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Ausgabe:

1902 Nr. 15

Spalte:

434-435

Autor/Hrsg.:

Dörries, Bernhard

Titel/Untertitel:

Der Glaube. Erklärung des zweiten Hauptstückes des kl. Katechismus M. Luthers 1902

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 15.

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Individuellen und dem Allgemeinen einnehmen folle, J ich im Ganzen diefen Ausführungen des Verf.s, die den
wie der von mir hervorgehobene Begriff des Typifchen. j einheitlichen Hintergrund feines method ologi fchen
Wenn der Verf. indeffen erklärt, feinen ferneren Dar- 1
legungen zufolge erweitere fich jene dreigliederige zu
einer viergliederigen Reihe, fofern in deren Mitte fowohl

Dualismus bilden, mit manchen Vorbehalten gegenüber-
ftehe, indem ich vielmehr nur einen erkenntnifstheo-
retifchen Dualismus vertreten kann, demgemäfs ich

die relativ allgemeinen Gefchichtsbegriffe als auch die re- j einerfeits das objectiviftifche, theoretifche und aetiologifche
lativ befonderen Naturbegriffe flehen, fo darf ich dazu
bemerken, dafs bei ihm nun doch wohl überhaupt nicht
mehr von einer, fondern vielmehr von zwei parallelen
dremliederigen Reihen die Rede fein kann. Denn nach
feinen eigenen inzwifchen vervollständigten und fo erft
vollkommen durchfichtigen Ausführungen hat es die Weltanfchauung diefem Deuten jenes Erkennen unter-
Naturwiffenfchaft mit der Reihe Individuum (Exemplar), zuordnen. Eingehender begründet habe ich diefen Standrelativ
hiflorifch' (Art, Gattung) und allgemein (Gefetz) punkt in meiner foeben im 3. Hefte der Zeitfchrift f.
'zu thun, die Gefchichte dagegen mit der gerade in logi- i Theol. u. Kirche erfchienenen Abhandlung über Theo-

Welterkennen der Wiffenfchaft und andererfeits das fub-
jectiviftifche, fpeculative und teleologifche Weltdeuten des
nichtwiffenfchaftlichen, insbefondere des ethifchen und
religiöfen Denkens principiell zu unterfcheiden für noth-
wendig halte, um dann doch im letzten Grunde der

fcher Hinficht recht anders gearteten Reihe .In-dividuum'
Gruppe und Ganzes. So wird jetzt nach der einen Seite
hin mein Einwand allerdings hinfällig, um doch andererfeits
infofern triftig zu bleiben, als für beide begriffliche
Reihen die Dreigliederigkeit wefentlich ift, während fich
eine Vierzahl ja fchliefslich immer auf die Zweizahl
reduciren laffen würde.

Da der Verf. in feiner Wiffenfchaftslehre die fundamentale
Bedeutung der Caufalbetrachtung für alles wiffen-
fchaftliche Erkennen nicht genügend würdigt, fo ift es
wohl zu verliehen, dafs er vielmehr ftark mit teleologi-
fchen Gefichtspunkten arbeitet, die er indeffen nicht in
einem metaphyfifchen, fondern auch nur in formalem Sinne

logische Wiffenfchaft und religiöfe Speculation (vgl. bef.
Cap. 2, 1).

Bonn. O. Ritfchl.

Dörries, Fall. Bernhard, Der Glaube. Erklärung des zweiten
Hauptftückes des kleinen Katechismus D. Martin Luthers.
Ein Beitrag zur Reform des Katechismusunterrichts.
Dritte, neu bearbeitete Auflage. Göttingen 1901, Van-
denhoeck & Ruprecht. (X, 334 S. gr. 8.)

M. 4.80; geb. M. 5.40

Die neue Auflage des Werkes von Dörries begeltend
macht. So fucht er erkenntnifstheoretifch das | grüfsen wir als eine der erfreulichflen Erfcheinungen auf

Wefen der Natur- und der Gefchichtswiffenfchaft aus j katechetifchem Gebiete. Das Vorwort zur erflen Auflage
deren Zielen und Zwecken und nicht etwa aus ihren des trefflichen Buches ift vom 29. Sept. 1891, das der
Leiftungen und deren Gründen zu beftimmen. Nicht zweiten vom 2. Auguft 1895, aas der dritten vom
genetifch, fagt er ja, wolle er verfahren, fondern eben 4. December 1900 datirt, alfo in neun Jahren ift ein fo
teleologifch. Auch den Entwickelungsbegriff analyfirt umfangreiches, nur eins der fünf Hauptftücke behan-
er unter teleologifchen Gefchichtspunkten, indem er ihn delndes Werk, das keineswegs zu den leichten Hilfs-
nicht von feinen terminis a quibus, fondern von denen ' mittein gehört, vielmehr an den Lefer, zumal wenn er
ad quos zu verliehen unternimmt. Und doch dürfte j es für die Praxis verwenden will, nicht geringe Anfor-
auch hier die aetiologifche Frageftellung nicht nur an j derungen Hellt, in drei Auflagen erfchienen. Es giebt
fich möglich, fondern auch hinreichend ergiebig fein, demnach eine nicht kleine Zahl von Pfarrern und Lehrei n,
Insbefondere aber wird die gefchichtliche Begriffsbildung die auch auf ihre katechetifche Thätigkeit das Wort des
felbft als eine ihrer Art nach teleologifche charakterifirt, j Apoftels Phil. 312 t. anwenden und von der Hoheit ihrer
fofern in ihr die Scheidung der wefentlichen und der un- 1 Aufgabe und ihres Zieles durchdrungen find. Der Herr
wefentlichen Beftandtheile des gefchichtlichen Gefchehens j Verf. ift ihnen gleichgefinnt; auf den Titelblättern der
nur durch deren Beziehung auf allgemeine Werthe foll zweiten und der dritten Auflage kündigt fich das Werk
geleiftet werden können. So gewifs nun aber auch das als eine Neubearbeitung an, und der Inhalt beftätigt
gefchichtliche Intereffe der Hiftoriker und der Lefer die Ankündigung. Für die zweite Auflage ift der zweite,
hiftorifcher Werke von beftimmten fubjectiven oder all- für die dritte Auflage der dritte Artikel des zweiten
gemeineren Werthungen abhängt, und fo gewifs auch j Hauptftückes neu bearbeitet worden. Die Grundan-
die gefchichtlichen Stoffe überall die Beziehung auf mehr j fchauungen find freilich diefelben geblieben; die Be
oder weniger allgemeine Werthe hervortreten laffen, da es
doch eben immer wollende und werthende Menfchen
find, die Gefchichte erlebt und gemacht haben, fo bleibt
andererfeits auch immer die von dem Verf. gar nicht
erwogene Möglichkeit offen, ob nicht in erfter Linie
vielmehr einfach der Umfang und die Gröfse gefchicht-

licher Wirkungen und Erfolge fich als ein zunächft werth- I den dritten Artikel das Schema: A. Wie und wo die
freier Mafsftab zur Scheidung des Wefentlichen und des | Heiligung gefchieht. — Einleitung. — Das Werk des hl
Unwefentlichen in der Gefchichte darbietet. | Geiftes: I. Die Berufung, II. Die Erleuchtung III. Die

Der eigentlichen philofophifchen Begründung diefer Heiligung, IV. Die Erhaltung. B. Was die" Heiligung
teleologifchen Auffaffungweife, der der Verf. fchliefslich I vor allem uns mittheilt. C. Wie und wann die Heiligung
auch den Begriff der wiffenfehaftlichen Objectivität unter- fich vollendet. In der dritten Auflage lautet A. Des hl.
zuordnen weifs, dient dann das an complicirten Conftructio- Geiftes Werkftatt und Werk. B. Des hl. Geiftes höchfte
nen und abftracten Fictionen reiche letzte Capitel über Na- Gabe. C. Die Vollendung des Werkes des hl. Geiftes
turphilofophie undGefchichtsphilofophie, in dem der Verf. j Allein innerhalb diefer Theile ift der Stoff in gröfserer
feinen Standpunkt als den eines erkenntnistheoretifchen i Ueberfichtlichkeit geordnet; unter anderem hat der
Subjectivismus entwickelt und im Zufammenhange feiner j formale Grundgedanke, das Werk des hl. Geiftes am Indi-
Weltanfchauung zum Schlufse auch feine Anfchauungen viduum im engllen Anfchlufs an fein Werk an der Chriften-
von der Ethik, der Rechtsphilofophie der Aefthetik und heit zu behandeln, eine energifchere Durchführung erder
Religionsphilofophie fkizzirt. Im Einzelnen auch fahren; der Werth der Gemeinde für das Chriftenthum
auf diefe vielfach intereffanten und beachtenswerthen des Einzelnen tritt dadurch deutlicher hervor Eine
Darlegungen einzugehen, gebricht es mir an Raum, : Folge davon ift, dafs das Lehrftück von der Kirche jetzt
da jedenfalls nicht kurz über alle diefe Gedanken j in der Einleitung erörtert wird, während es früher als
berichtet werden könnte. Ich bemerke daher nur, dafs Anhang zu A IV figurirte.

mühung hat fich darauf gerichtet, eine beffere, das Lehrftück
zu gröfserer Klarheit und zur kräftigeren und reineren
Darftellung der evangelifchen Wahrheit bringende Anordnung
des Stoffes herzuftellen. Die allgemeinen Schemata
der zweiten und der dritten Auflage zeigen nur
redactionelle Aenderungen. Die zweite Auflage hat für