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Ausgabe:

1902 Nr. 15

Spalte:

428-430

Autor/Hrsg.:

Loesche, Georg

Titel/Untertitel:

Geschichte des Protestantismus in Oesterreich 1902

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 15.

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durch die diefer im Jahre 1544 die Reformation in feinem
Lande einführte.

Die ,kleinen Mittheilungen' unferes Heftes führen uns
aufser in die Reformationszeit auch in andere Perioden
heffifcher Kirchengefchichte. Aus mittelalterlicher Zeit
find hier Lic. Herrmann's Ausführungen über Joh. Ufener
in Schotten hervorzuheben, aus denen erhellt, dafs diefem
fehr mit Unrecht (z. B. von Haffenkamp, Heff. Kirchengefchichte
IS. 32) derName eines heffifchen Vorreformators
beigelegt worden ift.

Wir wünfchen dem jungen Unternehmen gleich guten
Fortgang und ein ebenfo fröhliches Gedeihen, wie es an
dem zweitjüngften unter den kirchengefchichtlichen Vereinen
, dem fchleswig-holfteinifchen, fich conftatiren läfst.
Von feinen Schriften II. Reihe (den Beiträgen und Mittheilungen
) liegen wieder (vgl. über frühere Publicationen:
Theol.Lit.-Zeitung 1899SP. 53ff. und 6i6f.; 1901 Sp. 456k)
zwei neue Hefte vor: des II. Bandes 1. und 2. Heft
(S. I—144 bzw. 145—288 umfaffend).

In die Gründungszeit der fchleswig-holfteinifchen
Kirche führt ein kurzer, aber inhaltsreicher Auffatz H. v.
Schubert's: ,Ansgar und die Anfänge der fchleswig-holfteinifchen
Kirchengefchichte' (S. 145 ff.). Befonders in-
ftructiv ift er durch die in einem eigenen Abfchnitte behandelte
Beurtheilung und Sichtung der Quellen, bei der
im Gegenfatze zu Haffe (Schlesw.-holft. Urkundenbuch. I.),
in Uebereinftimmung aber mit anderen bewährten For-
fchern (z. B. mit Dehio, Gefchichte des Erzbisthums Hamburg
-Bremen, 1877 und Hauck, Kirchengefchichte Deutfch-
lands. II. 2. Aufl. S. 673 fr.) Schubert zu dem Refultate
kommt, dafs von den überlieferten Urkunden 7 zweifellos
echt find, und dafs alle wichtigften Momente der
älteften Hamburg-Bremifchen Gefchichte in urkundlicher
Beglaubigung uns vorliegen.

Werthvolle Mittheilungen aus dem kirchlichen Leben
des fpäteren Mittelalters (von ca. 1370 an) erhalten wir
durch die von von Dr. Friedr. Bangert — in theilweifer Ge- |
meinfchaftmitPaftor Witt in Preetz — beforgte Publication j
des älteften Oldesloer Kirchenbuches (S. 1 ff.), das zunächft
in extenso wiedergegeben und dann durch forgfältige Anmerkungen
für die Forfchung nutzbar gemacht wird. Sein
Inhalt hat zunächft ein hervorragendes localgefchichtliches
Intereffe, doch ift es auch reich an Daten von allgemein-
gefchichtlichem Werthe und wird bei Forfchungen z. B.
über das mittelalterliche Kirchenjahr, feine Fefte (S. 43ff. j
und 48fr.) und Perikopen (S. Söff.), über die Verwaltung 1
und Vertheilung der geiftlichen Stellen (S. 42 und 70), über j
die Schule (S. 68), über milde Stiftungen (S. 72) und dergl. I
werthvolles Material darbieten.

Zur Gefchichte der wiedertäuferifchen Bewegung in
Deutfchland im Reformationsjahrhundert, die eine viel
weitere Ausdehnung gehabt hat, als man bisher annahm,
und der man deshalb mit Recht ein erhöhtes kirchen-
gefchichtliches Intereffe entgegenbringt, liefert Prof. Dr.
Hänfen einen Beitrag:,Wiedertäuferin Eiderftedt'(S. 176 fr.).
Schon in feinem Auffatze im 5. Hefte des I. Bandes der
,Beiträge und Mittheilungen': ,Der David-Joriten-Prozefs
in Tönning 1642' hat er einleitend in kurzen Zügen die
Ereignifse gezeichnet, die er hier nun weiter ausführt. Aus j
dem Gardinger Propftei-Archiv und dem Staatsarchiv in
Schleswig, fowie aus den Bibliotheken in Kiel, Hamburg
und Kopenhagen ftand ihm reichhaltiges urkundliches
Material zu Gebote (Protokolle von Verhören der Wiedertäufer
, verfchiedene Confeffionen u. dergl), das er vielfach
in extenso mittheilt.

Archivrath Dr. Jacobs in Wernigerode behandelt aufs
neue (f. .Beiträge und Mittheilungen', I. Bd. 4. Heft S. 3off.
,Anton Heinrich Walbaum und die pietift. Bewegung in
den Herzogthümern Schleswig und Holftein' und Theol.
Lit.-Zeitung 1901 Sp. 456f.) die Gefchichte des Pietismus
in Schleswig-Holftein (S. 239ff.); er berichtet von der
erften Anfiedelung der Brüdergemeinde im überelbifchen 1
Lande, von der Colonie,Pilgerruh1 bei Oldesloe und macht I

dann auf Grund des Walbaum'fchen Tagebuches, das wir
fchon aus feinem eben citirten Auffatze kennen, höchft
intereffante Mittheilungen darüber, wie die .Erweckten'
die feelforgerliche Pflicht gegen einander auffafsten und
auszuüben trachteten.

Ins Gebiet der kirchlichen Kunft führt Joh. Biernatzki's
Arbeit: ,Die Meifter des Gottorfer Fürftenftuhls' (S. 87fr.).
Von diefem wunderbaren Kunftwerk aus den erften Jahrzehnten
des U.Jahrhunderts, einem der berühmteften im
Lande, wufste man nicht zu fagen, wer es gefchaffen; man
riet auf italienifche Künftler. Biernatzki weift an der Hand
der Gottorfer Amtsrechnungen Andres Salgen, Hoftifchler
auf Gottorf, und Jürgen Gower, einen Bildfehneider, als
die Meifter nach, denen der Stuhl feine Entftehung verdankt
; erfterer hat ihn begonnen, letzterer ihn vollendet.

Unter den kleineren Beiträgen feien noch die ,Harm-
fiana' (S. 97ff.: einige Briefe von Klaus Harms, fein Con-
firmationseintrag, fein Univerfitäts- und feine Examens-
zeugnifse, feine Säcularpredigt im Jahre 1801 u. a. m.,
veröffentlicht von C. Rolfs, E. Michelfen und Chr. Harms)
genannt.

Eine fehr dankenswerthe Aenderung gegenüber dem
I. Bande liegt darin, dafs jetzt jeder Band fortlaufend
paginirt wird und nicht mehr jedes einzelne Heft wieder
mit der Seitenzahl 1 beginnt.

Efchershaufen i. Brfchw. Ferdinand Cohrs.

Loesche, Georg, Geschichte des Protestantismus in Oesterreich
. In Umriffen. Im Auftrage der „Gefellfchaft für
die Gefchichte des Proteftantismus in Oefterreich".
Tübingen 1902, J. C. B. Mohr. (VII, 251 S. gr. 8.)

M. 2.— ; geb. M. 2.50

Ref. hat das hübfeh ausgeftattete, in jener frifchen,
Loefche eigenartigen Dictiongefchriebene Büchlein mit dem
Bedauern leiner Kürze in die Hand genommen. 251 Seiten
kleinen Formates für die Gefchichte des Proteftantismus
in dem Umfange eines Reiches wie Oefterreich und mit
einer fo bewegten, fchmerzvollen Entwicklung, wie fie
kein Land deutscher Zunge aufzuweifen hat, das ift wenig.
Loefche felbft bezeichnet die Arbeit, die er heute bietet,
nur ,als Abfchlagszahlung' für ein gröfseres, ,auf breitefter
bibliothekarifcher und vornehmlich archivalifcher Grundlage
' geplantes Werk, ja als .vorläufigen Notbehelf'. Das
ift faft zu befcheiden. Denn bei aller Kürze bietet L.
doch das Wefentliche. Ja, bei der genaueren Betrachtung
des Buches ift man überrafcht durch die Fülle des
Stoffes, der hier zufammengedrängt und doch über-
fichtlich gruppirt ift.

Loefche hat die Gefchichte des Proteftantismus fehr
gefchickt in zwei allerdings ungleiche Theile getheilt,
in das Zeitalter der Reformation und der Gegenreformation
S. 1 —198 und die Zeit vom Toleranzpatente bis zur
Gegenwart, von der Duldung bis zur Gleichberechtigung
S. 199—245. Diefe Eintheilung entfpricht ganz dem
Gange und der wirklichen Lage der Dinge. Im erften
Theile fchildert L. zunächft das Verhalten der Herrfcher
im Allgemeinen, dann führt er durch die einzelnen Kronländer
Niederöfterreich, Oberöfterreich, Inneröfterreich,
Salzburg, Tirol, die Sudetenländer, Böhmen, Mähren,
Schießen, Galizien und die Bukowina. Meifterhaft find die
kurzen Charakteriftiken der Herrfcher und ihrer Religionspolitik
, z. B. Ferdinands I. und Maximilans II. Ganz
befonders intereffant ift Ferdinand II., der nicht nur die
Glaubenseinheit unter dem furchtbarften Gewiffensdruck
und dem Blutvergiefsen des dreifsigjährigen Kriegs,
fondern auch die Staatseinheit fchafft und die Selbft-
ftändigkeit des Staates gegenüber der Kirche ftärkt und
den Rechtskreis der Krone erweitert, auf welchem Wege
fein Sohn, der Jefuitenzögling Ferdinand III., ihm folgt,
indem er für die Giftigkeit päpftlicher Bullen und Breven
das ftaatliche Placet als Vorbedingung aufhellt.