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Ausgabe:

1902 Nr. 20

Spalte:

541-542

Autor/Hrsg.:

Kautzsch, Emil

Titel/Untertitel:

Die Poesie und die poetischen Bücher des Alten Testaments 1902

Rezensent:

Giesebrecht, Friedrich

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 20.

542

(Bacher. S. 636—643; ich möchte auf diefen Artikel be- j
fonders aufmerkfam machen, da Bacher mit hiftorifchem
Sinn und wiffenfchaftlicher Schulung eine feltene Be- '
lefenheit in dem ücean des rabbinifchen Schriftthums
verbindet, vermöge deren er auch hier manches neue
Detail beizubringen vermag), Tabernacle (Kennedy,
S. 653—668), Temple (Davies, S. 695—716), Time, d. h.
über den jüdifchen Kalender (Abrahams), Unclean, Un-
clcanness (Peake, S. 825—834), Urim and Thummim
(Kennedy), Weights and Measurcs (Kennedy, S. 901—913
mit Abbildungen). Den Schlufs bilde der Artikel über
das Schriftwefen, Writing (S. 944—957, mit Abbildungen),
von Kenyon, jetzt einer der erften Autoritäten auf
diefem Gebiete.

Nach einer Bemerkung des Vorwortes hat die Re-
daction die Abficht, noch einen Ergänzungsband mit
Indexes and certain subsidiary articles of importance folgen
zu laffen.

Göttingen. E. Schürer.

Kautzsch, Prof. E., Die Poesie und die poetischen Bücher
des Alten Testaments. Sechs Vorträge. Tübingen 1902,
J. C. B. Mohr. (VII, 109 S. gr. 8.)

M. 2. —; geb. M. 3. —

Der Inhalt der hübfeh ausgeplätteten Schrift bietet
in leicht fafslicher Form Darlegungen über: 1. Art und
Formen der hebräifchen Poefie. 2. Die Gattungen der
hebräifchen Poefie. 3. Altteftamentliche Hinweife auf die
Pflege weltlicher Poefie bei den alten Hebräern. 4.Lie-
derfammlungen im alten Israel. 5. Die einzelnen poeti-
fchen Bücher des Alten Teftaments. Das Buch tritt in
fehr befcheidener Weife auf: es will nichts Bahnbrechen-
des, Neues bieten, fondern wie es für Laienkreife die J
einfachften Grundfätze und Grunderkenntnifse auf dem
Gebiet der hebräifchen Poefie darzulegen beabfichtigte,
als diefe Vorträge gehalten wurden, fo wendet es lieh
auch jetzt an das gröfsere Publicum. Cap. I legt die
verfchiedenen Arten des Parallelismus membrorum in
der Poefie dar, befpricht in anmuthiger Weife unter Heranziehung
Goethe'fcher Urtheile die künftlerifche Wirkung
diefer Dichtungsform, auch auf Herder's treffliche Darlegung
über das Wefen des Parallelismus beruft fich der
Vortragende. Kurz wird die Frage nach dem Strophenbau
geftreift und dann das acute Problem der Metrik
befprochen. Die Qinaftrophe im Anfchlufs an Budde
wird anerkannt, über das Weitere aber kurz hinweggegangen
, und am Schlufs auf Sie ver's Studien zur hebräifchen
Metrik hingewiefen. Das ift recht Schade. Wenn K. hierzu
einer gewiffen Klarheit gekommen war, fo hätte er das unbe-
fchadet des mehr populären Charakters feiner Darlegung
recht wohl darlegen und dadurch auch feinen Fachgenoffen
einen belehrenden Genufs bieten können. Die Spuren
weltlicher Poefie im Alten Teftament, welche das 4. Cap.
bietet, lind mit Liebe gefammelt, dabei find eine ganze
Reihe von gelungenen Uebertragungen altteftamentlicher
gröfserer oder kleinerer Lieder mitgetheilt. Sogar die
Schöpferliedchen fehlen nicht, wie wir ähnliches auch
aus dem alten Egypten und Mefopotamien kennen. Immerhin
wäre noch Einzelnes nachzutragen. Nachdem kurz
die alten Liederfammlungen abgehandelt find, wird auf
die jetzigen poetifchen Bücher übergegangen.

In liebevoller Weife hebt K. die religiöfe Bedeutung
des Pfalters hervor und befpricht fodann in längerer
Ausfuhrung die einfehlägigen kritifchen Fragen, gemäfsigt
und befonnen; dafs der 110. Pfalm makkabäifch fei,
erfcheint ihm jedenfalls erwägenswerth. Im folgenden
Abfchnitt weift K., nachdem die hohe Wichtigkeit der
Pfalmen nach der religiöfen Seite anerkannt ift, auch
auf die Schranken der altteftamentlichen Gotteserkenntnifs
hin, die wir an ihnen beobachten. Zur Freude des Ref.
erkennt er auch die collective Beziehung vieler Gefänge

an, durch welche manche Aeufserungen des Hafses und
der Selbftgerechtigkeit gemildert erfcheinen. Andrerfeits
macht Ref. wieder darauf aufmerkfam, dafs felbft fo
herrliche Lieder wie Pfalm 139. 103. 73 doch den letzten
Schritt in religiöfer Beziehung nicht thun, das alte Teftament
alfo die Stufe des Chriftenthums niemals erreicht.
— Die Klagelieder werden von ihm zu folgenden 3
Gruppen zufammengefafst: Cap. 1 und 5, 2 und 4 und
Cap. 3. Cap. 2 und 4 hält K. für die älteften Stücke,
Cap. 1 und 5 für fpäter, Cap. 3 foll erft nach dem Exil
hinzugekommen fein. Das Hohelied wird etwa in
Budde's Weife ausgelegt und (gegen Baudiffin) in das

3. Jahrhundert vor Chr. vermuthungsweife verfetzt. Die
Proverbien werden zum gröfsten Theil höher angefetzt,
doch kann der Abfchlufs der Sammlung nicht vor dem

4. Jahrhundert vor Chr. erfolgt fein. Am ausgiebigften
befchäftigt fich K. mit dem Buch Hiob. Hier feffelt
nicht nur die ganze Darlegung, fondern namentlich die
Wiederaufnahme der Verhandlung über ,das Volksbuch'.
Energifch beftreitet K. die Duhm'fche Anficht, dafs
Prolog und Epilog dem älteren Volksbuch angehört
hätten, in das der Dichter die Darlegungen des mittleren
Theils hineingefchoben hätte. ,Die Erzählung des Prologs
giebt die theologifche Motivirung für das Leiden des
Hiob, fie ift überall Mittel zum Zweck, nicht Selbftzweck,
wie es bei einem Volksbuch der Fall fein müfste . . .
Hätte es doch auch etwas klägliches, wenn diefer grofse
Dichter nichts Befferes zu thun wufste, als feine grofs-
artige Dichtung in ein Volksbuch einzufchachteln, das
feinen Abfichten mindeftens fremd, wenn nicht ablehnend
gegenüberftandt Ref. bekennt fich freudig zu diefen
Ausführungen, denen auf der letzten Seite des Buches
noch andre treffende Bemerkungen gegen Duhm's Hypo-
thefe folgen.

Königsberg i. Pr. Friedrich Giefebrecht.

Belser, Prof. Dr. Johannes, Einleitung in das Neue Testament
. Freiburg 1901, Herder. (VIII, 852 S. gr. 8.)

M. 12.—; geb. M. 14.60

Während die katholifche Wiffenfchaft auf dem Gebiete
der kirchengefchichtlichen Forfchung mit der pro-
teftantifchen gegenwärtig erfolgreich rivalifirt, läfst fich
von ihren Beftrebungen auf biblifchem Gebiete wegen
der hier herrfchenden Gebundenheit nicht das Gleiche
behaupten. Trotzdem herrfcht auch hier ein reges Leben.
Sogar die biblifche Einleitung, die vermöge ihrer kritifchen
Aufgaben dem katholifchen Traditionsprincip am
meiden zu widerftreben fcheint, wird eifrig gepflegt.
Nachdem uns erft die letzten Jahre die Einleitungen ins
Neue Teftament von Trenkle (1897, f. Theol. Litztg.
1899, 226) und Schäfer (1898) gebracht haben, liegt nun
abermals eine in ihrer Art gediegene Bearbeitung diefer
Disciplin aus der Feder eines katholifchen Theologen
vor. Man darf diefelbe freilich nicht mit dem Maafsftabe
proteftantifcher Wiffenfchaft meffen. Trotz aller Be-
fchäftigung mit diefer ift der Verf. doch von ihrem Gifte
völlig unberührt geblieben und hat nur die ,gefunde'
Methode, wie fie z. B. in Zahn's Arbeiten herrfcht, fich
angeeignet. Das Entfcheidende ift überall die nicht
ohne Scharffinn und Gelehrfamkeit bearbeitete Tradition.
Zur Charakterifirung feien einige Hauptrefultate hervorgehoben
.

Matthäus hat fein Evangelium hebräifch, nicht ara-
mäifch gefchrieben (S. 28ff.), und zwar im J. 41—42 n.Chr.
(S. 32). In das J. 42 fällt ,der Aufbruch der meiften
Apoftel aus Paläftina zu auswärtiger Miffion' (S. 341
Unfer griechifcher Matthäus ift eine ums Jahr 60 ent-
ftandene Ueberfetzung des hebräifchen, deren Bearbeiter
,bei der Umkleidung des hebräifchen Matthäus in das
griechifche Sprachgewand' das Markusevangelium benützt
hat (S. 42, alfo wie Zahn). — Die Entftehung