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Ausgabe:

1902 Nr. 11

Spalte:

328-329

Autor/Hrsg.:

Kolde, Theodor

Titel/Untertitel:

D. Joh. Teuschlein und der erste Reformationsversuch in Rothenburg o. d. Tauber 1902

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 11.

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und vom Vatergott ift die gleiche geblieben: aus der Da der Verf. es befcheidentlich unterläfst, mag um

Väterlichkeit Gottes ergiebt fich die Gewifsheit, dafs er '• fo mehr hier bezeugt werden, dafs von feinem Buche
den Menfchen den Inbegriff aller Heilsgüter, d. h. eben j mittlerweile (1892) eine englifche Ueberfetzung erfchienen
das Reich, nicht vorenthalten, fondern fchon jetzt fo ! ift, wie es denn überhaupt in England und Nordamerika
weit möglich fchenken wird (S. 209. 229). Das Reich I viel gelefen wird und zur Verbreitung deutfcher Theologie
Gottes bleibt das ,Hauptthema der Predigt Jefu' (S. 157). das Seine beiträgt. In diefer Richtung dürfte auch die
Aber das unterfcheidende Gepräge, welches ihm hier | bekannte Mittelftellung, welche es in der johanneifchen
zukommt, ift durch die Gottesanfchauung bedingt. Frage einnimmt, von günftigen Wirkungen begleitet ge-
Ein Fragezeichen möchte ich bei Vergleichung derfelben 1 wefen fein, während in formeller Beziehung die ausgiebige
mit dem altteftamentlichen und jüdifchen Gottesbilde Breite und Gemeinverftändlichkeit der Darfteilung dem
zu der Bemerkung machen, dafs der Vatername in der , englifchen Gefchmacke entgegenkommt,
apokryphifchen Literatur zur Seltenheit geworden fei Strafsburg i. E. H. H o 11 z m a n n.

(S. 102, vgl. Dalman I, S. 151). Erheblichere Bedenken 1

werden fich an die Art und Weife knüpfen, wie hier i Ko|(J prof D Theodor, D. Joh. Teuschlein und der erste
die berühmte Streitfrage nach dem zukünftigen oder ■>!_*■ u-nu-u j-ro

gegenwärtigen Reiche, bezw. nach dem rein himmlifchen i Reformationsversuch in Rothenburg o.d.T. Sonderabdruck
Charakter des erfteren zu löfen verfucht wird durch Unter- aus der Feftfchnft der Univerütat Erlangen zur Feier
fcheidung eines fpeciellen und eines allgemeinen Sinnes, des achtzigften Geburtstages Sr. Königlichen Hoheit

in welchem jefus vom Reiche Gottes fpreche (S. 2S9f. 265). j des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Erlangen

Im Wefentlichen hält unfer Verf. fonach feine frühere j Lej j A Deichert Nachf ( 6 g Lex g}

Pofition auch gegen neueften Anfturm feft. Auch die r . B ~ M

.Sanftmüthigen, welche das Land ereben werden', kommen M- 1,20

zwar jetzt zum Worte, werden aber durch Quellenkritik Die nur 35 Seiten umfaffende Schrift — von S. 36

unfchädlich gemacht (S. 221. 228). Kann man in diefen an enthält fie werthvolle Beilagen: mehrere Briefe Teufch-

Parthien immerhin die Nachwirkungen verfolgen, von
denen die Verhandlungen der letzten Jahre in Bezug
auf Dispofition und Inhalt der Darfteilung des Verf.s
begleitet waren, fo find im fechften Capitel ,die Bedingungen
des Eintritts in das Reich Gottes' im engeren

lein's und Nachrichten über deffen Judex in divi Hiero-
nymi opera1 — führt uns einen reichen Stoff vor Augen.
Johann Teufchlein gehört zu den Männern, deren Frühjahre
noch ganz von mittelalterlichem Wefen beherrfcht
find — er mag etwa ein Altersgenoffe Luthers gewefen

Anfchlufse an die frühere Form (dort handelte Cap. 7 fein —, die aber dann den Uebergang von römifchen zu
von den ,Bedingungen der Zugehörigkeit zum Reiche evangelifchenAnfchauungen miterleben,und deren Lebens-

Gottes') gehalten, wiewohl es auch hier an Neuerungen
nicht fehlt (z. B. S. 302 f.). Ganz am Schlufse, als Cap. 7,
fteht jetzt die Abhandlung über ,die Gerechtigkeit', die

gang deshalb mit den verfchiedenflen Strömungen uns
bekannt macht, die das ausgehende Mittelalter und die
anhebende Neuzeit erfüllen.

früher das 4. Capitel gebildet hatte. Der grofse fünfte, l So fehen wir Teufchlein im Jahre 1511 um die
dem Meffiasthum gewidmete Abfchnitt, weift diefelbe j Rothenburger Prädicatur fich bewerben, die 1468 mit der
Anordnung auf wie früher. Beftimmung geftiftet war, ftets mit befonders tüchtigen

Erfreulich ift es, zu bemerken, dafs fich der Verf. Predigern befetzt zu werden, die zum minderten einen
an einer grundlegenden Erkenntnifs der erften Auflage | theologifchen Grad haben follten, und hören bei der Ge

(II, S. 130 f. 137. 427 f.) nicht hat irre machen laffen, wo
nach die Ausfprüche Jefu von feiner eigenen Stellung im
Reiche Gottes, von feiner Meffianität, von feinem Leiden
und Sterben und die entfprechenden Forderungen der
Schlufsperiode feiner Wirkfamkeit angehören, während das
Thema vom Reiche Gottes die ganze Dauer derfelben um-
fafst (S. 156 f. 413 f. 488 f.). ,Aberdiefe immer wieder Neues
producirende, fortfchreitende Urtheilsfähigkeit Jefu hatte
doch ihren Rückhalt in einer feft gefchloffenen principiellen
Gefammtanfchauung, die als ganze feinem Geilte deutlich
bewufst war und deren Bettand fich, foweit wir nach unferen

legenheit von dem eifrigen Bemühen zahlreicher Städte,
durch folche felbfleingerichtete Prädicaturen dem kirchlichen
Leben aufzuhelfen, da die althergebrachten Pfarren
nicht mehr zu genügen fchienen. Es war das auch ein
Zeichen des frommen Sinnes, der im ausgehenden Mittelalter
weite Kreife kennzeichnete, und der mit den Mitteln
der alten Kirche zu erreichen trachtete, was dann die
reformatorifche Bewegung erreichen follte, eine religiöfe
Erneuerung des Volkes.

Die erften Jahre der Rothenburger Thätigkeit Teufch-
lein's geben uns ein Bild von dem fanatifchen Judenhafs

Quellen zu urtheilen vermögen, während der kurzen Zeit 1 jener Zeit. In Regensburg hatte der Domprediger Dr.
feiner öffentlichen Wirkfamkeit nicht verändert und ent- Balthafar Hubmeier eine wüthende Judenhetze veranlafst,

wickelt hat' (S. 613). Diefes fchon in der erften Auflage
(S. 692 f.) formulirte Urtheil wird namentlich gegen die
von Johannes Weifs vertretene Theorie vom Wechfel
der Temperatur und Beleuchtung vertheidigt (S. 611 f.)
und bedingt den verhältnifsmäfsig glatteren und gleichhatte
das Volk zur Zerftörung der Synagoge aufgereizt
und es dann dazu begeiftert, an ihrer Stelle eine Capelle
,der fchönen Maria' zu erbauen. Allerlei Wunderzeichen
hatten fich dabei ereignet. Das bewog Teufchlein zu
ähnlichem Beginnen, zumal Hubmeier — wie Kolde ver-

mäfsigeren, aber auch ftimmungsloferen Charakter diefer muthet — ihn wohl direct dazu aufforderte. Auch in
Darftellung. Im Einzelnen mag noch hervorgehoben Rothenburg wurden die Juden ausgewiefen, auch hier
werden, dafs jetzt unter Berückfichtigung der neueften wurde die Synagoge gefchleift und unter ähnlichen Wun-
fprachlichen Forfchungen ,der Menfchenfohn' durch den j dem, wie in Regensburg, eine Mariencapelle errichtet.
Ausdruck ,der Menfch' erfetzt wird (S. 426 f.), ohne dafs Das gefchah in den Jahren 1519 und 1520, als Luther's

damit eine Aenderung im Refultate gegeben wäre, wo- | Thefen fchon Deutfchland durcheilt hatten und auch
nach die fragliche Selbftbezeichnung Jefu ,auf das Zu- j fchon in Teufchlein's Hände gelangt waren. Noch hatten

fammenfein feiner Menfchennatur und feiner Meffianität
hinweifen will' (S. 435). Ueberhaupt verfteht es der Verf.
trefflich, auch der Berückfichtigung neu aufgetauchter In-
ftanzen — ich erinnere beifpielsweife an das ,Löfegeld'
Mark. 1045 (S. 497 f.) — eine Wendung zu geben, die auf
nicht allzuweitem Umwege wieder auf den einmal eingenommenen
Standpunkt zurückführt, fo dafs der Abftand

fie nicht auf ihn eingewirkt, aber fehr fchnell mufs fich
dann die Umwandlung aus einem begeifterten Marienverehrer
in einen Anhänger Luther's bei ihm vollzogen
haben. Anfang 1523 ift er beim Bifchof fchon als Ketzer
verklagt.

Und nun lernen wir ihn noch als Vertreter zweier
Richtungen in der evangelifchen Bewegung kennen. Zu-

zwifchen beiden Auflagen in fachlicher Beziehung ein erft geht er in gefunden Bahnen. Kolde vermuthet in
fehr geringer ift. j ihm fogar den vornehmften Verfaffer des Gutachtens, das