Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1902 Nr. 21

Spalte:

571

Autor/Hrsg.:

Pfannmüller, Gustav

Titel/Untertitel:

Die kirchliche Gesetzgebung Justinians hauptsächlich auf Grund der Novellen 1902

Rezensent:

Frantz, Adolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

57i

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 21.

572

Pfannmüller, Lic. theol. Guftav, Die kirchliche Gesetzgebung
Justinians hauptsächlich auf Grund der Novellen.

Berlin 1902, C. A. Schwetfchke & Sohn. (VIII, 94 S.
gr. 8.) M. 3.60

Verf. hat fich die Aufgabe geftellt, eine möglichft
überfichtliche und doch möglichft vollftändige Zufammen-
ftellung des im erften Buche des Codex, fowie vor
Allem in den verfchiedenften Novellen zerftreuten, die
kirchliche Gefetzgebung Juftinian's betreffenden Materials
zu geben. Er thut diefes in der Weife, dafs er in fyfte-
matifcher Anordnung (de rebus sacris, depersonis sacris,
de episcopali audientia etc.) in der Ueberfetzung bez. in
mehr oder minder ausführlicher Inhaltsangabe die ein-
fchlagenden Beftimmungen wiedergiebt, wobei er gelegentlich
auch Excurfe juriftifcher Natur macht im An-
fchlufs an die benutzten juriftifchen Werke. Das Unternehmen
des Verf. verdient zweifellos Anerkennung. Wir
find ihm zu Dank verpflichtet, fchon weil er die Auf-
merkfamkeit auf ein bisher wenigftens zum Theil ver-
nachläffigtes Gebiet gelenkt hat. Auch find feine Ausführungen
fehr wohl im Stande, einen Ueberblick über
die kirchliche Gefetzgebung Juftinian's zu gewähren und
den Lefer im Allgemeinen zu orientiren. Wer aber in
der Lage ift, mit der einen oder andern der behandelten
Fragen fich eingehend zu befchäftigen, wird aus dem
Werke wenig Belehrung fchöpfen. Uebrigens bezeichnet
Verf., was betont werden mufs, felbft feine Arbeit nur
als »eine kleine Vorarbeit für die gelehrte Forfchung
auf diefem Gebiete'. Mit Rückficht auf die durchweg
in Betracht kommenden und oft nicht ganz einfachen
juriftifchen Fragen wird es die Aufgabe befonders der
Juriften fein, auf der vom Verf. eröffneten Bahn weiter
zu fchreiten. Dabei will ich aber nicht unerwähnt laffen,
dafs manche der vom Verf. erörterten Punkte bereits in
juriftifchen Specialwerken eine Behandlung und Klar-
ftellung erfahren haben. Im Verzeichnifs der benutzten
Werke wird die Ueberfetzung des Corpus juris civilis
von Schilling und Sintenis erwähnt und auch in der
Darfteilung gelegentlich citirt (fo S. 8). Nach meiner
Auffaffung wäre diefe Bezugnahme bei einem Werke,
wie dem vorliegenden, beffer unterblieben.

Kiel. Frantz.

Fischer, Sem.-Oberlehr.Paft. E., Zur Geschichte der evangelischen
Beichte. "I. Die katholifche Beichtpraxis bei
Beginn der Reformation und Luthers Stellung dazu in
den Anfängen feiner Wirkfamkeit. (Studien zur Ge-
fchichte der Theologie und der Kirche, herausgegeben
von N. Bonwetfch und R. Seeberg. Achter Band.
Heft 2.) Leipzig 1902, Dieterich. (VII, 216 S. gr. 8.)

M. 4.50

Bei der bedeutfamen Rolle, die das Beichtwefen beim
Beginn der reformatorifchen Bewegung gefpielt hat, ift
es feltfam, dafs wir ein Buch, wie das jetzt von Fifcher
begonnene, nicht längft befitzen. Wohl hat Geffcken (Der
Bildercatechismus des fünfzehnten Jahrhunderts, Leipzig
1855) zur näheren Kenntnifs der Beichte am Ausgange
des Mittelalters reiches Material zufammengetragen und
hat dadurch hier und da zu näheren Unterfuchungen über
das Beichtwefen angeregt, aber eine anfchauliche Dar-
ftellung der Beichtpraxis, die Luther vorfand und die ihn
bei feiner Entwickelung zum Reformator der Kirche be-
einflufste, gab es bisher noch nicht. Die Erforfchung des
Ablafswefens, über das uns auch gerade die neuefte Zeit
noch Brieger's hochwichtige Publicationen (Das Wefen
des Ablafses am Ende des Mittelalters, Leipzig 1897;
Artikel ,lndulgenzen' in der Realencyklopädie 3. Aufl.
IX S. 76ff.) gebracht hat, ftand zu fehr im Mittelpunkte des
Intereffes und liefs für eine eingehende Unterfuchung der

allgemeineren Beichtinftitutionen nicht recht Raum. Und
faft noch weniger waren wir bisher über die erfte Entwickelung
des Beichtwefens bei den Evangelifchen orien-
tirt. Freilich Luther's Anfchauungen über die Beichte find
wiederholt Gegenftand der Unterfuchung gewefen, nicht
nur in den allgemeinen Biographien (z. B. Karl Jürgens,
Luther's Leben III S. 206ff.; Köftlin, Martin Luther IS. 165 ff.
u. ö.) und Lehrdarfteilungen (Köftlin, Luther's Theologie
I. Aufl. I S. 311 f. u. ö.), fondern auch in Monographien
(z. B. G. Fr. Pfifterer, Luther's Lehre von der Beichte, Stuttgart
1857: diefe Brofchüre freilich lediglich in Rückficht
auf die damals fchwebende Frage nach der eventuellen
Wiederherftellung der Privatbeichte und deshalb nicht als
hiftorifche Unterfuchung zu werthen); aber einmal ift der
allmähliche Fortfehritt in Luther's Urtheil dabei noch nicht
genügend zum Ausdruck gekommen, und namentlich ift
die fonftige reiche reformatorifche Literatur über die
Beichte noch längft nicht hinreichend verwerthet; nur
vereinzelt ift fie herangezogen, z. B. von Guft. Pütt in feiner

1 Einleitung in die Auguftana, Erlangen 1867 (I S. 26bff.).
Fifcher's Buch ift geeignet, diefen Mängeln abzuhelfen.
Die übrige reformatorifche Beichtliteratur, namentlich auch
die Flugfchriftenliteratur, die durchweg das fieghafte Durchfetzen
der Gedanken Luther's beweift, aber auch eigene
Wege geht (z. B. Oekolampadius' ,Quod non sit onerosa
christianis confessio paradoxon1), zieht Fifcher fchon in
dem vorliegenden erften Bande in ausgedehntem Maafse
heran; doch aber mehr nur zur gelegentlichen Illuftration
und als Beiwerk: S. 13 Anm. 3; S. 23 nebft Anm. 2 und
3; S. 47 Anm. 2; S. 57 Anm. 2; S. 61 Anm. 2; S. 113
Anm. I; S. 135 Anm. 2; S. 209; in recht felbftftändiger
Weife wird fie erft in der Fortfetzung zur Geltung kommen
(vgl. S. 181 Anm. 2 am Ende), wenn die Darftellung von
der fpeciellen Entwickelung Luther's zur allgemeineren

j Lehrentwickelung bei den Evangelifchen fortfehreitet.

Luther's Anfchauungen über die Beichte in ihrer Ent-

| faltung bis um Oftern 1520 bilden den Hauptinhalt des
erften Bandes; vorher macht Fifcher fchon einen Einfchnitt
bei der Faftenzeit des Jahres 1518. In der erften Periode
bleibt, obgleich Luther ihre göttliche Einfetzung beftreitet
und einzelne Befferungsvorfchläge macht, doch ,die kirchliche
Beichte in ihrer damaligen Ausgeftaltung ihm durchaus
felbftverftändliche Vorausfetzung' (S. 146). Und auch
in der zweiten Periode läuft bei Luther alles nur noch
auf Reformvorfchläge hinaus, wenn diefe nunmehr auch
fchon einen ziemlichen Umfang gewonnen haben; bis zur
principiellen Beftreitung des kirchlichen Beichtinftituts ift
er aber noch nicht gekommen: fie tritt erft in den grofsen
reformatorifchen Hauptfchriften des Jahres 1520, namentlich
in ,De captivitate Babylonica ecclesiae' hervor.

Eingeleitet wird diefer Abfchnitt über ,Luther's
Stellung zur Beichte in den Anfängen feiner Wirkfamkeit'
durch eine Schilderung der römifchen Beichtpraxis beim
Beginn der Reformation. Hier hätte man zuweilen gern
noch nähere Auskunft; z. B. hätte man gern erörtert ge-
fehen, wie die des Lefens Unkundigen ihre Beichte abgelegt
haben, und vermuthet im Zufammenhange damit,
dafs nicht ohne Weiteres alle in der Volksfprache ge-

1 fchriebenen Beichtbücher für die Hand der Laien be-
ftimmt gewefen find, dafs fie vielmehr vielfach wohl zum
unmittelbar praktifchen Gebrauch bei der Beichte gedient
haben, um den Beichtenden die nöthigen Bekenntnifse
vorfprechen zu können. Im ganzen erhält man aber ein
anfehauliches Bild von der wichtigften Inftitution des Mittelalters
und von den fie tragenden Lehren.

Zu beanftanden find einige ftörende Wiederholungen;
fo findet fich die Notiz, dafs die .Heidelberger Bilderhand-
fchrift' (fo mufs es S. 17 ftatt .Bilderfchrift' heifsen) von
Geffcken ans Ende des 14. oder in den Anfang des 15.

j Jahrhunderts gelegt wird, fowohl S. 17 wie S. 25 Anm. 3.

| die Angabe, dafs der, Tractatus sacerdotalis de sacramentis'
deque divinis offieiis et eorum admimstratiouibus' für Pofen
beftimmt war, neben S. 18 Anm. 1 auch noch S. 31 und