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Ausgabe:

1902 Nr. 1

Spalte:

6-11

Autor/Hrsg.:

Kreyenbühl, Johannes

Titel/Untertitel:

Das Evangelium der Wahrheit. Neue Lösung der Johanneischen Frage. Erster Band 1902

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 1.

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antworten, als man zumeift annimmt. Was babylonifch, j Kreyenbühl, Dr. Johannes, Das Evangelium der Wahrheit.

äygyptifch, indifch, griechifch (thrakifch) oder perfifch Neue Löfung der Johanneifchen Frage. Erfter Band,
ift, läfst fich fehr oft viel fchwerer ausmachen, als die j Berlin 1900, C. A. Schwetfchke & Sohn. (VI, 752 S.
Thatfache, dafs etwas aus dem Synkretismus' flammt. gr 8) M 20 —

2. Manche Parallelen der religiöfen Entwickelung — dazu
rechne ich auch die .Hoffnung' — beruhen einfach auf
Grund,gefetzen' des menfchlichen Geifteslebens überhaupt

Verfaffer ift Privatdocent der Philofophie in Zürich
und will fein grofses Werk (wenn der 2. Band an Umfang

und brauchen nicht hiftorifche Uebertragungen zu fein, dem I. gleichkommt, wird es anderthalb taufend Seiten
Das dritte, was mir an diefem Buche fehr beachtens- füllen) mindeftens ebenfo fehr als eine philofophifche, wie
werth fcheint, find feine Bilder. Dafs man in wiffenfchaft- als eine theologifche Leiftung gewerthet wiffen (S. 30).
liehen Werken altägyptifche oder griechifche oder indifche j Der Gegenftand, welchem fie gewidmet ift, ,ift fehr zu
Bilder abdruckt, das gilt für zuläffig, auch mittelalterliche j feinem Nachtheile bisher faft ausfchliefslich von zünftigen
Teufelsdarftellungen und Holzfchnitte von Flugblättern des ! Theologen behandelt worden' (S. 12), während er doch
16. Jahrhunderts mögen noch geftattet fein, aber höchft ,der Natur und Aufgabe der Philofophie, wie wir fie in
überrafchend wird man finden, dafs hier auch Schnorr i der chriftlichen Zeit verftehen, im Innerften verwandt ift'

von Carolsfeld, ja Henneberg's Jagd nach dem
Glück' und Safcha Schneider's .Gefühl der Abhängigkeit
' eine Stelle gefunden haben. Ueberrafchend
in der That, und doch bei näherem Zufehen ebenfo

(S. 50) — derjenigen Philofophie nämlich, deren be-
deutendfte Syfteme feit Plato und Ariftoteles bis auf
Leibniz, Kant, Fichte, Schelling, Hegel, Lotze und Teichmüller
herab auf der Grundlage einer religiöfen Erfahrung

lehrreich wie wiffenfchaftlich gerechtfertigt. Oder hatte der j aufgebaut und in diefem Sinne .theologifch' waren. In-
Künftler, der mit feinem Meifsel das Bild der Tiamat ! fonderheit ift es die von dem Letztgenannten vertretene
in den Stein prägte und damit der finftern Naturmacht, j Erkenntnifs des Wefens des perfönlichen Geiftes, welcher

die er fürchtete, Geftalt verlieh, mehr Recht, berück
fichtigt zu werden, als Safcha Schneider, der dem modernen
Gefühle des erdrückenden Laftens der Gefell-
dem Individuum in feinem Bilde Ausdruck

die abfchliefsende und höchfte Geftalt aller Wirklichkeit
ift, darin der ,grofse Unbekannte' ihm vorangegangen ift,
als welcher bisher der vierte Evangelift gegolten hat.
Suchen müffen wir diefen .gröfsten myftifchen Denker,

gab? Ich bekenne, dafs ich aus den Bildern und ihrer | den die ganze Chriftenheit hervorgebracht hat' (S. 52.
oft auffallenden Zufammenftellung aufserordentlich viel 1 vgl. S. 641), jedenfalls unter denjenigen Geftalten, welche
gelernt habe. Da fleht neben Henneberg's Jagd nach l eine Umgeftaltung des Culturproceffes in den pofitiven

dem Glück' (S. 345) ein Holzfchnitt aus der Zeit Luther's,

Perfonalismus des Erlöfungsproceffes ins Werk gefetzt

der dasfelbe Motiv zur Grundlage hat; da fleht neben haben, welcher die Philofophie der chriftlichen Cultur-
einem antiken Fries mit dem Gigantenkampfe (S. 100), | menfehheit bis auf den heutigen Tag geblieben ift und

Dürer's Darftellung des Kampfes im Himmel, Apk. 12;
da findet man das Gorgoneion vom Schilde der Athene des
Phidias, eine antike Maske der Medufe und die Medusa

in alle Zukunft bleiben wird (S. 25).

So kennzeichnet die Einleitung (S. 1—53) den philo-
fophifchen Standpunkt der Betrachtung. Jetzt erft werden

Rondanint aus der Münchener Glyptothek (S. 206 f.): )fjie Zeugnifse für das Evangelium' unterfucht, zuerlt die
ganze Abfchnitte der Kunft- und Culturgefchichte laffen l ^alfchen' (S. 54—82), dann die .wahren' (S. 82—145). Neu
fich aus diefen Bddern herauslefen und doch auch wieder, j ift hier namentlich der Verfuch, die bei lrenäus V, 362
wie trotz alles Fortfchreitens der Menfehheit, ,der Menfch | vorkommende Stelle Joh. 14 2 aus Henoch abzuleiten (S.61
immer derfelbe1 bleibt, auch in dem, was ihm böfe und —66); wobei fich der Verf. dem Scheine ausfetzt, den äthi-
teuflifch ift. Andererfeits (teilen uns die Bilder in einer
Weife, wie Befchreibungen es nie vermögen, vor Augen,
wie man fich die Geftalten der Teufel und Dämonen in
den verfchiedenen Zeitaltern gedacht hat. Diejenigen
unter uns, die fo viel Gewicht darauf legen, dafs auch
,dies Stück ins Evangelium gehöre', würden fehr über-
rafcht fein, wollte man ihnen zumuthen, fich Teufel und
Dämonen wirklich in antiker Weife vorzuftellen, wie fie
hier abgebildet find.

Der Schlufsabfchnitt erörtert das philofophifche Problem
des Böfen, von einem moniftifchen Standpunkte aus,

opifchen und den flavifchen Henoch zufammenzuwerfen
und aus Schürer's zweiter Auflage Auskunft für eine Schrift
zu beziehen, welche zur Zeit, da jene Auflage erfchien,
noch gar nicht bekannt war (S. 65). Im Uebrigen wird
die Betonung einer gänzlichen Verfchiedenheit des Zu-
fammenhanges, in welchem jenes Wort beim Evan-
geliften und bei den Presbytern vorkomme, nur auf
denjenigen einen Eindruck machen, welcher überhaupt
dem urfprünglichen Zufammenhange einer Stelle irgend
welche entfeheidende Bedeutung für die in Sachen
der Schriftbenutzung und des Schriftbeweifes übliche

der aber doch, wie einen Nomotheismus (God the ulti- 1 Praxis des Urchriftenthums beimifst. Erwägenswerth
wate authority forcouduet, S. 466, aber not existente itself, bleibt dagegen Anderes, z. B. die Frage, ob und inwie

S. 465), fo auch die Pofitivität und Objectivität des Uebels
und des Böfen anerkennt, indem morality is that wlüch is
in aecord with the law of evolution (S. 458). Dies Gefetz
der Evolution geht dahin, .höheres Leben' zu erzeugen.
Was aber .höheres Leben' ift, das hat Verf. nicht definirt
(S. 461). So erfcheint mir das Problem hier nicht gelöft,
fondern nur mit Hilfe darwiniftifcher Ausdrucksweife zu-
rückgefchoben. Die Nichtexiftenz des Teufels und der

weit die Berührungen mit Johannes, die man bei Juftin
und in den clementinifchen Homilien gefunden hat, eher
auf ein unkanonifches Evangelium zurückweifen. Eine
unbezweifelbare Benutzung des vierten Evangeliums liegt
bei Juftin wenigftens dann nicht vor, wenn die dafür angerufenen
Thatfachen leicht auch eine anderweitige
Erklärung zulaffen. Unfer Verf. glaubt, wie fich noch
zeigen wird, eine folche bieten zu können (S. 79). Gegen

Dämonen gilt dem Verf. für erwiefen, wahrend fich hier j meine Annahme, der Stern johanneifcher Gedanken
untere Dogmatiker zum Theil noch immer in wunderlichen bildungen erglänze erftmalig, wenn gleich noch von ferne
Unklarheiten bewegen Wie und warum der Teufelsglaube bei Juftin, macht er (S. 82 f., 104) als weitere Entdeckung

in Wefteuropa, foweit es auf Bildung Anfpruch macht,
untergegangen ift, ift immer noch von Niemand recht
wiffenfehaftlich dargeftellt. Es wäre ein höchft intereffantes

zunächft geltend, dafs folches Aufleuchten vielmehr fchon
früher in gnoftifchen Kreifen zu bemerken fei (S. 128 f.),

wmenicnaiuicn aargeiteii^; u.s wäre ein nochlt interellantes und zwar zunächft bei Bafilides, deffen ignymtfia zw ar
Ihema. So viel man bis jetzt weifs, ift der Teufel 1 allerdings die Parabel Luc. 16 20 f., aber in demfelben
weniger an wiffenfchafthchen Widerlegungen geftorben Intereffe der Theodicee doch wohl auch Joh. 91-3 be-
als an dem Ekel und Abfcheu vor dem Gebahren derer, j rückfichtigt haben, überdies mit dem 4. Evangeliften den
die an ihn glaubten und ihn mit Folter und Scheiter- 1 Gebrauch feiner .beiden Lieblingsbilder'(S. 91) rnrnq und
muten bekämpften. axoria und den Glauben an eine .alles rettende, nichts

°nn- Heinrich Weine). 1 verdammende, alles hingebende, alles opfernde Liebe