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Ausgabe:

1902 Nr. 19

Spalte:

523-525

Autor/Hrsg.:

Weiffenbach, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Frage der Wiederkunft Jesu, nochmals kurz erörtert 1902

Rezensent:

Clemen, Carl

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523 Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 19. 524

war es dem kirchlichen Schriftfleller nahe gelegt, auch
diefen Bericht wieder auf den wahren Herrn und Heiland
der Welt zu beziehen' (S. 20). Die hier S. 26—27
angeführten, immerhin disputabeln und dem Bereich des
Möglichen angehörigen Analogien genügen indeffen dem
Verf. nicht. Zur Erklärung des Umzugs und der Anbetung
der Magier weifs er eine vor kurzem auch von
Andern herangezogene Parallele aus der römifchen Kai-
fergefchichte anzugeben, ,1m Jahre 66 n. Chr. war der
Partherkönig Tiridates mit einem grofsen Gefolge, unter
welchem fich auch Magier befanden, durch die
Städte Kleinafiens nach dem Weften gezogen und hatte
dann in Rom Nero feine Huldigungen dargebracht. Dort
hatte er Nero als feinen Gott, als den Sonnengott
Mithras verehrt, und war dann auf anderen Wegen durch
die Städte Kleinafiens zurückgekehrt. Da die Jugend-
gefchichte, die Mth. überliefert, wohl zu den fpäteften
Beftandtheilen des ohnehin nicht frühe entftandenen
Evangeliums gehört, fo fteht nichts der Vermuthung
im Wege, dafs der Zug des Partherkönigs Tiridates
und feiner Magier aus dem Morgenlande zu Nero's Zeit
den erften Anlafs gegeben habe, diefen Vorfall auch der
Geburtsgefchichte Jefu einzufügen.'

Selbttverftändlich wird eine gefchichtliche Betrachtung
der in unfern Evangelien vorliegenden Ueberlieferung es
für durchaus denkbar halten, dafs bei dem Kryftallifations-
procefs, den die Sagenbildung darflellt, aus dem Milieu
mancherlei Elemente zugeführt und angeeignet worden
find; allein der Verfuch, den concreten Hergang diefer
allmähligentflandenenMythen wiederherzudellenund diefe
nachgezeichnete Conftruction als ,ficher', als .zweifellos'
auszugeben, ift ein Unternehmen, das über die erlaubte
hiftorifche Divination hinausgeht und fchliefslich dazu beitragen
könnte, die Wiffenfchaft felber zu discreditiren.

Die allgemeinen Betrachtungen, mit welchen der Verf.
feine Schrift abfchliefst, follen zeigen, dais die Erzählung
von der übernatürlichen Erzeugung Jefu fchon aus rein
religiöfen Gründen beanftandet werden mufs. Mit vollem

dererfeits Identificirung der Wiederkunfts- und Aufer-
ftehungs Verkündigung.

Das erfte bezeichnet W. (S. 12) als allmählich gewiffer-
maafsen zu einer sententia reeepta geworden, ja andere
haben fich darüber noch ftärker ausgefprochen. Kehn
fchrieb SchwThZ. 1887, S. 134: Es ift bekannt und gehört
zu den gefichertften Refultaten der neueren Evangelienkritik
, dafs in die Parufie-Rede Jefu eine kleine jüdifche
Apokalypfe eingeflochten ift — und Holtzmann, Neu-
teftamentl. Theologie I, S. 3273: Es giebt wenig Hypo-
thefen, die fich in den Grundzügen ihres Beftandes fo
unausweichbar erwiefen und fo viel einleuchtende Begründung
erfahren haben, wie diefe. In der That
könnte man ja über die Meinungsverfchiedenheiten hin-
wegfehen, die zwifchen den verfchiedenen Vertretern
diefer Theorie, die Holtzmann a. a. O. anführt, —
neueftens find noch Schweitzer, Das Abendmahl II, S. 95
und O. Schmiedel, Hauptprobleme der Leben Jefu For-
fchung S. 24 hinzugekommen -— fowohl betr. des jüdifchen
oder judenchrifllichen Charakters der ,kleinen Apokalypfe
' und ihres Verhältnifses zu dem %(>rj0[i6q Eufeb.,
h- e- 3> 5> 3> als betr. ihres Umfanges beliehen — obwohl
es immerhin bedenklich ift, dafs z. B. Colani
Vers 5—31, Keim 5—9a. 14—23, Hausrath 1—37 (?),
Weizfäcker, Spitta 14—23 ausfchalten wollen, Wendt
dagegen Vers 7—9a. 14—20. 24—27. 301., Weiffenbach
und Pfleiderer (Urchriftenthum) 7—9a. 14—20. 24—27,
J. Weifs 14. 17. 20. 22. 25b—27. Vor allem aber Lägt
es fich, ob überhaupt genügende Gründe für eine folche
Quellenfcheidung vorhanden find oder ob die bisher
dafür geltend gemachten Inftanzen nicht anders erklart
werden müffen.

Wendt felbft giebt zu: Die Thatfache allein, dafs
fich die eine Marcus-Rede leicht in zwei verftändlich und
einheitlich erfcheinende Wortreihen zerlegen läfst, kann
das Urtheil nicht ausreichend begründen, dafs diefe
beiden Wortreihen urfprünglich zwei von einander unabhängige
Reden gewefen feien, die erft Marcus mit

Recht weift er den Anfpruch derer zurück, welche diefe ; einander verbunden habe. Aber er meint, aus den im
Ueberlieferung als eine grundlegende Heilswahrheit, als ] Gedanken und Wortlaute liegenden Beziehungen, die
das Fundament der Kirche dem Einzelnen oder der Ge- die Glieder jeder einzelnen Reihe mit einander verbin-
meinde aufreden wollen. Ref. kann indeffen eine doppelte ; den, doch die urfprüngliche Getrenntheit beider Reihen
Gegenbemerkung nicht zurückhalten. Einmal hat der nachweifen zu können. In der That pafst — hier ftimmt
Verf. das religiöfe Intereffe, welchem die evangelifche , auch J. Weifs zu — Vers 28f., wo das Ende erft als
Ueberlieferung zur Hülle dient, nicht klar und beftimmt | nahe gilt, nicht zu Vers 26f., wo es bereits befchrieben
genug (S. 32) dargethan, zum Zweiten find ihm in feinen j wird, und Vers 30, wo ravza auch das Ende mit be-
dogmatifchen Ausführungen manchmal Aeufserungen zu- I deutet, nicht zu Vers 29, wo es nur auf die Vorzeichen
geftofsen, die mindeftens befremdend klingen und von 1 bezogen werden kann. Aber alle folche Beobachtungen,
denen wir hoffen wollen, dafs fie nicht fo ernft gemeint ! die fich leicht vermehren liefsen, fowie die Hinweife auf

die verfchiedene Adreffe und Art der Ermahnungen be-
weifen doch nur, dafs die Rede, wie andere, mit Weifse
und Haupt für eine fpätere Compofition zu halten ift,
noch nicht, dafs in ihr eine jüdifche oder judenchrift-
liche Apokalypfe fteckt.

Das wäre erft dann anzunehmen, wenn Jefus überhaupt
und auch abgefehen von einzelnen Ausdrücken
nicht fo hätte reden können, wie wir z. B. Vers 14 ff.
lefen. Das aber wird fich zunächft wenigftens nicht behaupten
laffen, ebenfo wie der Avis au lecteur: 0 avayi-
vcoOxojv vosirco doch auch erft von Marcus hinzu-
Weiffenbach, Dir. Prof. D.W., Die Frage der Wiederkunft gefetzt worden fein kann. Weiterhin die ganz objective
Jesu, nochmals kurz erörtert. [Denkfchrift des evan- j Haltung der Auslagen über den Menfchenfohn Vers 26

find, als es den Anfchein hat; ich theile als Beifpiel nur
den Satz mit: Jefu Gottesbegriff vermeidet alle abftrakte
und philofophifche Ausdrucksweife, und mag nach diefer
Richtung hin vielleicht einiger Ergänzung bedürfen'
(S. 28). Durch diefe und ähnliche Ausfagen wird man,
bei der Beurtheilung der Soltau'fchen Schrift, daran erinnert
, dafs wir es hier mit einem Hiftoriker, nicht mit
einem Dogmatiker zu thun haben.

Strafsburg i. E. P. Lob Hein.

gelifchen Prediger - Seminars zu Friedberg für die
Jahre 1897—1901]. Friedberg 1901, C. Bindernagel in

bezeichnet Weizfäcker felbft als weniger wichtig: fie
findet fich in der That auch fonft. Und wenn man
endlich und vor allem Vers 32 mit der vorhergehenden
Komm. (IV, 38 S. gr. 8.) M. 1.— j Ankündigung von Zeichen und einem baldigen Eintritte

Die vorliegende Abhandlung ift aus einem Vortrage der Parufie unvereinbar findet, fo ift es wohl doch nicht
hervorgegangen, den W. am 19. October 1898 auf der ! .kleinlich' (Neander) oder une pauvre chicane (Colani),
wiffenfehaftlich-theologifchen Conferenz zu Eifenach : Tag und Stunde eben von dem genauen Termine zu
hielt, und empfiehlt für die Schwierigkeiten der eschato- faffen. Wenigftens heifst es auch IV. Esra 452: Die
logifchen Rede diefelbe Löfung, wie fchon das 1873 er- Zeichen, nach denen Du fragft, kann ich Dir zum Theil
fchienene Buch: Der Wiederkunftsgedanke Jefu, nämlich fagen; über Dein Leben aber (ob es fo lange dauern
einerfeits Ausfcheidung einer ,kleinen Apokalypfe', an- ! wird) Dir etwas zu fagen, bin ich nicht gefandt und