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Ausgabe:

1902

Spalte:

22-24

Autor/Hrsg.:

Duchesne, L.

Titel/Untertitel:

Fastes épiscopaux de l’ancienne Gaule. Tome deuxième. L’Aquitaine et les Lyonnaises 1902

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. I.

z. B. bei Auguftin für Altlateiner und Itala (= Vulgatä)
der Fall ift; das würde die 8 Fälle des Zufammentreffens
mit Peschitta gegen syr. cur. und sin. noch leichter erklären
als B."s Annahme. 2. Hort hat darauf hingewiefen,
dafs die Peschitta wohl mit der älteren antiochenifchen
Kecenfion (Lucian's), nicht aber mit der jüngeren, wie fie
z. B. bei Chryfoftomus vorliegt, übereinftimmt; daher
er nicht über 350 hinausgehen will. Die zahlreichen
Berührungen der Peschitta mit nicht - antiochenifchen
Texten erklären fich leichter, je früher man fie anfetzt.
3. Rabbulas hat angeordnet, dafs ftatt des Diatcssaron
in allen Kirchen ,das Evangelium der Getrennten fei
und gelefen werde'. Diefer Titel kommt nach Burkitt
felbft den altfyrifchen Texten zu. Stimmt dazu, dafs
Rabbulas eine neue Ueberfetzung gegeben haben foll?
Diefe Bedenken find aber nicht unausweichlich: das I.
giebt nur eine Möglichkeit, neben der Burkitt's Erklärung
"ebenfo gutes Recht hat; 2. der Uebergang von der luci-
anifchen Recenfion in den fpäteren byzantinifchen Text
ift wohl nicht durch eine einmalige neue Recensio ge-
fchehen, fondern allmählich, durch fortwährende Mifchuug
und Correctur, und nicht gleichmäfsig an allen Orten.
Rabbulas kann noch nach 411 einen von dem damals
durch Chryfoftomus in Conftantinopel und Antiochien
eingebürgerten ftark abweichenden Text der Neubearbeitung
der fyrifchen Bibeluberfetzung zu Grunde gelegt
haben. Diefe war Revifion, nicht Neuüberfetzung:
fcTmochte manches von dem älteren fyrifchen Beftande
erhalten bleiben. Damit hebt fich auch das 3. Bedenken:
Rabbulas kann unter dem alten Titel: ,Evangelium der
Getrennten' feine Revifion der altfyrifchen Evangelien-
überfetzung eingeführt haben. Der Titel Peschitta, von
der Ueberfetzung des Alten Teftamentes herübergenommen
, ift ja für das N. T. nicht vor dem 10. Jahrhundert
nachweisbar.

So flehe ich nicht an, dem Refultate diefer mit
Scharflinn und gründlicher Kritik geführten Unter-
fuchung beizuftimmen. Eine nachträglich von mir angeflehte
Probe an den nach Nöldeke, Strafsburger Feft-
fchrift zur 46. Philologen-Verfammlung, dem Ende des
4. Jahrhunderts angehörenden Acten des Guria und
Scharnona, des Habib, des Scharbel ergab ganz ähnliche
Refultate. Hier ift Mt. 1028 et-ovoiav %%ovra ftatt övväfii.vov
vgl. II. Clem. 54 und ßaoavioat ft. änoktOcu gelefen;
Mt. 1o32 xaycb beidemal ausgelaffen vgl. II. Clem. 32,
Ephraim p. 97 Moes. (gegen p. 228 f.j und am Schlufs
ftatt toü Iv ovgavoii; aus Lc. 12 8f. xcä liUCQOOd-ev rcöv
ayyiXcov avzov eingefetzt; Mt. 7c fehlt wie bei syr. cur,
Bafilidianer b. Epiph., Orig. vficäv bei Tovg ftaffyoQltaq;.
Dafs auch Dioder vonTarfus noch dasDiateffaron benutzte,
hat jüngft Harnack nachgewiefen.

Burkitt's Refultat liegt ganz auf der Linie der Beobachtungen
, die fich mir bei der neueren Forfchung überhaupt
aufgedrängt haben, auf allen Gebieten, nicht nur dem
der lextkritik: Wir dringen einerfeits unaufhaltfam vorwärts
, zu den Anfängen, zu dem Urfprunge hin: wir haben
gelernt, den Anfang der Tcxtcorruption, aber auch die
Mißdeutung des Evangeliums nicht epft ins 4., auch nicht
erft ins 2., fondern fchon ins 1. Jahrhundert zu fetzen;
andererfeits erkennen wir zugleich, dafs fich fefte Daten
herausarbeiten laffen, die zuweilen viel fpäter fallen, als
wir felbft vermuthet hatten: ich darf hier vielleicht an
meine chronologifche Unterfuchung über die einzelnen
Stadien der Abgarlegende (Chriftusbilder 102 ff., ZwTh.
XLIII, 1900, 422 ff.) erinnern.

Dafs Burkitt feine Lieblingsthefe von der entfehei-
denden Bedeutung des fyro-lateinifchen Textes gar nicht
zur Sprache bringt, gereicht ihm zur Ehre und erhöht
das Vertrauen in die Objectivität feiner Methode.
Jeder Einfeitigkeit hat er zudem durch drei intereffante
Appendices vorgebeugt. In App. 1 Hellt er feft, dafs
Ephraim das Johannesevangelium wahrfcheinlich auch
gefondert, alfo nach dem altfyr. Evangelium der Getrennten
, kannte; in App. II bringt er die Citate aus
den vermuthlich echten Schriften nach, die oben als zu
fpät bezeugt ausgefchloffen waren; hier fei der Nachweis
des Akroftichons ,Ephraim' in den Briefen an Hypatius
wider Bardefanes und feine Schule hervorgehoben;
App. III begründet die Ablehnung einiger fonft meift
Ephraim zugefchriebenen Werke, befonders der Homilien
de inagis und de fine, die der Zeit nach Johannes
Chryfoftomus, vielleicht Ifaac von Antiochien angehören.

Das Ganze ift eine feine Studie, für die wir dem
Verfaffer aufrichtigen Dank fchulden.

Jena. von Dobfchütz.

Duchesne, Abbe L., Fastes episcopaux de l'ancienne Gaule.

Tome deuxieme. L'Aquitaine et les Lyonnaises. Paris
1900, A. Fontemoing. (VI, 485 S. Lex. 8.)

Den erften Band diefes monumentalen Werkes, der
1894 erfchien, habe ich in diefer Zeitung, Jahrgang 1895
Sp. I77ff., angezeigt. Ueber die Art der wiffenfehaftlichen
Behandlung, die hier den franzöfifchen Bifchofsreihen bis
ca. 900 zutheil wird, brauche ich deshalb hier nicht wieder
zu fprechen. Das Buch ift ein Meifterwerk umfaffendfter
Gelehrfamkeit, forgfältigfter Forfchung und umfichtigfter
Kritik. Wenn mit dem nächften dritten Bande, dem die
Regifter vorbehalten find, das Werk zum Abfchlufse gekommen
fein wird, wird es eines der unumgänglichften
und förderlichften Nachfchlagebücher für die weiteften
Gebiete kirchenhiftorifcher Forfchung werden. Dafs es
nicht lediglich ganz fichere und abfchliefsende Refultate
der wiffenfehaftlichen Forfchung enthält, ift in dem
Ouellenmaterial begründet. Allein D.'s Behandlung der
disputabeln Fragen ift ftets eine fo forgfame, das Sichere
von dem Unficheren fo deutlich unterfcheidende, dafs fein
Buch über alle kleinliche Kritik erhaben bleiben wird,
felbft wenn durch neue Entdeckungen —■ die Auffindung
eines neuen Concilsprotokolls kann viel Neues lehren —
Lücken ausgefüllt und Wahrfcheinlichkeits-Entfcheidungen
D.'s als irrig erwiefen werden follten. Ein wirklich befferes
Wiffen kann, wie ich vermuthe, zur Zeit auch der Ge-
lehrtefte nur inbezug auf einzelne Fragen innerhalb einzelner
Liften haben; erft die Detailforfchung, die das Buch
benutzt, wird beffern können. Ich vermag nur dankbar
hinzunehmen, was hier geboten wird, und unterlaffe es,
durch ein Eingehen auf einzelne der discutablen Auf-
ftellungen diefen Thatbeftand zu verdecken.

Das Buch ift nicht für fortlaufendes Lefen gefchrieben;
und doch ift mir die Leetüre intereffant gewefen. Es ift
in der That reizvoll, zu beobachten, wie hier (z. B. bei
Le Mans, S. 3097!) eine ziffernmäfsig genaue Lifte fpäter
1 Ueberliefcrung infolge der wiffenfehaftlichen Unterfuchung
in fich zufammenbricht, dort (z. B. bei Angouleme S. 64fr.,
Lyon S. 157fr. und Rouen S. 200ff.) überlieferte Bifchofs-
liften in verfchiedenem Mafse fich als zuverläffig erweifen,
daher Vertrauen in Anfpruch nehmen dürfen auch, wo
{ fie nicht controllirbar find. Für einen Anfänger mufs es
j eine vortreffliche Schule fein, wenn er D.'s Unterfuchungen
| folgt; allen Mitarbeitern erfchliefst fich hier eine Quelle
reichfter Belehrung, aus der zu fchöpfen vielfach fchon
an fich ein Genufs ift. Keinem Katholiken, er fei denn
päpftlicher als der Papft, wird fich in dem Buche ein An-
lafs zu berechtigtem Anftofs bieten. Denn, wenn auch
[ z. B. am Fefte des hl. Dionylius (9 October) Act. 17 die
vom Miffale vorgefchriebene Lection ift, fo wird doch
kein einfichtiger katholifcher Theologe behaupten, dafs
j die Fabel von St. Denys damit zu einem Noli-me-tangere
gemacht fei. Andererfeits wird aber auch niemand
Schranken confeffioneller Befangenheit in D.'s Buch zu
erkennen vermögen, beitab von der Arena confeffioneller
Streitigkeiten gehen D.'s Unterfuchungen auch da, wo er
es mit berühmten Legenden zu thun hat, ihren Weg mit
' einer Sicherheit und Unbefangenheit, in der die grofsen