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Ausgabe:

1902 Nr. 17

Spalte:

474-478

Autor/Hrsg.:

Berger, Sam.

Titel/Untertitel:

Les BIbles Castillanes 1902

Rezensent:

Friesland, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 17.

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wo er von den Acten, die zur Taufe gehören, redet, nichts
fagt von einer traditio symboli. Ich habe II. 28off. diefe That-
fache nicht bemäntelt und kann es würdigen, wenn einer
die Erklärungen, die ich dafür anbiete, nicht annehmen
mag. Ob es Spuren davon giebt, dafs Marcion fich
anfänglich in Rom zu R bekannt habe, ift mir felbft je
länger, je unficherer geworden. McGiffert giebt S. 58 ff.
eine forgfältige kritifche Unterfuchung, deren negatives
Ergebnifs ich nicht gering veranfchlage. Aber man kann
fich da wohl noch lange hin- und herzerren. Die Hauptfache
ift. dafs McGiffert wirklich an feinem Texte von R eine
Reihe antimarcionitifcher Pointen glaubhaft machen kann.
Dafs er R nicht als regula fidei wider Marcion gefchaffen
denkt, ftärkt feine Pofition. Nicht in dem Gedanken,
den Täuflingen eine Summe von Streitmitteln wider den
grofsen Verfucher, der von Pontus hergekommen war,
in die Hand zu geben, foll R componirt fein, fondern
um fie mit einer Trutzformel auszuftatten. So braucht
McGiffert nur zu zeigen, dafs R in feinen prägnanten
Wendungen Antimarcionitismus athme, um feine Hypothese
fchon für empfohlen zu erachten. Er bemerkt zu
Art. 1, dafs das xavroxQÖxoQa doch ganz offenbar Marcion
treffe. Marcion geftand dem wahren Gott eben
nicht die .Allherrfchaft' zu. Um den natürlichen Weltverlauf
kümmert fich der marcionitifche Gott nicht. In
dem ..taxtjQ' findet McGiffert den ausdrücklichen Gedanken
des .jroirjxfj^. Ich kann nicht umhin, dazu ein
Fragezeichen zu machen. McGiffert darf auf eine Reihe
vonVVendungen bei Juftin u. a. hinweifen, um feine Interpretation
zu empfehlen, neben jravxoy.Qc'txmQ fieht das
xc.Tf'iQ aber doch fo aus, als ob es auf ein Merkmal der Gerinnung
in Gott reflectire. Indirect liegt in dem xaxfjet
jrctVTOy.Q&TcoQ ohne Zweifel der Gedanke des Schöpfers.
Aber wenn doch Marcion ausdrücklich die Confequenz
gezogen hatte, dafs Gott nicht nur die ,Herrfchaft' (Vor-
fehung) nicht übe, die die Grofskirche ihm zufchreibe,
fondern auch mit dem Urfprunge der Welt nichts gemein
habe, ob dann eine Trutzformel fich mit einem
folchen Minimum des Ausdruckes begnügen konnte, dafs
die Schöpferftellung Gottes nur implicitc im Glauben
beiaht wurde? — In Art. 2 foll das ctvxov neben vlöv den
Nächdruck tragen: Chriftus Jefus werde damit als Sohn
des Schöpfergottes bezeichnet. — Im weiteren werde
Jefus als .geboren', ,aus' (ex) .Maria', der bekannten, leibhalten
xao&tvo:. bezeugt. Nicht die Wunderbarkeit, nur
die Wirklichkeit des Geboren-, nicht blofsen Erfchienen-
feins Jefu liege im Ausdruck, der offenbar allen Doketismus
treffe. — Vom Kreuze etc. habe ein Bekenntnifsunter allen
Umftänden fprechen müffen. Das ift fo eine Nebenhypo-
thefe, die ich McGiffert nicht ohne weiteres concedire. Und
merkwürdig fcheint m i r doch, dafs Rnichtwenigftenshier
ein d/.n&m: hat. Denn Marcion leugnet weder Kreuzigung
noch Regräbnifs als fcheinbare Vorgänge. McGiffert meint,
das ix] Dovxlov IJi/.äxov bedeute fo viel wie ein dXrfPag.
Auch ich halte diefe Wendung in R, deren Räthfelhaftig-
keit ja oft bemerkt ift, für antidoketifch, aber im Zu-
fammenhange mit der Soteriologie von R, vgl. II,
631 ff. Dafs fie ,an fich', vollends Marcion gegenüber,
als eine Bekräftigung der Realität der Kreuzigung wirkte,
leuchtet mir nicht gerade ein. — Bei xad-fjuevov h> <k-£<«
xov xaxnög foll das toü xaxQog zu betonen fein, im Gedanken
an Art. 1 und die Deutung des scaxfjQ als noirj-
xr}z. Aber es ift viel wahrfcheinlicher, dafs das Prädicat
rtö-' in Art. 2 hier wirkfam ift. Der ,Sohn' gehört an
die Seite feines Vaters. Jefu .Vater' ift nun freilich der
navxoxndxo)Q. Aber mit der antimarcionitifchen Pointe
ift es nicht mehr viel, wenn die Beziehung auf Art. 1
nur indirect ift. — Das fn&tv epv£t«t xqIvcu etc.' kann
natürlich antimarcionitifch verftanden werden. — Die Betonung
der ärdoxaotg occny.og vollends.

Dafs R wider Marcion fruetificirbar war, ift für jeden
klar. Es gilt auch bei meiner Auffaffung von ihm. Ohne
das hätte R überhaupt nicht regula fidei werden können.

Dafs es wider Marcion gemünzt fei, wird mir fchwer
zu glauben. McGiffert ift immerhin ein Advocat für diefe
Hypothefe, der gut zu plaidiren weifs. Sein Buch ift eine
rechte Probe der Gediegenheit der wiffenfehaftlichen
amerikanifchen Theologie unferer Tage.

Giefsen. F. Kattenbufch.

Berger, Sam., Les Bibles Castillanes, avec une appendice
sur les Bibles Portugaises par Mme C. Michaelis de
Vasconcellos et S. Berger. Extrait de la Romania,
tome XXVIII, Paris 1899. (109 S. gr. 8.)

Eine wirkliche Gefchichte der Bibel in Spanien
und Portugal mufs immer noch gefchrieben werden,
und auch der leider jetzt verftorbene Profeffor an der
proteftantifch-theologifchen Facultät zu Paris hat mit der
vorliegenden Abhandlung nur Beiträge für ein derartiges
Buch liefern wollen. Aber auch dafür find wir dem ver-
dienftvollen Verfaffer der ,Biblc franeaisc au moyen äge1
Dank fchuldig.

Die ja ganz eigenartige Gefchichte der Bibelüber-
fetzungen auf der pyrenäifchen Halbinfel und befonders
in Spanien wird zunächft in der Einleitung (S. i—4) unter
vorzugsweifer Berückfichtigung der zu behandelnden Specialfragen
in ihren Hauptzügen gekennzeichnet. Schon
die weftgothifchen Texte unterfchieden fich von denen
aller anderen wefteuropäifchen Völker durch die hebrä-
ifche Anordnung des Kanons und finguläre Lesarten ganz
bedeutend, und diefer Abftand blieb eine merkwürdig
lange Zeit deshalb beliehen, weil die Mauren jedem von
aufsen kommenden geiftigen Einflufs den Zugang ver-
fperrten. Dazu trat die ftarke und andauernde Einwirkung
, welche das Judenthum der Halbinfel auf Ge-
ftalt und Text der heiligen Schriften ausübte. Während
überall fonft die Vulgata als folche hingenommen und ein-
j fach immer wieder überfetzt wurde, herrfchte in der
I hochentwickelten geiftigen Sphäre desjenigen Landes,
wo Chriftenthum, Muhamedanismus und Judenthum aufeinander
trafen und fich gegenfeitig beeinflufsten, ein
> wirkliches theologifches Intereffe. Diefes Sonderleben
auf dem Gebiete der Bibelüberfetzung fchvvand allmählich
mit dem Verfalle der Arabermacht, und als dann
der Cluniacenferorden feine Fühler auch über die Pyrenäen
ausftreckte und der Einflufs Frankreichs und Italiens
ftärker wurde, kamen in Spanien fremde Textfaffungen
vielfach in Aufnahme. Aber noch bis an die Zeit der
Reformation heran haben die Bibelübcrfetzungen der
Halbinfel ihre Eigenart bewahrt und die hebräifche
Textfaffung vertreten.

Diefem weiten Rahmen entflammen die Unter-
fuchungen der Berger'fchen Abhandlung. Sie flellen
den Gewinn eines Befuches dar, den der Verf. den Hand-
fehriftenfehätzen Spaniens, befonders denen des Escorial
I abgeftattet hat. Die erfte Unterfuchung (S. 5—26) gilt
I der Grande y General Historia des Königs Alphons X.

(1252—84). Diefes bisher unedirte Werk giebt eine
j encyklopädifche Darfteilung der Gefchichte des Alter-
| thums im Rahmen einer Paraphrafe der Bibel und profaner
Werke. Als Vorbild diente den Gelehrten des Königs
entfprechend der literarifchen Mode jener Zeit das Werk
eines Franzofen, die um 1175 verfafste Historia scholastiea
des Pierre de Troyes. Keine der 23 erhaltenen, von
Berger S. 6 aufgezählten Handfchriften umfafst alle fünf
Bücher der General Historia, fondern jede giebt von
ihr nur ein Bruchftück. Erfchwert wird dadurch die
Frage nach der urfprünglichen Faffung des Werkes,
die deshalb angefchnitten werden mufs, weil die in den
Handfchriften enthaltenen Paralleltexte fich nicht gleichen.
Des Verf.s Scharffinn bringt uns nun aber der^Löfung
diefer Frage ein gutes Stück näher, indem er die Handfchriften
in zwei Claffen theilt: zur erften Kategorie gehören
diejenigen, die den Bibelinhalt nur in der Form

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