Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1902 Nr. 8

Spalte:

247-250

Autor/Hrsg.:

Hyperius, Andreas

Titel/Untertitel:

Elementa christianae religionis 1902

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

247

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 8.

248

durch eine Arbeit von J. Didlo: Die Brüderunität im I
erften Exil (in czechifcher Sprache mir nur nach dem
eingehenden Referate von Loefche in J. G. Pr. Oe. 1901,
S. 237 h bekannt), ihre Befestigung, und auch eine kleine
Ergänzung erhalten hat. Als mildernd für die Rückfichts-
lofigkeit a Lasco's den Böhmen gegenüber dürfte darauf
hingewiefen werden, dafs Calvin die Kozmineker Union
gebilligt hatte; damit konnte aLasco glauben, die Böhmen
halb auf feiner Seite haben. —

,A Lasco übernahm in der zweiten Phafe des Sacra-
mentsftreites die Rolle, welche Butzer in der erften ge-
fpielt hatte. Daher feine Hochachtung vor diefem Reformator
' (S. 205). Das ift richtig, und ebenfalls ift gut
beobachtet der Ünterfchied zwifchen dem Unionswerke
Butzer's und dem a Lasco's: ,was a Lasco wollte, war
nicht Union, fondern Unterordnung' (S. 207). Man
wird annehmen dürfen, dafs a Lasco felbft diefe Differenz
bewufst gewefen ift; denn trotz aller Hochachtung vor
Butzer exemplificirt er, fehe ich recht, feine Unionspläne
niemals an der Wittenberger Concordie, fondern greift
auf das Marburger Colloquium zurück, dasfelbe freilich
dahin verdrehend, ,dort fei die Zwingli'fche Lehre ....
einftimmig gutgeheifsen und angenommen worden'(S. 108).
Auch die Art und Weife, wie a Lasco den Begriff unio
sacramentalis verwerthet, läfst fchliefsen auf bewufste
Differenz von Butzer. Diefer Begriff verdient Beachtung,
weil er im Sacramentsftreite eine — von K. wie von
anderen gewöhnlich überfehene — Rolle gefpielt hat.
Bei den böhmifchen Brüdern wird er für das Reformationszeitalter
bedeutfam; gerade die ftatt fcharfer be- j
grifflicher Fixirung das Wie? der unio von Leib und Blut
Chrifti mit den Elementen in das Wort sacramentalis
legende Lehre war für Unionszwecke brauchbar; das
sacramentalis war weit genug für verfchiedene Auf-
faffungen, zumal die Böhmen felbft in der näheren Definition
ihrer Auffaffung über Unklarheiten nicht hinauskamen
(vgl. K. S. 164 Anm. 1, Müller in: Mon. Germ,
paed. Bd. IV S. 117 ff.). Der Begriff unio sacramentalis
bez. sacramentaliter uniri hat die Böhmen Luthern fym-
patifch gemacht (vgl. mein: Luther und die K. G. I
S. 206 ff.), und in Butzer's Wittenberger Concordie ift er
der eigentliche Concordienbegriff (vgl. Lang: der Evan-
geliencommentar Butzer's und die Grundzüge feiner Theologie
S. 274fr.).1) Es ift nun lehrreich zu fehen, dafs a Lasco
den Begriff lediglich formal gebraucht, dafs für ihn
in demfelben ein Lehrinhalt nicht mehr liegt, er in
Folge deffen verfchiedene Arten der unio sacramentalis
kennt (vgl. die tractatio de sacramentis von 1552; opp.
ed. Kuyper S. 117 ff.). Das aber, was früher (inhaltlich)
der Begriff unio sacramentalis bedeutet hatte, oder
wenigftens hatte bedeuten können, legt a Lasco in den
Begriff mysterium {ib. S. 141 ff.). Offenbar hat die Scheu,
dem Lutheranismus Raum zu geben, ihn bewogen, die
von Butzer noch bevorzugte inhaltliche Faffung der
unio sacramentalis preiszugeben.

Giefsen. W. Köhler.

Hyperius, Andreas, Elementa christianae religionis. Neu

herausgegeben mit einer Abhandlung: Ueber die Be-
ftrebungen des A. Hyperius auf dem Gebiete der prak-
tifchen Theologie, von Prof. D. Walter Cafpari. Erlangen
u. Leipzig 1901, A. Deichert Nachf. (III, 76 S. 1
Lex. 8.) M. 2.—

Hyperius, Andreas, Homiletik und Katechetik. Verdeutfcht
und mit Einleitungen verfehen von DD. E. Chr. Achelis
und Eugen Sachffe. Berlin 1901, Reuther & Reichard.
(IV, 214 S. gr. 8.) M. 3.—

Die Gefchichte des kirchlichen Lebens und damit
zufammenhängend der kirchlichen Praxis ift erft neuer-

1) vgl. auch bei K. 20, 31, 152 Anm., 164 Anm. 1.

dings mehr und mehr zum Gegenftande derkirchengefebicht-
lichen Forfchung gemacht worden. So hat fich auch erft
in den letzten Jahrzehnten auf den Marburger Profeffor
Andreas Hyperius (geft. dafelbft den 1. Februar 1564),
der nicht als Mann des öffentlichen Lebens, auch nicht
als Dogmatiker, fondern— wie wir heute fagen würden —
vor allem als Lehrer der praktifchen Theologie Bedeutung
hat, das Intereffe gerichtet.

Nachdem Jahrhunderte lang fein Name in literarifchen
Publicationen überhanpt nicht genannt worden war, hat
im Jahre 1781 zuerft Heinrich Balthafar Wagnitz wieder
auf ihn aufmerkfam gemacht, indem er von der zweiten
Ausgabe feiner nachher noch näher zu bezeichnenden
Homiletik einen Neudruck veranftaltete; weitere Beachtung
hat feine Arbeit aber damals nicht gefunden. Dagegen
haben F. W. Haffenkamp's (Heffifche Kirchengefchichte
II 453 f. 489f.), Wilh. Mangold's (Deutfche Zeitfchrift für
chriftliche Wiffenfchaft und chriftliches Leben 1854), IC
L. Steinmeyer's (Die Topik im Dienfte der Predigt 1874)
und K. F. Müller's (Andr. Hyperius, ein Beitrag zu feiner
Charakteriftik 1895) Publicationen fchon mehr für Hyperius
zu intereffiren gewufst, und namentlich haben M. Schian's
Auffätze über feine Homiletik in der Zeitfchrift für praktische
Theologie (1896 S. 289!!.; 1897 S. 27fr. u. i2off.)
feine hohe Bedeutung für die kirchliche Praxis klargelegt.

So ift es kein Wunder, dafs faft gleichzeitig unabhängig
von einander zwei bedeutfame Publicationen fich
mit Hyperius befchäftigen. Cafpari hat in der Feftfchrift
der Univerfität Erlangen zur Feier des achtzigften Geburtstages
des Prinzregenten Luitpold von Bayern eine
Abhandlung über des Hyperius Beftrebungen auf" dem Gebiete
der praktifchen Theologie veröffentlicht und hat diefe
dann unter Hinzufügung eines Neudruckes der Elementa
christianae religionis — d. i. Hyperius' Katechismus —
auch als Sonderdruck herausgegeben. Achelis und Sachffe
haben fich vereinigt, die Homiletik und Katechetik des
Hyperius — den Originaltiteln nach: De formandis con-
cionibus sacris se?i de interpretatione Scripturarum popii-
lari und: Decatecliesi— dem heutigenTheologengefchlecht
wieder zugänglich zu machen.

Andreas Hyperius ift ein Kind feiner Zeit. Das zeigt
fich an mehr als einem Zuge auch gerade in feinen uns
nunmehr wiedergefchenkten Büchern. Wiederholt tritt
feine humaniftifche Werthfehätzung der alten Mufter auf
Koften felbft der bedeutfamften Leiftungen feiner Gegenwart
zu Tage: Cyprianus, Chryfoftomus, Bafilius und Gregor
von Nazianz rühmt er als excellcntissimi concionatores;
von Luther's Kirchenpoftille weifs er nichts. Die heilige
Schrift ift ihm nicht nur Regel und Richtfchnur in Glau-
bensfachen, fie ift ihm auch mafsgebend für Fragen der
kirchlichen Praxis, ja für rein technifch-wiffenfchaftliche
Fragen. Nicht nur mufs die Stelle Hebr. 61 f. ihm
dienen, um als die gottgewollten Rubriken des kateche-
tifchen Lehrftoffes die Bufse von toten Werken, den
Glauben an Gott, die Taufe, die Lehre und die Handauflegung
feftzuftellen, in die er dann auf fehr künftliche
Weife die traditionellen Hauptftücke hineinzwängt; er
leitet auch die genera concionum aus Bibelfprüchen ab:
II. Tim. 3i<; und Rom. 154 führen nach ihm auf das
genus doctrinale, redargutivum, institutivum, correctorhan
und consolatorium. Von der Herrfchaft der alten Rhetorik
,deren Regeln durch Melanchthon's Elementa rketorices
auch für die Homiletik als mafsgebend hingeftellt waren,
fucht Hyperius die letztere frei zu machen, aber darin
geht er ganz in Melanchthon's Spuren, dafs die doctrina
ihm entfehieden die vornehmfte Aufgabe der Predigt ift.

Daneben aber vertritt Hyperius Gedanken, mit denen
er feiner Zeit weit voraufeilt, ja die heute zum Theile für
uns noch in der Zukunft liegen. Schon die Loslöfung
der Homiletik von der Rhetorik, die erft lange, nachdem
er fie als nothwendig erkannt, wirklich erreicht worden
ift, gehört dahin. In feiner Betonung des vorwiegend
praktifchen Charakters der Theologie begegnen uns