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Ausgabe:

1902 Nr. 22

Spalte:

602-603

Autor/Hrsg.:

Bornemann, W.

Titel/Untertitel:

Einführung in die evangelische Missionskunde 1902

Rezensent:

Wurm, Paul

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6oi

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 22.

602

jcan'jQ Rom. 8is und Gal. 4g eine unverkennbare Bezugnahme
auf den Beginn des Herrngebets. Dazu kommt
.eine gefchichtliche Erwägung'. ,Paulus hat in Verkehr
und Gemeinfchaft mit den Urapofteln geftanden Gal. 1
und 2, er ift in dauerndem Zufammenhange mit der je-
rufalemifchen Gemeinde geblieben. — — Nach alledem
mufs es als eine gefchichtliche Unmöglichkeit bezeichnet
werden, dafs Paulus das Herrngebet nicht follte gekannt
haben' (S. 55). Es kann fich alfo nur um die Frage
handeln, ,ob Paulus dies Gebet, insbefondere die fünfte
Bitte, in dem Sinne gebetet hat, den es in der Heilsverkündigung
Jefu hatte, oder ob dies Gebet für ihn zu
einem Dankgebet geworden war für die empfangene Gnade
der Sündenvergebung und die Bitte in diefer Hinficht
völlig bei ihm zur Ruhe gekommen war' (S. 56). Der
Verf. führt nun aus, dafs einerfeits im Gebetsleben des
Paulus die Bittgebete nicht überhaupt gefehlt haben, und
dafs andererfeits Paulus feine Augen nicht vor der Sünde
im Chriftenleben verfchloffen hat. An den Stellen I Cor. 151).
I Tim. iiöf. Rom. 714fr. zeugen die Präfentia dafür, dafs
er feine eigene Sündhaftigkeit nicht nur als eine vergangene
, fondern auch als eine noch gegenwärtige gedacht
hat. Wie er aber die Befeitigung diefer fich immer erneuernden
Sünde der Chriften gedacht habe, zeige ent-
fcheidend die Stelle II Cor. 71. ,Betont der Apoftel hier
die Nothwendigkeit, fich von begangenen Sünden zu
reinigen, die wie häfsliche Flecken Fleifch und Geift des
Menfchen entftellen, fo ift klar, dafs er hier nicht die Macht
der Sünde im Auge hat. Was den Chriften nöthigt, die
Sünde als Befleckung zu empfinden, ift das Bewufstfein

von ihrer Schuld.--Die Reinigung, deren er bedarf,

ift die Vergebung der Schuld' (S. 94). Auch der Zu-
fatz: txixt/.ovvxeq ayuoövvrjp ev <p6ßcr> d-eov ,enthält keineswegs
eine Aufforderung an die Korinther, durch Selbft-
heiligung ihres frommen Lebens, durch fittliches Verhalten
die Reinigung von begangenen Sünden zu be-

Bornemann, Prof. D. W., Einführung in die evangelische
Missionskunde im Anfchlufs an die Basler Miffion. Mit
einer Beilage: Vier Tabellen zur Gefchichte der Basler
Miffion. Tübingen 1902, J. C. B. Mohr. (VII, 340 u.
16 S. gr. 8.) M. 6.— ; geb. M. 7.—

Es ift fehr dankenswerth, dafs in neuerer Zeit auch
Männer des akademifchen Lehramts ernftlich mitarbeiten
zur Ausbildung der Miffionswiffenfchaft und zur weiteren
Verbreitung des Miffionsintereffes, namentlich unter den
Studirenden. Hiefür ift das vorliegende Werk ein ausgezeichnetes
Zeugnifs. Es ergeht fich nicht in principiellen
Auseinanderfetzungen. fondern greift die Sache praktifch
an und behandelt zuerft in vier kurzen einleitenden Ab-
fchnitten: I. das Wefen und den gegenwärtigen Stand
der evangelifchen Miffionswiffenfchaft, 2. die evangelifche
Miffionswiffenfchaft im Zufammenhange der gefammten
Theologie, 3. Winke für das Studium der Miffionswiffenfchaft
, 4. Miffionszögling und Student der Theologie.
Die Stellung der Miffionswiffenfchaft im Zufammenhange
der Theologie benimmt Bornemann folgendermaafsen:
,Die evangelifche Miffionswiffenfchaft ift eine zu felbft-
ftändige, eigenartige und umfaffende Wiffenfchaft, als
dafs fie in ihrer Gefammtheit oder der eine ihrer wefent-
lichen drei Theile (Miffionsgefchichte, Miffionslehre und
Miffionsftatiftik mit Miffionsgeographie) in die praktifche
Theologie oder eine andere theologifche Disziplin eingegliedert
werden könnte. In die praktifche Theologie gehört
freilich ein Ausfchnitt der Miffionstheorie unter dem
maafsgebenden Gefichtspunkte, dafs auch die Thätigkeit
für die Heidenmiffion eine wefentliche Aufgabe der chrift-
lichen Gemeinde ift. Uebrigens aber ift die Miffionswiffenfchaft
als eine felbftftändige theologifche Disciplin
neben der praktifchen Theologie zu behandeln. Denn
fie behandelt im ganzen diefelben Probleme wie
diefe, nur unter anderem Gefichtspunkte und zu

wirken;--er erinnert vielmehr daran, was die pofitive 1 andersartigem Zwecke. Deshalb ift auch zu fordern

Kehrfeite der erlangten Reinigung ift und dient darum
ebenfalls dazu, diefe Mahnung zu verftärken' (S. 95). Die
Art und Weife aber, wie Paulus die Herbeiführung diefer
in Sündenvergebung beftehenden Reinigung denke, erhelle
aus den Anfangsworten: xavxaq ovv tyovxsq xaq kjiayysl.iaq.
Denn hier nehme Paulus Bezug auf die unmittelbar vorher
in 6is gegebene Verheifsung der Vaterfchaft Gottes.
Dabei müffe er an das Vaterunfer gedacht haben. ,Wir
würden im anderen Falle nach allem Bisherigen den Hinweis
auf das Vaterunfer an diefer Stelle geradezu vermiffen'
(S.96). Alfo hat Paulus in II Cor. 71 das Gebet zum Vater
um Sündenvergebung nach der Anleitung des Vaterunfer als

dafs die Miffionswiffenfchaft in der Ordnung der
theologifchen Fakultäten und des theologifchen Studiums
in geeigneter Weife vertreten fei, — wenn nicht
durch eine befondere Lehrkraft, fo doch dadurch,
dafs die vorhandenen Dozenten, infonderheit diejenigen
der praktifchen Theologie, durch regelmäfsige Vor-
lefungen die Bekanntfchaft mit dem wefentlichen Inhalt
der Miffionswiffenfchaft ermöglichen' (S. 22 f.). Der Verf.
hebt hervor, wie der Student dadurch nicht feinem eigentlichen
Studium entfremdet werde, da Jedes Fach des
theologifchen Studiums durch die Miffionswiffenfchaft
nur unterftützt und bereichert werden kann' (S. 29).

das Mittel gedacht, durch das der Chrift die Reinigung , Bornemann giebt nun praktifche Winke, wie diefes

'von aller Befleckung zu vollziehen hat. Dafs in den
Briefen des Apoftels die Bezugnahme auf die fünfte Vater-
unferbitte nicht häufiger vorkommt, ift für einen Zufall
zu halten. In feinen Gemeinden ,war das Vaterunfer als

Studium am leichterten betrieben werden könnte: ,Das
Studium der evangelifchen Miffionswiffenfchaft beginnt
nach einer kurzen Orientirung am beften mit der Er-
forfchung eines ganz beftimmten und abgegrenzten ein-

Hauptftück der grundlegenden Miffionspredigt fo bekannt [ zelnen Miffionsgebietes' (S. 63). Hierfür wählt er die
und prägte die eigene Predigt des Apoftels von der Bufse Basler Miffion, die ältefte unter den deutfehen Miffions-
und vom Glauben, von der Sünde und vom Gericht die gefellfchaften, ,weil fie wie kaum eine andere Miffion
Nothwendigkeit des täglichen Gebetes um Vergebung fo j a]s typifches Object für ein fruchtbares Miffionsftudium
fehrein, dafsein neuerHinweisdaraufüberflüffig war'(S. 105). | geiten kann' (S. 63). Es werden zunächft die Arbeits-
üb diefe Erklärung von II Cor. 71 und die an fie gebiete der Basler Miffion befchrieben, wobei die Lefer

geknüpften Folgerungen Vielen einleuchtend fein werden?
Ob die Argumentation des Vf.'s nicht bei manchen
Lefern eine ganz andere Wirkung hervorbringen wird, als
welche der Vf. wünfeht, nämlich einen lebhaften Eindruck

auch auf die kleinen Tractate aufmerkfam gemacht
werden, welche am leichterten ins Einzelne einführen.
Sodann folgen, als typifche Geftalten aus dem Basler
Miffionscomite, Spittler und Rathsherr Chrift, ferner

von der Schwäche der Pofition, die er vertritt? In der : dje Charakterbilder der Basler Miffionsinfpectoren, und
That, wenn fich für die Behauptung, dafs Paulus der ! Charakterbilder von fieben Basler Miffionaren aus früherer
Gnadenrechtfertigung eine Beziehung auf die täglichen | Zeit, alles fo kurz und treffend zufammengeftellt, dafs
Sünden des Chriftenlebens gegeben habe, keine beffere j man fich nur verwundern mufs, wie der Verf. ohne perBegründung
beibringen läfst, als die hier dargebotene, ; fönliche Bekanntfchaft mit den betreffenden Männern,
dann fteht diefe Behauptung auf fehr fchwachen Füfsen! ; nach den vorhandenen Quellen fo lebenswahre Bilder
Jena. H. H. Wendt. zeichnen konnte. Abgefehen von kleineren Ungenauig-

_,_ ; I keiten hat Ref., der die Mehrzahl diefer Männer per-

fönlich kannte, keine Defecte bemerkt. Nur die Basler