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Ausgabe:

1902 Nr. 7

Spalte:

210-212

Autor/Hrsg.:

Zimmer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Pelagius in Irland 1902

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 7.

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zweiter Hand entnommen und zwar, wie die Befchaffen-
heit lehrt, einem Werke, das lieh mit der Theologie des
Origenes befchäftigte. Denn fowohl VI, 9, 13 wie VI, I3,9f.
findet (ich die Erwähnung diefer Bücher zufammen mit
dem Hinweife auf die Schriften und die Theologie des
Origenes, auf die fich Athanafius darin berufen habe.

Ausführlicher find G.'s Erörterungen über die Benutzung
der Fasti Constantinopolitani und der Bifchofsliften.
Erftere find, wie G. aus der Uebereinftimmung mit
Hydatius, Prosper Marcellinus und dem Chronicon pa-
schale überzeugend nachweift, benutzt und den Angaben
über die aufserkirchlichen Ereignifse zu Grunde gelegt.
Der S. 45 bemerkte Fehler, durch den die Olympiadenjahre
vielfach um 2—3 Jahre differiren, läfst fich wohl
fo erklären, dafs er ein Exemplar der Chronik benutzte,
bei dem die Olympiadencolumne zum Theil verfchoben
war, oder was weniger wahrfcheinlich ift, er hat die Jahre
felbft umgerechnet und dabei fich öfters geirrt. Dankenswert
!) find auch die Zufammenftellungen der Daten über
die Bifchofsregierungen in Konftantinopel, Rom, Alexandria
und Jerufalem. Die Nachrichten, die Sokrates von
dem Novatianer Auxanon erhalten und in feiner Dar-
ftellung vervverthet hat, werden von G. genauer be-
fprochen, anderweitige Spuren mündlicher Ueberlieferung,
an denen es doch nicht ganz fehlt, dagegen unberück-
fichtigt gelaffen. Sehr knapp und nicht in allen Punkten
ausreichend ift auch die zufammenfaffende Behandlung
der Nebenquellen, (Eutropius, Kaiferbiographien, Julian,
Libanius, Themiftius, Archelaus, Gregor, Palladius, Eva-
grius, Georg v. Laodicea, Akakius, Eufebius Scholafticus,
historia Christiand).

Der letzte Abfchnitt gilt der Wiederherftellung des
Synodicus des Athanafius und des Werkes des Macedo-
nianers Sabinus. Der Reconftructionsverfuch des erfteren
geht aus von der Stelle I, 13, 12: mv (der Theilnehmer
an dem Concil von Nicaea) slg JcXrjQEq xa ovofiaxa xsl-
xae sv xm Svvoöixm A&avaoiov xov 'AXs^avÖQsiag ejii-
Oxojiov. Hierdurch werde, meint G., § II —13 als diefer
Schrift entnommen erwiefen, wie fchon Seeck angenommen
hat. Aber es ift mit dem Citat § 12 eine eigene Sache.
Zuvor hat Sokrates ausdrücklich verfichert, er wolle die
Namen der Bifchöfe, die er habe ausfindig machen
können, fammt den Sitzen und Provinzen auffchreiben.
Er beginnt auch wirklich mit der Aufzeichnung. So
nennt er — man vgl. die von Geizer veröffentlichten
Liften — Hofius, Biton, Vicentinus, Alexander v. Alexandrien
, Euftathius v. Antiochien, Makarius v. Jerufalem
und Harpokration v. Kynopolis. Dann bricht er aber
fofort ab, und verweift für die weiteren Namen auf den
Synodicus. Man wird ein folches Verfahren zum minderten
fehr verwunderlich finden müffen, zumal nach der
ausdrücklichen Verficherung, dafs er alle Namen, die er
finden konnte, aufzeichnen wolle. Wenn es ihm wirklich
zu langweilig war, fie aufzufchreiben, und er die Lifte
abbrach, warum ftrich er nicht auch jene Bemerkung?
Daraus folgt, dafs hier irgend etwas nicht in Ordnung
ift. Da nun die Nennung des Synodicus begründet ift
durch die unvollftändige Mittheilung der Lifte, die nach
dem vorhergehenden nicht in der Abficht des Autors
gelegen haben kann, fo ift das Citat fchwerlich aus der
Feder des Sokrates gefloffen. Aber wahrfcheinlich ift
der Fehler noch tiefer zu fuchen. Der Armenier lieft:
.Damals aber fchrieben die auf der Synode verfammelten
Bifchöfe auch anders nieder, was gewöhnlich Canoncs
genannt wird, dann gingen fie, ein jeder in feine Stadt.
Die Zeit der Synode aber war, wie wir in den Aufzeichnungen
(Acten, Denkwürdigkeiten, Briefen: alles dies
kann das armenifche Wort heifsen, das wörtlich .aufgezeichnete
Schrift' bedeutet) fanden, unter dem Confulate
des Paulinus und Julianus, am 20. Mai. Dies waren
630 Jahre von Alexander dem Könige von Macedonien,
aber von Conftantin's Herrfchaft waren es 15 Jahre'.
Folglich hat der Armenier 1. in feinem Exemplare

§ ut>. 12 überhaupt nicht gelefen, 2. die Datirung nach
Alexanderjahren durch die conftantinifche Epoche ergänzt
. Alle Schlüffe, die man auf § 12 aufgebaut hat,
find daher hinfällig und die Identificirung der stapaor]-
[lEimOEig mit dem Synodicus des Athanafius ift unmöglich.
Wieweit man der Notiz über den Synodicus überhaupt
Glauben fchenken will, wird davon abhängen, wie man
fich das Eindringen der Bemerkung in den Text des
Sokrates erklärt. Ift es die Randbemerkung eines
obfeuren Schreibers, fo verdient die Sache keine Berück-
fichtigung; denn wer weifs, was fich der unter dem Synodicus
des Bifchofs Athanafius vorgeftellt hat. Alle
Ausführungen G.'s S. 83 ff. fcheinen mir daher vollkommen
in der Luft zu fchweben, und die Frage vielmehr die zu
fein, ob nicht vielmehr Gelafius von Kyzikus dem Schreiber
der Notiz vorgelegen hat. Aehnlich fteht es mit der
Notiz über Sabinus. I, 8, 2£ lefen die griechifchen Hff.
des Sokrates: JSaßlvoq yctQ 0 xmv sv 'HpaxXsia xiqc Qgä-
xrq Maxsöovtavmv sstlöxojtog avvaymyijv mv öiacpogoi
smoxönmv (est. om. F M) ovvoöoi syyQdcpmg e^sömxav
üionqaäusvoq xovg (ihv ev Nixala mg äpsXslg xal iöimxaq
öieovqe urj cdöd-avöpEVog <>xc xal avxbv Evosßiov mg
lötmxrjv öiaßällEL. Dafür hat der Armenier: .Denn Sabinus
, der in Heraklea in Thracien Bifchof der Macedo-
nianer war, veranftaltete eine Sammlung vieler Synoden
durch Schrift, und verfpottete (wörtl. befchofs) die zu
Nicaea Verfammelten als einfältige und ungebildete
Leute, ohne zu bemerken, dafs er auch Eufebius felbft,
.... als einen Ungebildeten hinftellt'. Doch wird durch
diefe Lesart die Thatfache nicht beeinflufst, dafs Sokrates
die Sammlung des Sabinus häufig benutzt hat, fodafs
die Ausführungen G.'s an diefem Punkte ihre Gültigkeit
behalten. Den Befchlufs macht ein analytifcher Index.

Wenn man auch nicht allem, was G. ausführt, zu-
ftimmen kann, fo verdient fein Verfuch, in grofsem Mafs-
ftabe eine Quellenanalyfe durchzuführen, dankbare Anerkennung
. Wenn er die verfprochene Fortfetzung feiner
Arbeit, die fich mit Sozomenus und Theodoret befaffen
foll, liefert, wird fein kritifcher Blick fich noch gefchärft
haben und ihm dann möglich fein, Bedeutungsvolles noch
ficherer herauszuheben.

Zum Schlufse habe ich wegen der von mir verfchul-
deten Verfchleppung diefer Anzeige um Verzeihung zu
bitten. Ich würde die Verzögerung bedauern, wenn mir
nicht dadurch möglich geworden wäre, die armenifche
Ueberfetzung zu benutzen, deren Befitz ich der felbft-
lofen Güte von Lic. Dr. Karapet Ter Mkrttfchian in
Etfchmiadzin verdanke. Der Werth diefer Ueberfetzung.
die 1897 in einer vortrefflichen, von Mesrop Dr. Ter
Mosesean veranftalteten Ausgabe in Etfchmiadzin gedruckt
worden ift, erhellt fchon aus meinen obigen Ausführungen
, erfchöpft fich aber dadurch bei weitem nicht.
Ich hoffe fpäter Gelegenheit zu finden, an anderem Orte
zeigen zu können, wie überrafchend die Refultate einer
Vergleichung für den griechifchen Text find.

Darmftadt. Erwin Preufchen.

Zimmer, Heinrich, Pelagius in Irland. Texte und Unter-
fuchungen zur patriftifchen Litteratur. Berlin 1901,
Weidmann. (VIII, 350 S. gr. 8.) M. 12.—

Der den Kirchenhiftorikem rühmlich bekannte Kelto-
loge, Verfaffer des Artikels .Keltifche Kirche in Britannien
und Irland' RE3X, 204 fr. legt in dem obengenannten
Buche Forfchungen vor, zu denen er bereits feit 20 Jahren
das Material gefammelt hat. Der Titel des Buches .Pelagius
in Irland' ift nicht fehr glücklich gewählt, da er von
dem reichen Inhalte fchwerlich eine Vorftellung erweckt.
Zimmer beginnt mit einer Ueberficht über die Gefchichte
der Chriftianifirung Irlands. Unter Ablehnung der Patrik-
legende nimmt er an, dafs bereits im Laufe des 4. Jahrhunderts
den Iren das Chriftenthum durch die flamm-