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Ausgabe:

1902 Nr. 6

Spalte:

179-183

Autor/Hrsg.:

Daxer, Georg

Titel/Untertitel:

Der Subjektivismus in Franks „System der christlichen Gewissheit“ 1902

Rezensent:

Reischle, Max

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 6.

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gefchichtlichen Wiffen; die glänzende Probe davon ift 1 zeichneten, ferner gegen H. und E. Cremer, gegen Köftlin.
der Janus', über deffen Entftehung hier S.aSdf. authen- 1 Kaftan u. A. m. Nach kurzer Auseinanderfetzung des
tifche Mittheilung erfolgt: darnach .gehört der gröfste | Problems giebt der Verf. im erften Theil eine Dar-
Theil des Buches Döllinger, doch ift jeder Satz in Be- ftellung des Subjectivismus von Frank an der Hand des
rathung mit Huber gearbeitet worden'. Auf das Detail j ,Syftems der chriftlichen Gewifsheit'. Er beftimmt die

brauchen wir hier nicht einzugehen. S. 518 ff. folgt der
Nachweis der Autorfchaft Döllinger's an den .Römifchen
Briefen über das Concil von Quirinus'. Nachdem dann
in Rom die Würfel gefallen waren, und Döllinger fich
für das ,Fefthalten an der alten Kirche' entfchloffen hatte,
gab er am 29. März 1871 dem Erzbifchofe von München
die epochemachende Erklärung ab, dafs er ,als Chrift,
als Theologe, als Gefchichtskundiger und als Bürger' die
vaticanifche Lehre nicht annehmen könne (S. 571). Damit
war die Bahn für die altkatholifche Bewegung frei gemacht
. Ein weiterer Schritt war dieLoslöfung Döllinger's
von der Autorität des Tridentinums (S. 625). Da war
es ihm nun auch möglich, dem Proteftantismus gegenüber
die freundliche und achtungsvolle Haltung zu gewinnen
, die uns vergeffen laffen mag, was er in feiner
ultramontanen Zeit gegen uns veröffentlicht hat: der
Verf. der ,Reformation' und der .Lutherfkizze' ehrt als
Greis die überwältigende Geiftesgröfse Luthers' (S. 665)
und fieht gegenüber der erzwungenen Einheit der

wiffenfchaftliche Aufgabe, die fich Frank geftellt hat:
Frank will die chriftliche Religion verftehen nicht nur
als eine empirifche Thatfache, die jeder, auch der natürliche
Menfch, erkennen mufs, fondern als eine Welt
geiftlichen Lebens im Zufammenhange mit den geiftlichen
Realitäten, deren der ,geiftliche Menfch' gewifs ift. Darum
mufs er vor allem diefe chriftliche Gewifsheit, und
zwar vom chriftlichen Standpunkte aus, darlegen. Damit
ift die Methode gegeben, die er befolgen mufs, der Ausgangspunkt
, den fein ,Syftem der chriftlichen Gewifsheit'
in der Thatfache der Wiedergeburt und Bekehrung
nimmt, die Eintheilung des Syftems, und deffen Ver-
hältnifs zu den hiftorifchen Erkenntnisquellen, kurz der
ganze fyftematifche Charakter feiner Darfteilung, der dazu
zwingt, die objectiven Factoren, aus denen die chriftliche
Erfahrung erwächft, nicht an die Spitze zu rücken, fondern
erft fpäter folgen zu laffen. — Der zweite Theil,
der Haupttheil (S. 53—134), giebt eine Beurtheilung des
PTank'fchen Subjectivismus, indem der Verf. die wefent-

Papftkirche, ,in der fortgehenden Bildung von neuen j liehen Einwürfe, die dagegen erhoben worden find, fyfte-
kirchlichen Körperfchaften in der proteftantifchen Welt : matifch ordnet, ihre Wurzel aufzeigt und fie kritifch
kein Zeichen von Schwäche, fondern von religiöfer ■ prüft. Die Einwände richten fich zu erft dagegen, dafs
Triebkraft' (1889, Febr. 12. — S. 666.) Döllinger ftarb ' Frank die Gewifsheit der Wiedergeburt und Bekehrung
eines fanften Todes; möge fein Andenken gefegnet zum Ausgangspunkte feines Syftems wählt. Befonders
bleiben in ferne Zeiten! Dem Verf. aber gebührt unfer ; Gottfchick behauptet, dafs Frank's angeblich grundaufrichtiger
Dank, dafs er das innere Leben diefes ehr- ! legendes Princip gar kein folches fei; denn die Gewifs-
würdigen Confeffors uns vorgeführt und dem Ringkampfe ; heit der Wiedergeburt und Bekehrung hänge ab von
deutfeher Gewiffenhaftigkeit gegen jefuitifch-romanifche der Gewifsheit der Schuldfreiheit, und Frank felbft gebe
Gewiffensknechtung ein fehr beachtenswerthes Denkmal i an fpäterer Stelle dies zu. Der Verf. antwortet, dafs
gefetzt hat. I nach Frank allerdings in der objectiven Wirklichkeit die

Göttingen. Paul Tfchackert. I Schuldfreiheit.der^Wiedergeburt vorangehe dafs aber für

& das Subject die Schuldfreiheit doch erft damit eintrete,

dafs es Chrift werde, alfo mit der Wiedergeburt und
Daxer, Relig.-Lehr. Lic. Dr. Georg, Der Subjektivismus in Bekehrung, ja — logifch, nicht zeitlich betrachtet — nach

Franks Svstem der christlichen Gewissheit' Ein Beitratr derfelben- — Diefe Einwendungen weifen aber weiter
rranks System aer cnnstiicnen uewissnert,. cm Beitrag darauf zurücki dafs von Frank-S Gegnern die Aufgabe

zum Verftändnifs feiner Theologie. (Beitrage zur der theologifchen Wiffenfchaft anders beftimmt wird als
Förderung chriftlicher Theologie. Herausgegeben ' von Frank. Nach Gottfchick z. B. hat die theologifche
von A. Schlatter und H. Cremer. Vierter Jahrgang Wiffenfchaft die Aufgabe, eine folche Darfteilung der
1900. 5. Heft.) Gütersloh 1900, C. Bertelsmann, chriftlichen Wahrheit zu geben, welche fich unmittelbar
fn7 S er 81 M 2 20 'n kirchliche Verkündigung umfetzen läfst und diefer

^ ' ' ° ' eine directe Anleitung giebt. Frank dagegen unterfcheidet

Weber, Dr. Friedrich K. E., F. H. R. V. Franks Gotteslehre fcharf zwifchen Wiffenfchaft einerfeits, zwifchen Leben
und deren erkenntnistheoretifche Vorausfetzungen. ! und kirchlicher Praxis andererfeits und gewinnt damit
Ein Beitrag zur Gefchichte der Religions-Philofophie das Recht, in der Wiffenfchaft eine andere Reihenfolge
j t u u j t- t : „:„ ,„^t a t-v • , . i der Momente eintreten zu laffen, als fie im Leben fich

des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1901, A. Deich ert j darfteUt> das zeitHch Coexiftirende in ein logifches Nach-

Nachf. (XI, 76 S. gr. 8.) M. 1.60 einander aufzulöten, das Einzelne in der Betrachtung zu

Frank's energifche Denkarbeit, feine zähe Willens- ifoliren und zu abftrahiren. Daraus nun, dafs diefe Unterkraft
, fein hohes Pathos macht es verftändlich, dafs fich fcheidung Frank's aufser Acht gelaffen wird, gehen befon-
eine theologifche Schule um ihn gefammelt hat, die auch ders viele Vorwürfe gegen ihn hervor. Man verwechfelt
nach dem Tode des Meifters zufammenhält und befliffen , einmal Wiffenfchaft und Leben der Wirklichkeit: daher
ift, feine Gedanken zu popularifiren, zu vertheidigen und klagt man über Frank's Formalismus und verkennt, dafs
ihre Bedeutung für die Theologie der Gegenwart ins Licht es fich, wenn Frank die chriftliche Gewifsheit zunächft
zu fetzen. ! ohne ihre tragenden objectiven Gründe darftellt, nur um

I. Eine Vertheidigungsfchrift ift die Brofchüre von , eine vorläufige wiffenfchaftliche Abftraction handelt, und
Daxer. Ihm ift es ein ernftes Anliegen, von Frank den j dafs an ihrem Orte die Ergänzung der anderen Seiten folgt,
auch von Seiten der kirchlichen Theologie' erhobenen Man vermengt ferner chriftliche Gewifsheit und Heils-
Vorwurf des Subjektivismus' abzuwehren. Fr. Polftorff j gewifsheit, während Frank beide ftreng unterfcheidet.
mit feiner Schrift ,der Subjektivismus in der modernen Er wählt zwar bei der wiffenfchaftlichen Darfteilung der
Theologie und fein Unrecht, Gütersloh 1893' ift darum ! chriftlichen Gewifsheit den fubjectiven Ausgangspunkt in
der eine Hauptgegner, gegen den der Verf. fich wendet. Wiedergeburt und Bekehrung; aber nachdem er von da
Der andere ift Gottfchick, der in feinem Buche ,die aus die Gewifsheit der objectiven Factoren aufgezeigt
Kirchlichkeit der fog. kirchlichen Theologie geprüft, hat, kann er nun mit vollem Rechte die Heils gewifsheit
Freib. 1890' beftritten hat, dafs Frank's Syftem die I fürs Leben auf die objectiven Bürgfchaften hinweifen, an
kirchliche Aufgabe der Theologie genügend erfülle. ! die fie fich halten mufs. Ungerecht ift daher der Vor-
Gelegentlich polemiurt Daxer auch gegen andere Kritiker I wurf, dafs er die reformatorifche Begründung der Heils-
des Frank'fchen Syftems, am meiften gegen den Unter- j gewifsheit verrücke, oder dafs er ftatt der Autorität des