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Ausgabe:

1902 Nr. 13

Spalte:

371-374

Autor/Hrsg.:

Grill, Julius

Titel/Untertitel:

Untersuchungen über die Entstehung des vierten Evangeliums. Erster Teil 1902

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 13.

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XXI) befonders werthvoll ilt; ein ausführliches Sachregifter
(S. 101 —103) bildet den Abfchlufs.

Der Druck ift correct; als einzige Druckfehler find

führte Unterfuchungen ergänzen hier die bisherigen Philo-
forfchungen, wobei fich der Verf. durch den fchwanken
und fchwebenden Gebrauch, welcher die Terminologie

mir S. 60 Z. 1 des (ftatt : das), S. 61 Z. 8. v. u. W. A. 1 diefes Schriftftellers charakterifirr, in der Verfolgung feines
(ftatt : W. M.) Müller aufgeftofsen. Zieles weder aufhalten noch gar an deffen Erreichbarkeit

Marburg. Kraetzfchmar. ' zweifelhaft machen läfst Infonderheit fei hingewiesen auf

die Entfcheidung der bekannten Streitfrage nach der Per-

Grill, Prof. DD. Julius, Untersuchungen über die Entstehung fönlichkeit des Logos im negativen Sinne (S. 143 im
des vierten Evangeliums. Erfter Teil. Tübingen 1002, Gegenfatz zu Johannes S 170 f.) und auf die Löfung einer

J. C. B. Mohr. (XII, 408 S. gr. 8.) M.

Abermals eine weitfchichtige, auf zwei Bände angelegte
Unterfuchung über das johanneifche Evangelium!
Bevor das vollftändige Werk vorliegt, wird der Recenfent
fich nur darauf gewiefen fehen, die Lefer diefes Blattes
mit dem Gange der Unterfuchung und mit den wichtigften
Ergebnifsen bekannt zu machen.

anderen im Sinne der Identität von Xoyoq und Oocpia
(S.. 149h)- Dafs aber diefe oocpia gerade in demjenigen
Evangelium, mit deffen Gedankenwelt fie eine erfichtliche
Verwandtfchaftzeigt, im johanneifchen, ganz ausgefchieden
und unferem Verf. zufolge durch die d/lr/Vtia erfetzt ift
(S. 201 f.) — eine an fich allerdings höchft auffallende
Thatfache — wird vermitteln einer abermals recht gründlich
geführten Unterfuchung der gnoftifchen Syfteme aus

Zu eigentlichen,Ergebnifsen', die etwa fofort regiftrirt 1 der ihr in diefen widerfahrenen Degradation erklärt; der
worden könnten, bringt es freilich der erfte Band im Grunde j Evangelift vermeidet auf diefem Wege die Gefahr einer
gar nicht. Er ift ganz nur einer begriffsgefchichtlichen ; Mifsdeutung feiner Ideen in der Richtung nach dem
Analyfe des Prologes gewidmet, während der zweite die i gnoftifchen Dualismus (S. 200). Dafs der Verf. nicht

Eigenthümlichkeit des Evangeliums behandeln foll, ,wie
fie fich auch abgefehen von dem in jeder Hinficht grundlegenden
Prolog geltend macht' (S. 384). Dafs diefer
wirklich die Grundvorausfetzung der johanneifchen Dar-
ftellung ausmacht, dafs der johanneifche Chriftus aus
dem Logosbewufstfein redet und den aus dem Logosminder
zu Haufe ift in den Begriffsdichtungen der
griechifchen Philofophie, zeigt die folgende Gefchichte des
Begriffes gcoz; und der verwandtfchaftlichen Beziehungen
desfelben zur Vorftellung des Lichtes (S. 212f. 219!.).
Nach einem erften Abftecher in das' Gebiet der ähnliche
Probleme behandelnden indifchen Speculation (S. 223 b),

begriffe fich ergebenden Folgerungen entfprechend handelt, fehen wir den Verf. auf feinem eigenften Arbeitsgebiete
wird zunächft eingehend und erfchöpfend nachgewiefen thätig, wo er den altteftamentlichen Begriff des Lebens
(S. 31—88). Neu aber ift hier und einen erften Streitpunkt (S. 225b) und in ganz befonders eingehender und bebegründend
, abgefehen etwa von einer anmerkungs- lehrender Weife die in der apokryphifchen und pfeud-
weife eintretenden Erörterung über den paulinifchen Aufer- epigraphifchen Literatur des Spätjudenthumes vertretenen
ftehungsleib (S. 70b), hauptfächlich dies, dafs der, Menfchen- j Vorftellungen von Leben, Auferftehung und Ewigkeit
fohn' fchon Dan, 7,13 als ein Engelwefen höherer Ordnung, j behandelt(S. 230b). Einer noch unmittelbareren Anbahnung
nahe verwandt mit dem ,Engel des Herrn' als der höchften | des johanneifchen Lebensgedankens dient die Darlegung
Hypoftafe des fich offenbarenden Gottes gedacht fein ! fowohl der populäreren Durchfchnittsanfchauungen des
(S. 50—57. 171) und im unmittelbaren Anfchlufse daran | Neuen Teffamentes über Gott als Lebenfpender und fein
auch der fynoptifche terminus auf ein zwar menfchenähn- 1 urfächliches Verhältnifs zum Heilsgut, als auch fpeciell
liches, aber doch als göttliche Mittlerhypoffafe unter den | der bezüglichen paulinifchen Zufpitzungen des Begriffes
Begriff des Engels fallendes Wefen führen foll (S. 63. 69), (S. 236b 251b) Parallel mit diefen Ausführungen läuft
fo dafs hierdurch, wie wir fpäter erfahren, ,die Synthefe eine dem Begriffe des Lichtes gleichfalls zunächft in der
des Göttlichen und des Menfchlichen im immanenten < hebräifchen und fpätjüdifchen Literatur, dann in den nicht-
Wefen Gottes felbft begründet wird' (S. 358). Der Schwer- j johanneifchen Stücken des Neuen Teffamentes gewidmete
punkt der hier gebotenen Leiffung ruht aber nicht auf Studie (S.259f.), die in eine Darlegung derEntwickelungsge-
folchen Speculationen. Vielmehr war der ganzen Be- 1 fchichte des finnlich-überfinnlichen Begriffes Kabod = <joga
trachtung über den Logos fchon eine andere, den Begriffen , ausmündet (S. 271b). Jetzt erft kommt es zu einem an
von Licht und Leben gewidmete, vorangegangen, die eben Vollffändigkeit des in Betracht gezogenen Materials nichts
in diefen Namen die eigentlichen Cardinalbegriffe des mehr zu wünfchen übrig laffenden Nachweife des Sinnes,
Evangeliften, die Angelpunkte, in denen fich feine Ge- welchen der vierte Evangelift und der Verfaffer des erften
fchichtsdarffellung bewegt, finden lehrtfS. 1—31); der Logos | Briefes mit dem Ausdrucke ^corj und rpcög, bezw. doga
fei nur ihr gemeinfamer Träger (S. 87b). Damit hätten ! verbinden (S. 285 b). Bezeichnend für das Refultat ift der
wir ,die eigentlich fundamentalen und treibenden Ideen' ! Satz: ,Das Leben im religiöfen Sinn des Heilslebens ift
beifammen, auf deren inneren Zufammenhang, fowie auf die ftetige organifch einheitliche Thätigkeit eines von Gott
ihr Verhältnifs zu den analogen Ideen der Gedankenwelt durch Chriftus den empfänglichen (gläubigen) Menfchen mit-
der biblifchen, der claffifchen und der orientalifchen Reli- getheilten, feiner Natur nach fortgehend aus dem gött-
gionen es der Verf. laut Vorwort (S. V) abgefehen hat. , liehen Urquell fich erneuernden und vervollkommenden
Den Grund dazu legt er mit einer zergliedernden Paraphrafe j Kräftevermögens, das nicht nur (und das zunächft) rein
des Prologes (S, 89—105) und einer Vorgefchichte des ; geiftig, nach der Seite des Bewufstfeins, ethifch und fitt-
johanneifchen Logos (S. 105—206). Nicht weniger als ! lich-intellectuell, als Entwicklungsprinzip wirkfam ift,
33 Seiten füllen die Parallelen, welche fich ihm bei der j fondern auch für die phyfifche Verklärung, die geiftleib-
Lectüre Philo's (nach Cohn und Wendland, fo weit mög- liehe Vollendung des menfchlichen Perfonwefens, die
lieh) aufgedrängt haben. Drummond und Aall find hier reale Bedingung bildet und von Anfang an das Gefühl
mannigfach überboten, aber neben der Fülle von Be- der Befeligung erregt' (S. 306). Wo das metaphyfifche
rührungspunkten wird auch dem Eindrucke der Diftanz , Moment der Unzerftörbarkeit noch befonders hervor-
Rechnung getragen, welchen die Parallelen hinterlaffen. Es ; gehoben werden foll, ift von ,ewigem Leben' die Rede,
ift ,der Grundunterfchied des Offenbarungsgefchichtlichen Wie für diefen, fo erweifen fich die Ausfagen des Prologes
beim Evangeliften und des Natürlich-Rationalen bei Philo' > auch für den Begriff des Lichtes als maafsgebend und
(S. 129). Indem jener anftatt des unhebräifchen und un- grundlegend. Er hängt eigentlich am Begriffe des Lebens,
biblifchen philonifchen Begriffes der Vernunft feinem fofern alles Licht feinem Wefen nach ausftrömende Lebens-
Xöyog im Anfchlufse an den biblifchen Ausdruck die Be- kraft ift und auch feine Wirkungen wieder .Leben' heifsen,
deutung Wort zu Grunde legt, hat er ihn von rein offen- freilich mit der näheren Beftimmung, dafs diefer Begriff
barungsgefchichtlichen Prämifsen aus zu beleuchten ge- im Unterfchiede von dem biblifchen Durchfchnittsgebrauch
wufst (S. 168). Aufserordentlich forgfältig und genau ge- ; als foteriologifcher durchweg ethifch gefafst ift (S. 309).