Cicero; aber auch die anderen Ver-
c. 125 — 140 und dazu ftimmen auch die äufseren Zeug- Wendungen der Form finden ihre Behandlung, die Epiftel
nifse. Für die Verfaffungsgefchichte bezeugt der Hirt des '
Hermas, dafs es felbft im zweiten oder dritten Jahrzehnt
des zweiten Jahrhunderts noch keinen monarchifchen
Bifchof in Rom gegeben haben kann. — Möchte ReVille's
Wort von Neuem zu einem recht eifrigen Studium des
Hirten anregen. Gerade für das Verftändnifs des Durch-
fchnittschriftenthums im zweiten Jahrhundert ift das
Buch eine Quelle erften Ranges.

Deyelsdorf Lic. Ed. von der Goltz.

Peter, Hermann, Der Brief in der römischen Litteratur.

unter fremdem Namen, der poetifche Brief und die Epiftel
in Verfen (Horaz Epift. B. L Ovids Triftien und Epistulac
ex Ponto, die Heroiden), der amtliche Brief (Caffiodor),
der Brief als Einkleidung für Flugfchriften, wiffenfehaft-
liche und litterarifche Erörterungen (Varro u. f. w., des
HorazLitteraturbriefe), Mahnungen (Epikur und die Stoiker,
Seneca, die Kirchenväter), Widmungen'.

Schon hieraus war zu erfehen, dafs auch der theo-
logifch intereffirte Lefer vieles für ihn Wichtige in dem
Buche finden werde. Und thatfächlich ift für die Er-
forfchung des altchriftlichen lateinifchen Schriftthums, fo-
weit es fich in der Form von .Briefen' bewegt, von Peter
Litterargefchichtliche Unterfuchungen und Zufammen- 1 eine anerkennenswerthe Arbeit gethan worden; ich ver-
faffungen. (Abhandlungen der philologifch-hiftorifchen j weife auf feine Unterfuchungen über Apollinaris Sidonius
Claffe der Kgl. Sächfifchen Gefellfchaft der Wiffen- ! (S- LSOff-X Ruricius und Fauftus von Reii (158fr.), Enno-

fchaften, Bd. XX, Nr. III.) Leipzig 1901, B. G. Teubner. I d[us Ö2% fCaf 1iodorus Senator (202ff.). Die Partien
/ c r 01 M f über den Bnefwechfel zwifchen Seneca und Paulus (175 f.)

(259 i^ex. o.; aa. o. 1 wie über die Brjefe des CyprjanuSj Lactantius, Ambrofius

Der Tag war gekommen, an dem wir das neue Haus j (240h) Hieronymus (241 f.) und Auguftinus (242) bieten
befichtigen follten. Der Erbauer empfing uns, nicht ohne dagegen wohl wenig Neues, wie z. B. ein Vergleich der
Behagen, und führte uns durch die Räume. Aber leicht wenigen Sätze Peter's über die Briefe des Hieronymus
wurde es uns nicht gemacht: die Treppen noch ohne mit der lichtvollen Charakteriftik bei Grützmacher, Hier-
Geländer, da und dort verborgene Abgründe, viel Staub, onymus I, Leipzig 1901, S. 3—13 zeigt,
dann einige wirklich fchöne Gemächer, dann wieder enge Noch nach einer anderen Seite hin ift das Buch für

Gänge und finftere Winkel, fonderbare Anbauten, das ! uns werthvoll. Die an mehreren Stellen (z. B. 27 ff., 38
Material meift gediegen — was follten wir zu alledem Anm. 1, 78ff, I26ff.) gegebenen Nachweife über die Art
fagen? Wir unterdrückten unfer laienhaftes Urtheil und und Weife der Sammlung und Publication von antiken
ftammelten ein verlegenes Lob, und die Steinhauerarbeit 1 ,Briefen' geben uns lehrreiche Analogien zur Aufhellung
war ja auch wirklich gut. eines dunkelen Capitels neuteftamentlicher Kanonsge-

So etwa war mir's zu Muthe, als ich Peter's Buch ge- fchichte. Ich meine die Gefchichte der Sammlung der

lefen hatte. Ich mufs es loben, aber er- ift mir nicht

nachgelaffenen Paulusbriefe. Vor der Kanonifirung der