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Ausgabe:

1902 Nr. 18

Spalte:

496-498

Autor/Hrsg.:

Franchi de‘Cavalieri, Pio

Titel/Untertitel:

S. Agnese nella tradizione e nella leggenda 1902

Rezensent:

Achelis, Hans

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 18.

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tigkeiten der Kirche mit den Donatiften hineinblicken
laffen.

Wenn endlich v.Gebhardt amSchlufse auch dieügcci-eig
IlavXov xai &txXrjq wiedergiebt, fo werden ihm das viele
Lefer danken; eigentlich pafst das Stück aber nicht mehr
hierher als viele andere sigä^eiq auch, und bis C. Schmidt
feine Heidelberger Papyrusfragmente herausgegeben und
von Gebhardt feine angekündigte gröfsere Ausgabe
publicirt hat, hätte die wiffenfchaftliche Welt fich mit
dem Lipfius'fchen Text begnügen können. So viel über
das Sondergut der beiden Sammlungen.

Gemeinfam find ihnen aufser den erwähnten Acta
Jrenaei und dem Teftament der XL aus dem dritten
Jahrhundert die Acta Proconsidaria Cypriani und das
von Gebhardt felbft früher im Archiv für flavifche
Philologie veröffentlichte MaQZVQiov üioviov. Das Letztere
verdiente längft eine Publication an zugänglicherer Stelle,
und es ift nur zu bedauern, dafs v. Gebhardt feine ver-
heifsene gröfsere Ausgabe mit einer Ueberfetzung der
flavifchen Recenfion anderwärts noch nicht geben konnte.
Aus der älteren Zeit bieten Knopf fowohl wie v. Gebhardt
die Martyrien des Polycarp, des Karpus und Genoffen
, des Juftin, der Scilitaner, der Lugdunenfer (Knopf
ftellt diefe den Scilitanern vor), des Apollonius und der
Perpetua und Felicitas. Aber während Knopf feinen
Zwecken angemeffen fich auf die Wiedergabe des beften
Originaltextes nach den neueften Ausgaben befchränkt,
hat v. Gebhardt fämmtliche Ausgaben und Textzeugen
berückfichtigt und auch eigene Emendationen und Con-
jecturen mitgetheilt, ohne doch die Ausgabe mit einem
vollftändigen Apparat zu belaften.

Bei der Passio Scillitanorum (sie! in der Ueber-
fchrift — fonft Scilitanorum) und der Passio Perpetuae
ftellt er unter den lateinifchen auch den griechifchen
Text. Dem griechifchen Martyrion des Apollo fügt er
die deutfehe Ueberfetzung der armenifchen Recenfion
von Burchardi (bei Harnack S.B.B.A.) bei. Den Brief
der Lugdunenfer veröffentlichte er bereits nach dem für die
Ausgabe der Kirchenvätercommiffion von Ed. Schwartz
vorbereiteten Text (die Eufebftellen in Fufsnote — die
bei Knopf fehlende Regelte über Alcibiades 3 1—3 beigefügt
). Befonders bemerkenswerthe Abweichungen bietet
v. Gebhardt im Texte der Passio S. Perpetuae et Felici-
tatis, von denen einige auf bisher unbenutzte Hand-
fchriften zurückgehen. Näheres über diefe theilt der
Herausgeber in feinem Vorworte nicht mit. Der Text
wird an mehreren Stellen (z. B. VI, 5. VII, 4. VIII, 2.
XI, 10) durch Gebhardt's Vorfchläge wefentlich klarer.
Ich breche ab. Das Gefagte genügt, um darauf hinzuweifen
, dafs wir es in der Gebhardt'fchen Ausgabe nicht
nur mit einer Gabe für die Studenten, fondern mit einer
auch für die Fachgelehrten werthvollen Arbeit zu thun
haben. Ueberhaupt ift Jedem, dem es auf fpecielle
wiffenfchaftliche Genauigkeit ankommt, die v. Gebhardt-
fche Ausgabe in erlter Linie zu empfehlen; felbft die,
welche die einzelnen Editionen kennen und befitzen,
werden mehr als einen praktifchen Nutzen von diefer
Handausgabe haben.

Dagegen dürfte für Seminarübungen die Knopf'fche
Sammlung geeigneter fein — nicht nur wegen der beigegebenen
Literaturnachweife, die bei v. Gebhardt fehr
zu vermiffen find, fondern auch wegen des geringeren
Umfanges. Beide Herausgeber hätten ihr Verdienft erhöht
, wenn fie kurze einleitende Vorbemerkungen den
einzelnen Texten vorangeftellt hätten. Aber was wir
vermiffen, foll den Dank nicht fchmälern für das, was
wir erhalten haben.

Deyelsdorf. Ed. von der Goltz.

I Dufourcq, Albert, Etüde sur les Gesta Martyrum romains.

Ouvrage contenant six gravures hors texte en photo-
typie. (Bibliotheque des ecoles frangaises d'Athenes
et de Rome. LXXXIII. fasc.) Paris 1900, A. Fonte-
moing. (VIII, 441 S. gr. 8.)

Franchi de'Cavalieri, Pio, La Passio SS. Perpetuae et
Felicitatis. (Römifche Quartalfchrift. 5. Suppl.-Heft.)
Rom 1896. Freiburg i. B., Herder in Commiffion.
(166 S. gr. 8.) M. 4.—

— Gli atti dei ss. Montano, Lucio e compagni. Recensione
del testo ed introduzione sulle sue relazioni con la
Passio s. Perpetuae. (Römifche Quartalfchrift. 8. Suppl.-
Heft.) Ebd. 1898. (102 S. gr. 8.) M. 4.—

— S. Agnese nella tradizione e nella leggenda. (Römifche
Quartalfchrift. 10. Suppl.-Heft.) Ebd. 1899. (VII, 96 S.
gr. 8.) M. 4.-

Es war ein fehr guter Gedanke, die Acten der
römifchen Märtyrer im Zufammenhange zu behandeln,
und fie unter einen Gefichtspunkt zu flellen, der aus

; der Sache felbft erwachfen ift.

Rom hat wenige echte Paffionen der Kirche hinter-
laffen. Es find da eigentlich nur die Acten des Juftin
und die des Apollonius zu nennen, was befonders auf-

j fällig ift, wenn man damit den Reichthum der afrikani-
fchen Kirche vergleicht. Aus fpäterer Zeit aber liegt
eine Fülle von erbaulichen Erzählungen vor, denen man
fchwer Unrecht that, wenn man an fie Anforderungen
ftellte, als wären fie bis zu einem gewiffen Grade Quellen
für die ältefte Zeit der Kirche. Sie find zu verwenden
zur Schilderung der Zeit, in der fie entstanden find; ihr
Werth befteht nicht in den gefchichtlichen Notizen,
fondern in der Localtradition, die fie bewahren. Wer

| eine Gefchichte der römifchen Kirche bis zu Kaifer
Conftantin fchreiben will, wird feiner Aufgabe um fo
beffer gerecht werden, je weniger er von ihnen Notiz
nimmt; wer aber die drei folgenden Jahrhunderte ins
Auge gefafst hat, wird ihnen feine Aufmerkfamkeit
widmen müffen; und wer der Ueberzeugung ift, dafs die
Märtyrer- und Reliquienverehrung einen guten Theil des
inneren Lebens der Kirche in jenem Zeiträume ausmacht
, wird den Quellenwerth der unechten Märtyrer-
acten nicht gering veranfchlagen.

Von diefen Gedanken, die unter uns ja nicht neu

, find, hat Dufourcq einen energifchen Gebrauch gemacht.
Im Mittelpunkte feines Buches fteht eine Zufammen-
ftellung der römifchen Localtraditionen über die Märtyrer
, wie fie theils in den Acten vorliegen, theils in
den Kirchen und Katakomben erhalten find. Die Acten

I datirt er fammt und fonders zwifchen 400 und 600, und
fetzt fie in hiftorifche Zufammenhänge, indem er Ver-

I hältnifse des Oftgotenreichs und der byzantinifchen Herrfchaft
zur Erläuterung heranzieht.

Ich könnte mir denken, dafs Dufourcq trotz all-
feitiger Zuftimmung zu feinen kritifchen Grundfätzen
unter uns mehr Einwendungen als Beifall fände. Wir
find es nicht gewohnt, einen fo fpröden Stoff in Form
eines eleganten Memoire abgehandelt zu fehen. Die
meiften unter uns würden eine derartige Unterfuchung,
wie das recht und billig ift, mit höchft mühfamen Spe-
cialunterfuchungen der Texte, ihrer Zeugen und Ueber-

1 lieferungen beginnen, anftatt fie fchockweife abzuhandeln.
Und es ift ficher, dafs der Verfaffer hier noch viele

! Fragen übrig gelaffen hat, z. B. die nach der Grund-

j fprache der Acten, die bei manchen vermuthlich das

| Griechifche ift, über das Händige Anwachfen der Mär-
tyrerzahl, über den Import fremder Märtyrer nach Rom,
fei es in leibhaftigen Ueberreften, im Cultus oder in
der Fiction, und über den Zufammenhang diefer Machinationen
mit der Kirchenpolitik. Und wer fich gar Mühe