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Ausgabe:

1902 Nr. 9

Spalte:

279-281

Autor/Hrsg.:

Bassermann, Heinrich

Titel/Untertitel:

Zur Frage des Unionskatechismus 1902

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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279 Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 9. 280

hernach Abfaffungszeit, Inhalt und Textüberlieferung
befprochen. Man wird diefen Ausführungen beiftimmen
muffen.

Die Dialoge felbft handeln namentlich von dem
Ausgange des heil. Geiftes. Allgemeines Intereffe
können fie daher wenig erregen. Stärker als der Verf.
möchte ich betonen, dafs der Text der Verhandlungen
nur fehr unvollkommen uns überliefert fein mufs. Ja,
ich möchte annehmen, dafs der überlieferte griechifche
Text nicht in feiner urfprünglichen Faffung, fondern
nur in einer Ueberarbeitung vorliegt, die ein fpäterer
Grieche in orthodoxem Intereffe hergeftellt hat. Schon
das mufs auffallen, dafs der rgaixög überwiegend das
Wort führt, er ift der belehrende, der Aaxlvog fagt
wenig, er wird belehrt. Was der letztere fagt, ift dazu
inhaltlich mehr oder weniger unbedeutend, feine Ver-
theidigung des Filioque unglücklich, wie Verf. felbft
zugiebt (S. 19). Und das Refultat ift, dafs Anfelm fo
ziemlich feine Sache preisgiebt. Das fteht doch im
Widerfpruche mit dem Ergebnifse feiner Disputationen
mit Nicetas von Nicomedien, die uns von lateinifcher
Seite in glaubwürdiger Geftaltung aufbehalten find. Vgl.
namentlich den Schlufs des II. Buches (Migne S. L.
Band 188 Seite 1209). Um noch eine Einzelheit anzuführen
, die mir die Annahme einer fpäteren griechifchen
Bearbeitung der Dialoge ebenfalls nahe legt, fo hat
Bafilius dem II. Dialoge nach (S. 51) auch mit Beweis-
ftellen aus Auguftin operirt. Ift Auguftinus den Byzantinern
vor dem 14. Jahrhundert bekannt geworden?

Hannover. Ph. Meyer.

Herrmann, Prof. D.W., Ethik. Zweite Auflage. (Grund-
rifs der theologifchen Wiffenfchaften. Fünfter Theil,
zweiter Band.) Tübingen 1901, J. C. B. Mohr. (XII,
204 S. gr. 8.) M. 3.60; geb. M. 4.60

Von H.'s Ethik (vgl. meine Anzeige in ThLZ 1901
Nr. 14) ift erfreulicher Weife fchnell eine zweite Auflage
nothwendig geworden. Bei einem fo reifen Producte
ruhiger Denkarbeit fand der Verf. natürlich nicht gleich
Anlafs zu wefentlichen Aenderungen. Aber an vielen
einzelnen Stellen hat H. doch zu Seffern gefucht. Meift
handelt es fich nur um kleine Umftellungen oder Zufätze,
um das Gedankengefüge klarer zu machen. Als wichtigere
Zuthaten find mir aufgefallen: der letzte Abfatz in § IO
(S. 2g{.), wo H. noch einmal thetifch und antithetifch
die Art kennzeichnet, wie er die Ethik durch Heraushebung
der Gedanken, deren Herrfchaft in uns ein fitt-
liches Verhalten ausmacht, zu begründen fucht; ferner
ein Zufatz gegen Ende des § 23 (S. 141), wo er betont,
dafs die mit der chriftlichen Frömmigkeit nothwendig
zufammengehörige fittliche Autonomie auch den Geringen
im Volke an den Regungen der Nächftenliebe verftänd-
lich werde; dann ein Zufatz in § 24 (S. 144 f.), wo er die
Nothwendigkeit der Theologie für das kirchliche Inftitut
und die nothwendige Kirchlichkeit einer rechten Theologie
hervorhebt. Ein früher am Schluffe diefes § 24
flehender Paffus in Betreff des ,Erlaubten' ift jetzt in
den § 31 einverleibt.

Jena. H. H. Wen dt.

Bassermann, Prof. D. Heinrich, Zur Frage des Unionskatechismus
. Eine Darftellung feiner gefchichtlichen Ent-
wickelung in Baden nebft praktifchem Ergebnis. Tübingen
1901, J. C. B. Mohr. (VII, 85 S. u. 34 S. gr. 8.) M. 2.—

Der Herr Verfaffer gliedert feine Schrift nach einer
Einleitung in zwei Theile. Der erfte Theil ift eine ge-
fchichtliche Darfteilung der Katechismusbeftrebungen in
Baden während des 19. Jahrh. und verläuft in vier Ab-
fchnitten: I. Der frei - fyftematifche Unionskatechismus !
(S. 5—3S), II. der traditionell-combinirte Unionskatechis- j

mus (S. 35—-53), III. der vermittelnde Unionskatechismus
(S. 53—72), IV. Ergebnifse (S. 72—8$). Der zweite ge-
j fondert paginirte Theil enthält den Entwurf eines bibli-
; fchen Unionskatechismus (S. 1—34). Auf Grund der Acten,
i die dem Herrn Verf. vom Grofsherzoglichen General-
i Landes-Archiv und vom badifchen evangelifchen Ober-
! kirchenrath zur Verfügung geftellt find, wird uns ein
überaus feffelndes Bild der Arbeiten und Kämpfe um
die Herftellung eines brauchbaren Unionskatechismus
I der badifchen Landeskirche entrollt. Man hat es dort
mit drei verfchiedenen Arten des Katechismus verfucht;
dem frei-fyftematifchen von 1834 folgte der nach feinem
Verf. benannte Ullmann'fche Katechismus des Jahres 1856,
der den kleinen Katechismus Luther's und den Heidel-
! berger in einander zu weben in gefchickter Weife ver-
fuchte, und diefem folgte der jetzt noch gebrauchte vermittelnde
Unionskatechismus vom Jahre 1882. Es erfreut
in der Darftellung die klare und fichere Leitung durch
die verfchlungenen Wirrnifse der Verhandlungen und der
Streitigkeiten, das bei aller Unmifsverftändlichkeit ruhige,
linde und gerechte Urtheil, die vornehme fachliche Haltung,
in der der Gefchichtfchreiber, obgleich perfönlich am
Kampfe theilnehmend, über den Parteien fteht. Die dar-
geftellte Entwickelung und die Sachlage felbft ift freilich
weniger erfreulich. Wie die beiden erftgenannten Katechismen
rafch abgewirthfchaftet haben, fo fcheint auch dem
jetzigen von 1882 ein befferes Loos nicht befchieden zu fein.
Den Hauptfehler der feitherigen Verfuche fieht der Herr
Verf. in dem falfchen Beftreben, nicht nur ein Lehrbuch
für die Jugend, fondern auch ein Bekenntnifsbuch in dem
Katechismus herzuftellen, in dem Widerftreite der kirchlichen
und der pädagogifchen Intereffen. Dazu kommt
die beiderfeitig decidirte Stellung der einander wider-
ftrebenden Richtungen fog. liberaler und pietiftifch-
orthodoxer Theologie, für die ein Ausgleich in abfeh-
barer Zeit nicht zu erhoffen ift. Jene prägte dem
Katechismus von 1834 ihren Charakter auf, diefe dem
Ullmann'fchen Katechismus, während der von 1882 eine
Vermittelung beider Richtungen verbuchte, die fchliefs-
lich keinen Theil befriedigte.

Aus der Katechismusgefchichte der letzten 70 Jahre
zieht der Herr Verf. feine ,Ergebnifse'. Sie lauten allerdings
etwas radical. Denn nichts Anderes fordern fie,
als dafs man von allen Verfuchen, einen Unionskatechismus
herzuftellen, ein für allemal Abftand nehme.
Für die längft confolidirte rheinifche Provincialkirche fei
ein Unionskatechismus möglich, und auch da nur, indem
eine Reihe anderer Katechismen geftattet fei, für Baden
fei er unmöglich. Was hier zu erftreben, fei ein
Katechismus ohne Lehrfätze; er müffe enthalten: 1. die
Zufammenftellung der fünf alten katechetifchen Haupt-
ftücke (Gefetz, Glaube, Gebet, Taufe, Abendmahl nebft
der Haustafel), 2. ein in diefe eingefügtes, forgfam ausgewähltes
und gut angeordnetes Material von Bibel-
fprüchen, 3. Ueberfchriften, die dies Material gliedern
und überfichtlich machen. Auf die hl. Schrift fei aller
Nachdruck zu legen; auf der Bibel und auf ihr allein
müffe fich die religiöfe Bildung unteres Volkes auferbauen
. Den Entwurf eines folchen von dem Herrn Verf.
empfohlenen Katechismus legt er uns im 2. Theile feiner
Schrift vor. Die Gliederung des ganzen Entwurfes mit-
zutheilen und an den ausgewählten Schriftftellen Kritik
zu üben, verbietet der Raum; zur Einficht in die Art fei
nur Weniges angeführt: Einleitung. Unfer Chriftenftand:

1. feine Herkunft (Gal. 327), 2. feine Art (Rom. 147. 8.),
3. fein Segen (4 Sprüche). Erltes Hauptftück. Das Gefetz
oder der Wille Gottes: 1. feine Offenbarung (4 Sprüche),

2. fein Wortlaut (der Dekalog Ex. 20), 3. feine Auslegung.
Das I. Gebot (5 Sprüche) u. f. w. Zweites Hauptftück:
DerMenfch 1. feine Beftimmung (3 Sprüche), 2. feine Natur
(5 Sprüche), 3. feine Abkunft (3 Sprüche), 4. feine Sünde
(8 Sprüche), 5. fein Elend (8 Sprüche). Drittes Hauptftück:
Der Glaube oder die Erlöfung u. f. w.