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Ausgabe:

1902 Nr. 6

Spalte:

176-177

Autor/Hrsg.:

Maltzew, Alexios von

Titel/Untertitel:

Liturgikon 1902

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1902. Nr. 6.

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notirt ift, was in der gottesdienftlichen Feier des betreffenden
Tages direct Bezug hat auf das Gedächtnifs
des Heiligen oder des Ereignifses in feinem Leben, dem
das Feft gilt. Es handelt fich alfo wefentlich um die ent-
fprechenden Lieder. Jeder Tag des Kirchenjahres ift,
wenn nicht Chrifto, fo einem Heiligen geweiht. Meift
kommen mehrere, oft eine ganze Reihe von Heiligen an
dem gleichen Tage zur Verehrung. Nicht nur Perfonen,
fondern auch Bilder haben ihren Feiertag, fpeciell eine
Menge Bilder der Jungfrau Maria, der navayia. S. LVIII ff.
ift ein alphabetifches Verzeichnifs der wunderthätigen
Bilder der Mutter Gottes gegeben, die die flavifchen
Kirchen befitzen, ich zähle rund 240: ein zweites Verzeichnifs
giebt eine dankenswerthe Ueberficht über die
Monatstage, an denen fie verehrt werden. Das orthodoxe
Kirchenjahr beginnt mit dem 1. September (dem
Tage der Weltfchöpfung). Daher das Arrangement der
beiden Bände des Menologions (Bd. I: September bis
Februar; II: März bis AuguTt). Maltzew hat allen Tagen
das betreffende Datum des gregorianifchen Kalenders
in Klammern beigefügt. Bis zum 1. März 1900 betrug
die Differenz des abendländifchen und morgenländifchen
Kalenders zwölf Tage, feither dreizehn. Da das Meno-
logion, wie Maltzew's ganze deutfch-flavifche Ausgabe
der heil. Bücher, einem praktifchen Bedürfnifse genügen
will (ich habe darüber früher berichtet, f. 1898, Sp. 492),
fo hat M. recht gethan, das Datum des neuen Stiles überall
hinzuzufetzen. Aber erft im zweiten Bande ift darauf Rückficht
genommen, dafs die Differenz fich mit dem neuen
Jahrhundert um einen weiteren Tag vermehrt hat. Aufser
den Monatstagen haben übrigens auch die Wochentage
eine befondere Bedeutung oder Beziehung. Jeder Sonntag
gilt co ipso einer Erinnerung an die Auferftehung
Jefu. Der Montag ift dem Gedenken der himmlifchen
Heerfchaaren, befonders der Schutzengel, gewidmet, der
Dienftag dem der Propheten, vorab Johannes des
Täufers (der Tag nach dem Fefte der Theophanie,
7. Januar, ift ihm im Befonderen geweiht, übrigens nicht
ohne dafs zwei moderne Heilige, der ,ehrwürdige Theo-
dofios von Uglitz', j- 5. Febr. 1696, kanonifirt 9. Sept.
1896, und der ,Neomartyr Athanalios von Attalia', f 1700
in Konftantinopel als Opfer der Türken, da auch verehrt
werden — wie kommen diefe an einen fo feierlichen
Tag?). Der Mittwoch erneuert immer das Gedächtnifs
an die Auslieferung Jefu zum Tode und ift in diefem
Sinne der Verehrung des h. Kreuzes benimmt. Der
Donnerftag gilt den Apofteln und ihren Nachfolgern,
den Hierarchen (an der Spitze der letzteren dem h. Ni-
kolaos von Myra). Am Freitag wird wieder das Kreuz
verehrt. Am Sonnabend endlich wird immer der
Gottesmutter und der Heiligen ,insgefammt', in Verbindung
damit der Verdorbenen, die dem Schutze der
Heiligen befohlen werden, gedacht. Die Gottesmutter
wird am Sonntag, Mittwoch und Freitag dets mit ihrem
Sohne zugleich verehrt, da de an deffen Leiden und
glorreicher Auferdehung geidig mit Theil hat. Ja, ihr
zu Ehren werden überhaupt alle Tage Lieder gefungen
und Gebete verrichtet.

Die Heiligen zerfallen in verfchiedene Kategorien.
M. theilt de ein, wie folgt: Propheten, Apodel, Hierarchen
, Bekenner, Gezeichnete {ygasctoi), Märtyrer, Grofs-
martyrer, Hieromartyrer (Märtyrer mit einem Grade des
Priederthums), Hofiomartyrer (Märtyrer, welche dem
Mönchthum angehörten), Ehrwürdige (pöiot, ebenfalls
Mönchmartyrer), Uneigennützige (dvccQyvQOi — welche
umfond Heilung fpenden), Asketen, Styliten, Selige und
Einfältige. Die letztere Claffe, die Iurodiwije, find in
Rufsland fehr geehrt. Vgl. über fie meine Confeffionskunde
I, 532 Anm.

M. hat für alle Heiligen, deren dasMenologion gedenkt,
kurze hidorifche Notizen betreffs ihrer Lebenszeit, Heimath,
Grofsthaten etc. zufammengetragen. Aehnlich orientirt
er über die wunderthätigen Bilder, ihr Alter, ,Er-

fcheinen' u. dgl. Ueber feine Quellen berichtet er in der
Vorrede zum erden Bande, S. X. Es find bekannte und
minder bekannte hagiologifche Quellen, vorab die flavifchen
Tscheti-Minäen. M. unterläfst nicht in beiden Bänden
ein Verzeichnifs derjenigen Heiligen aufzuhellen, welche
der orthodoxen und römifchen Kirche gemeinfam find.
! Eine ausführliche Abhandlung über die Verehrung der
j Heiligen, Reliquien und Bilder, die der Einleitung zu
Bd. I einverleibt id, bietet die officiellen Bedimmungen
und übrigens manche intereffante Notizen. Die eingehende
Schilderung der ,grofsen Fefte', die fich anfchliefst, enthält
auch manches Aufklärende. Ich entnehme daraus z. B.,
dafs der Vorabend des Weihnachtsfedes durch den
Genufs von Kolywa (Kutija) ausgezeichnet wird. Schon
am zweiten Tage des Januar (der erde gilt dem h. Ba-
filius) beginnen Vorbereitungen auf das Fed der Theophanie
, ein Beweis dafür, dafs die Erinnerung an die
urfprünglich gröfsere Bedeutung diefes Fedes noch nachwirkt
. Fällt Maria Verkündigung auf den Charfreitag
I oder den h. Sabbath, fo wird das Fed derfelben in den
Pfarrkirchen (nicht in den Klödern!) auf den Oder-
I fonntag verlegt. Der zweite Band wird durch eine Abhandlung
über ,Gnadenorte und Wallfahrten' eingeleitet,
j Einen treuen Gehilfen feiner Arbeit hat M. auch dies-
' mal, wie in den früheren Werken, an Herrn Bafilios
Goeken gehabt. Im Einzelnen wird nicht unterfchieden,
was der eine und der andere beigedeuert hat. Es id eine
fehr mühfame, meid forgfältige Arbeit, die fie nunmehr
zu Ende gebracht. Auch der bede Kenner orientalifch-
liturgifcher Dinge im Abendlande, Profeffor Nilles S. J.
in Innsbruck, hat fie wiederholt anerkannt und gerühmt.
Meinerfeits möchte ich hervorheben, dafs das Deutfche
der Ueberfetzung feiten Anlafs zur Beandandung bietet.
Beide Herausgeber fprechen offenbar das Deutfche
mit voller Geläufigkeit und mit entwickeltem Verdänd-
nifse für die Befonderheiten der Ausdrücke. Eine kleine
praktifche Unebenheit fei noch notirt. Urfprünglich id
das Menologion fo gedruckt worden, dafs man der Seite
nicht unmittelbar anfehen konnte, auf welche Stelle des
Jahres man geführt werde. Vom October an id unterhalb
der Seite Wenigdens dets der Monat vermerkt.
Warum nicht auch der Tag?

Giefsen. F. Kattenbufch.

Maltzew, Propd M. Alexios von, Liturgikon. (,,Slufchebnik")
Die Liturgien der orthodox-katholifchen Kirche des
Morgenlandes, unter Berückfichtigung des bifchöf-
lichen Ritus, (deutfch und flavifch), nebd einer
hidorifch-vergleichenden Betrachtung der hauptfäch-
lichden Liturgien des Orients und Occidents. Berlin
1902, K. Siegismund. (CVIII, 462 S. gr. 8.) M. 9.—

Nachdem die Ueberfetzungen der liturgifchen Bücher,
die Maltzew 1889 begonnen hatte, foeben 1901 mit der
des Menologions volldändig geworden, beginnen die
Neuaudagen. Das oben verzeichnete Werk entfpricht
der Ausgabe der ,Göttlichen Liturgieen unferer heil.
Väter Johannes Chryfodomos, Bafilios des Grofsen und
Gregorios Dialogos', mit der M. den Anfang machte
und von der 1894 bereits eine zweite Audage erfchien.
Schon diefe Auflage bot nur noch den deutfchen Text
und war übrigens bereichert durch eine Darftellung des
bifchöflichen Ritus. Die neue, dritte Audage gewährt
wieder alles ausfchliefslich in deutfcher Form, was für
Unfereinen natürlich nur willkommen fein kann. Das
Format ift ein anderes, handlicheres geworden. Im
Uebrigen will das Werk in der neuen Geftalt vorläudg
auch ein Erfatz fein für den zweiten Band der Sammlung
, ,Die Nachtwache oder Abend- und Morgen-
gottesdienfte der orthodox-katholifchen Kirche des Morgenlandes
', der 1892 erfchien und ebenfalls zur Zeit
vergriffen ift. Vgl. für den urfprünglichen Inhalt der