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Ausgabe:

1902

Spalte:

241-243

Titel/Untertitel:

Zwingliana. Mitteilungen zur Geschichte Zwinglis und der Reformation. 1901. (Bd. I, Nr. 9 u. 10.) 1902

Rezensent:

Bossert, Gustav

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241

Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 8.

wie bei Veit Stöfs und der Laienfchwefter Anna Stoffin
Vgl. Veefenmeyer, Kleine Beiträge zur Gefell, des Reichstages
zu Augsburg. S. 291 Z. 3 v. u. L Guardian, S. 288
Z. 8 ift lins nicht links, fondern leife. K. Herwart wird
als Leifetreter charakterifirt. Den Nafallaut haben die
Schwaben noch.

Diefe neue Bearbeitung der Reformationsgefchichte
von Augsburg ift eine fehr werthvolle Gabe, der man nur
die Fortfetzung bis zum Kalenderftreit und der Gegenreformation
wünfehen kann. Aber in einem Stücke ift in
der neuen Bearbeitung ein Rückfehritt gegen die erfte
Bearbeitung zu beklagen: das ift die Stellung der Anmerkungen
. 1881 gab Roth die Anmerkungen unter dem
Texte. Das ift für den Lefer weitaus die angenehmfte
und für den Werth der Anmerkungen vortheilhaftefte
Stellung. Der Verein für Ref.-G. ftellt neuerdings die
Anmerkungen an den Schlufs des Textes. Das ift aber
nur dann erträglich, wenn bei den Anmerkungen
Seitenüberfchriften die Seiten angeben, auf die fich die
Anmerkungen beziehen, wie z. B. in der Württb. Kirchen-
gefchichte, Stuttg. und Calw 1893. Diefe Stellung der
Anmerkungen erfchwert des Nachfchlagen immerhin, man
mufs das ganze Buch umklappen und in einem ganzen
Walde von Anmerkungen, die dann häufig drei kleine
Ziffern umfaffen, die nicht leicht zu finden lind, mit den
Augen umherirren. Die allerunvortheilhaftefte Stellung
ift die von Roth gewählte, hinter jedem Capitel, wo man
dann immer erft in der Inhaltsüberficht fuchen mufs, mit
welcher Seite das Capitel aufhört, um zu wiffen wo die
Anmerkungen beginnen. Da nun einmal bei derartigen
Werken Anmerkungen nicht zu entbehren find, ja oft für
den Forfcher die werthvollften Winke enthalten, fo wäre
es der Mühe werth, wenn der Centraiverein der deutfehen
Buchhändler eine Freisaufgabe die richtige Stellung der
Anmerkungen erörtern liefse.

Nabern. G. Boffert.

Zwingliana. Mitteilungen zur Gefchichte Zwingiis und der
Reformation. Herausgegeben von der Vereinigung für
das Zwinglimufeum in Zürich. Redaktion: Prof. Dr.
Emil Egli. 1901. 2 Nrn. [Nr. 9 u. 10.] Zürich 1901,
Zürcher & Furrer. (S. 185—250 gr. 8 mit 3 [ifarb.]
Beilagen).

Die beiden kleinen Hefte von je 2 Bogen bieten
auch diesmal Manches, was über den Rahmen der Pro-
vincialkirchengefchichte hinausgeht und Intereffe verdient.
Voran fleht die Charakteriftik des Bifchofs Hugo von Landenberg
von Conftanz und feiner Beziehungen zu Zürich
und Zwingli, der von dem Bifchof hoffte, er werde fich
für die Reformation entfeheiden. Man wird Egli zuge-
ftehen, dafs Hugo im Ganzen und reiativ als würdiger
Prälat erfcheint, aber der Mann hatte zu wenig Mark in
den Knochen und zu wenig fittliche Energie, um die
Reformation im Anfange anders als ein gefchicktes Werkzeug
zur Abwehr päpftlichen ,Ueberdranges' zu begrüfsen.
In den gleichzeitigen Briefen heifst er effeminatus, abhängig
von einer Jezabel. Vgl. Keim, Schwäb. Reform.-
Gefchichte S. 15. Egli hat den Beitrag zur Charakteriftik
des Bifchofs, welchen Ref. in den Blättern für württb.
Kirchengefchichte 1894 S. 23 ff. gegeben hat, nicht gekannt
. Die Gefchichte, die Luther in feinen Tifchreden
E. A. 61, 287 von dem ehemaligen Propfte von S. Marien
in Erfurt erzählt, ift ohne Zweifel wahr. Die Art, wie
er das ehebrecherifche, verführte Weib bei fich behielt
und endlich verftiefs, hebt den Bifchof nicht empor über
andere Standesgenoffen.

Zur Biographie Zwingli's erhalten wir die Notiz
von der vollendeten Reftauration feines Geburtshaufes,
das jetzt in das Eigenthum der deutfehreformirten Kirche
von St. Gallen übergegangen ift. Dann theilt Egli ein
Facfimile von Zwingli's Proteftation gegen des Auguftiner-

Provincials Konr. Treger Proteftation auf der Berner
Disputation mit. Diefes Schriftftück aus der Autographen-
fammlung des Grafen Viktor Wimpfen wurde f. Z. in
Graz zu 500 Kronen (!) ausgeboten, obgleich die Bedeutung
des Stückes keineswegs dem hohen Preis ent-
fpricht. Sodann werden die verfchiedenen Zwingli-Me-
daillen von Stampfer in ihrer Eigenart und Entftehung
behandelt.

Als Zwingli's Nachfolger war Oekolampad in Bafel
in Ausficht genommen. Bis jetzt wufste man nur, dafs
Leo Jud mit dem Basler Reformator verhandelt hatte,
jetzt erfahren wir noch, dafs auch Rudolf Ambühl oder
Collinus, der Lehrer des Griechifchen in Zürich, ihn
mündlich und brieflich für Zürich zu gewinnen fuchtc.
Egli theilt das ablehnende Schreiben Oekolampad's mit.
Ein anderer Brief aus der Zeit nach Zwingli's Tod ift
überaus bezeichnend für feinen Verfaffer. Es ift das
Schreiben Butzer's an Zwingli's Witwe vom 28. Nov. 1531,
in dem er bittet, feine Briefe an Zwingli zu verbrennen,
denn wenn auch mancher Brief ohne Aergernifs gelefen
werden könnte, fo feien doch andere darunter einer bösartigen
Deutung fähig. In Zürich willfahrte man Butzer
| infofern, als man Brieffchlufs und Adreffe in den Briefen
I befeitigte. Wir lernen hier Butzer aufs Neue als den
I geriebenen Diplomaten kennen, als der er im Sacraments-
ftreit und in der Ehefache des Landgrafen Philipp von
j Heffen erfcheint.

Recht dankenswerth ift, dafs Egli auf die eigenartige
amerikanifche Arbeit ,Hcroes of tlie Reformation'
aufmerkfam gemacht hat, deren 5. Band eine Biographie
und Theologie Zwingli's von zwei amerikanifchen Pro-
fefforen Jackfon und Fofter giebt, die ihre beförderen
Vorzüge hat.

Auf Zwingli's reiche mufikalifche Begabung und
Fertigkeit weift Finsler, der Herausgeber von Bernh.
Wyfs' Chronik hin, mit der glücklichen Erklärung von
Rabögli, der Tafchengeige, die Zwingli neben einer
ganzen Reihe anderer Inftrumente zu fpielen verftand.

In der Gefchichte der Toleranz und der Ketzer-
proceffe mufs der Rathfchlag des Berner Chorgerichtes
vom 24. Jan. 1533, welcher die Grundlage für das humane
Täufermandat vom 2. März 1533 bildet, beachtet
werden. Die bisherigen Grundfätze, die zur Strafe des
Ertränkens geführt hatten, wurden aufgegeben. Der
Venner Willading begründet die Verwerfung der Todes-
ftrafe mit dem Satze: Was der Menfch nicht geben
kann, darf er auch nicht nehmen. Berchtold Haller
machte geltend, Irrthümer ausrotten fei unmöglich, das
flehe nur Gott zu. Verfolgungen mehren nur den Anhang
. Er will deshalb den Täufern Religionsfreiheit ge-
ftatten, wenn fie fich flille halten, und eine Strafe nur
für öffentliches Auftreten gelten laffen. Auch wollte er
zwei bekehrte Täuferprediger als Werkzeuge zur Bekehrung
benutzt wiffen.

Die eigenartigen Zeichen auf der Blarermedaille vor
dem Munde des Reformators haben Lic. W. Köhler mit
Eph. 5, 4 (lateinifch) und D. G. Linder als phonetifch-
graphifche Darfteilung des Hahnenfchreies zu erklären
verflicht, aber das Räthfel ift noch nicht befriedigend
gelöft. Die Combination des Namens Blarer mit dem
Hahnenfchrei geftattet der fchwäbifchc Dialekt nicht.

Für die Biographie des Bündner Reformators Joh.
Komander oder Dorfmann ift nun die Herkunft aus
Maienfeld, der Beiname Hutmacher, feine Geburt um
1484/1485, feine Bildung in Bafel von 1502/3 an, gleichzeitig
mit Zwingli, und der Beginn feiner reformatorifchen
Thätigkeit in Chur 1523 ficher geftellt. Gegen feine
Identität mit dem Caplan Joh. Dorfmann in Ragaz
1515/1522 macht Egli die Verfchiedenheit der Hand-
fchrift geltend, aber diefe kann nicht allein entfeheiden.
Der Umftand, dafs Dorfmann fchon 1515 im Amte in
Ragaz geftanden wäre, kann gegen die Identität nicht
geltend gemacht werden. Denn ein Caplan von 30 Jahren