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Ausgabe:

1902 Nr. 10

Spalte:

292-297

Autor/Hrsg.:

Erbt, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Purimsage in der Bibel 1902

Rezensent:

Kraetzschmar, Richard

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Theologische Literaturzeitung. 1902. Nr. 10.

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umgeftellt werden, trotzdem fühlt man fofort, dafs
Vers 5b als Anfang von Octaftich IV unpaffend ift, und
dafs der Schlufsvers 6 ein in fich zufammenhängendes
Hexaftich bildet. — In 5, 7—12 werden die 2 Octaftichen
gewonnen durch Befeitigung von 2 Stichen Vers 7 und 10
und von mancherlei kleineren Beftandtheilen. — Die
Schilderung des fremden Volkes Vers 15 —17 beginnt
mitten im Octaftich; nach den D.'fchen Streichungen
würden fich allerdings 2 Octaftichen ergeben, aber die
Verfetzung von Vers 13b hinter Vers I4b und die
Streichung von Vers I7b find dabei wieder ziemlich
willkürlich. — In 5, 26—31 haben D. und C. nach LXX
ftark geftrichen, dabei erhält Duhm in 26—28 3Triftichen,
deren Unbequemlichkeit C. durch weitere Streichungen
(nicht nach LXX) befeitigt. Dabei bliebe die läftige
Nebeneinanderftellung eines Versmonftrums wie Vers 29
neben dem Liliputvers 30. D. rechnet Vers 29 richtiger
als Diftich.

Nach diefen Proben, die fich leicht vermehren liefsen,
flehe ich nicht an, Cornill's Thefe vom Octaftich als der
metrifchen Form Jeremias für höchft beachtenswerth
zu erklären, glaube aber, dafs von einer ftrengen
Durchführung diefes Princips doch nicht wohl die
Rede fein kann, auch wenn man oder umfomehrwenn man
die durch Duhm's Unterfuchung klarer ins Licht geftellte
Unficherheit der Tradition des Textes beachtet.

Von diefem Gefichtspunkte aus wird man D. dann
auch in vielen Einzelftücken beiftimmen miiffen. Wenn
z. B. in 4, 20—31 C. und D. am Anfange einen und am
Schlufse 5 glatte Qinaverfe anerkennen, und C. dazwifchen
einen ganz unförmlichen und einen wenig guten Vers
erzielt, obgleich er nicht weniger als 5 Worte ftreicht,
fo wird man D. beizuftimmen geneigt fein, der nur durch
den Zufatz eines Wortes, durch Umstellung eines anderen
und eines Stichus lauter glatte Qinaverfe erhält. D.'s
Refultat ift einleuchtender als das C,'s, in den Mitteln
ift C. ebenfo draftifch wie 1 >. — In 20, 7—12 verändert
D. nur etwa 3 Worte mehr als C. und erhält glatte Qina,
während C. ein regellofes Versmaafs bekommt. — In
20, i4—18 ilt D.'s Refultat nicht fo einleuchtend, immerhin
werden durch etwa 6 Aenderungen im Text 10
einwandsfreie Qinaverfe möglich. — In 5, 1—6 erweifen
fich durch Streichung nur eines Wortes in Vers 6b von
15 Diftichen fofort 12 als Qinahaltig, wenn man im
wefentlichen der Abtheilung C.'s folgt und in Vers 1 c
mit D. das überfchüfsige nb nbDSI ftreicht. — Cap.6, 1—5
erweift fich fofort als Qinahaltig, wenn man mit D. den
fachlich ganz unpaffenden Vers ib ftreicht. Am Schlufse
des Capitels bieten Vers 22—26 fichere Qina, unter 12 lL
Diftichen 10 gute Qinaverfe. — Für ficher halte ich
Qina in 9, 1 (3 Verfe); 9, of; 9, ie—21 — wenn auch fehr
überarbeitet, II, isf. (allgemein anerkannt); 15, 10, 15—21
(allgemein); 17, of. (auch C). Danach kann man auch
in folgenden Stellen Qina für wahrfcheinlich halten,
allerdings nicht unter Billigung des hier oft fehr gewalt-
famen Verfahrens, das D. zur Reftitution des Metrums
einfchlägt: 8, 5-—9; 8, 14—17; 8, 18—28; 10, 17—22; 17, 1 — 1;
17, 1*—18.

Für abfolut mifslungen halte ich D.'s Reftitu-
tionsverfuche an folgenden Stellen, wo mir vielmehr
gleichfchwebendes Metrum vorzuliegen fcheint: 4, 23—26
(die Echtheit der Stelle war mir fchon vor 10 Jahren
zweifelhaft, und die krampfhaften Verfuche D.'s, die
Qina nachzuweifen, könnten darin nur noch mehr be-
ftärken); 5, 7—12, wo nur der Refrain Vers 9 für Qina
angeführt werden kann; 6, 27—30; 8, 4, das als Thema
der folgenden Rede vorangefchickt ift in anderem Versmaafs
; 8, 13 wieder Thema zur folgenden Rede; 9, 2—7
gleichfchwebendes Metrum, das vorangefchickte Qina-
thema ausführend; II, 18—20; 17, 5—8, wo auch D. und C.
ein eigenthümliches Metrum anerkennen; 18, 18—20, wo
auch C. keine Qina anerkennt.

Eine hübfche Uebereinftimmung zwifchen beiden

j Exegeten ift zu bemerken in 2, 14—17, wo beide mit
ziemlich denfelben Mitteln die Qina herftellen, auch beide
das in der LXX fehlende TTD "p^bia nya weglaffen,
D. nicht ohne eine vollbefriedigende Erklärung feiner
Entftehung zu geben. Nur zieht C. aus dem ftraffen
Metrum den Schlufs auf befondere Entftehung des
Stückes, während D. es mit Recht im Zufammenhange
fefthält und lieber die vorhergehenden, nicht fo ftreng
gefügten Verfe von Vers 4—13 ausfcheidet. Ich erkenne
fein Urtheil in Bezug auf Vers 4—8 als berechtigt an,
finde aber nicht den Muth, die Stelle, welche Jahwe als
die lebendige Quelle feiert, zu ftreichen. Auch hier ift
Qina leicht herzuftellen.

Näher ins Einzelne zu gehen, ift zwecklos, da man
in einer Anzeige ausführliche Beweife an einzelnen

j Worten und Halbverfen nicht geben kann. Ich wiederhole
in Bezug auf Duhm, dafs ich feine Beobachtung der
einzelnen ,Lieder', aus denen die echten Stücke zufammen-
geftellt find, für abfolut richtig halte, (etwa mit Ausnahme
von Cap. 2 u. ä.), dafs ich mit ihm vielfach in diefen
Einzelliedern ein feftes Metrum, wenn auch nicht immer
Qina, anerkenne, während in den ,Verbindungsftücken'
vielfach poetifche Profa vorliegt. Nur die Frage fcheint
mir nicht entfchieden, ob die Verbindungsftücke lediglich
auf Gloffatoren und Bearbeiter zurückzuführen find.
Es ift doch recht viel beachtenswerthes in ihnen enthalten
, und ein fo bedeutendes Capitel wie das 7. auf un-
felbftändige Rabbinen zurückzuführen, erfcheint mir allzukühn
. Die Worte vom Tempel zu Silo, von der
Mördergrube, von der Königin des Himmels, von der
Nichtmofaicität des Opferdienftes bilden eine herrliche
Perlenkette, die man nicht allein durch die Hypothefe
einer Biographie Jeremias erklärt, von der wir fonft keine
Kunde haben.

Königsberg. Friedrich Giefebrecht.

Erbt, Dr. Wilhelm, Die Purimsage in der Bibel. Unterteilungen
über das Buch Efter und der Efterfage
verwandte Sagen des fpäteren Judentums. Ein Beitrag
zur vergleichenden Religionsgefchichte. Berlin icpo,
G. Reimer. (V, 92 S. gr. 8.) M. 2.40

Es ift eine fcharffinnige und gelehrte Unterfuchung,
die der Verf. hier darbietet, aber dafs fie die Löfung des
Efterproblems wefentlich gefördert hätte, wagt Recenfent
bei aller Anerkennung der Tüchtigkeit des Buches nicht
zu behaupten.

Die Arbeit zerfällt in neun Abfchnitte, deren erfter
I (S. 1—5) eine Ueberficht über die Literatur zu dem in
Rede flehenden Buche und Probleme in anerkennenswerther
Vollftändigkeit giebt. An Ergänzungen und Nachträgen,
die auch für die neueften Commentare von Wildeboer (1898)
und Siegfried (1901) gelten, kann ich hier folgende, die
mir gerade zur Hand find, beibringen: Steinthal, zu Bibel
und Religionsphilofophie, S. 53ff.; P. E. Faivre, Le livre
d'Esther et lafite de Poitrim 1893; Sal. Posner, Das Targ.
Rifchon zu dem bibl. Buche Efther 1896; J. Gruenthal, Die
fyr. Ueberfetzung zum B. Efther 1900; G. Jahn, Das B.
Efther 1901; H. Winckler, Altor. Forfch. III, I, 1, 1901;
I. Seifenberger (kathol.), Die BB. Esdras, Neh. und Efther,
in Kurzgef. wiff. Commentar der hl. Schriften A. T., Wien
1901. —

Der II. Abfchnitt betitelt fich: Der gegenwärtige
Stand der U nterfuchung (S. 5—15). Ausgehend von
methodologischen Erörterungen giebt der Verf. fodann
eine Ueberficht über die einfehlägigen Arbeiten von Bloch,
Graetz, Willrich, de Lagarde, Hitzig, Zimmern, Jenfen,
Gunkel, Schwally. Während die drei erften auf griechifchen
Urfprung des Feftes zurückgehen und Willrich gar das
griechifche Efterbuch für das Original und das hebräifche
für eine Ueberfetzung davon anfleht, dachte Hitzig an
parthifch-fkythifchen, de Lagarde an perfifchen (far-