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Ausgabe:

1901

Spalte:

173-175

Autor/Hrsg.:

Clemen, Otto

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Reformationsgeschichte aus Büchern und Handschriften der Zwickauer Rathsschulbibliothek.1. Heft 1901

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 6.

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dafs auch in ihnen mit Seth Chriftus gemeint ifh 2, Jene
Secte huldigte einer asketifchen Richtung und verwarf
namentlich den Wein- und Gefchlechtsgenufs. Diefelben
asketifchen Tendenzen finden fich ausgeprägt in den
Schriften wieder. 3. Jene Secte fchilderte in ihrem
Syftem die Wanderung des Lichtes durch das Reich der
Materie und die Rückkehr zum Lichtreich. Derfelbe
Gedanke liegt auch den Adambüchern zu Grunde. Der
Verluft des Lichtes durch Adam und feine Wiedergewinnung
durch Seth-Chriftus ift der Hauptact des grofsen
Weltdramas. 4. Jene Secte trug einen flark antijüdifchen
Zug. In III, 4 wird Jerufalem „die Stadt der gefallenen
Engel" genannt. Der Gott Israel's ift demnach der
Teufel'. — Ich glaube nicht, dafs die Hypothefe in
diefer fcharfen Raffung fich erweifen läfst. Richtig ift
allerdings, dafs durch diefe Adamfchriften ein gnofti-
firender und asketifcher Zug geht. Derfelbe tritt aber
nicht in allen gleichmäfsig hervor. Man wird alfo vor
Allem das Urtheil über die einzelnen mehr zu fpeciali-
firen haben, als es hier gefchieht. Sodann fcheint es
mir fraglich, ob man das gnoftifirende geradezu als
Tethianifch' bezeichnen darf. Der Verf. mufs doch
manche Merkmale erft fcharf zufpitzen, um das zu erreichen
. Endlich ift bei Würdigung diefer Literatur immer
im Auge zu behalten — was der Verf. auch nicht in
Abrede ftellen wird —, dafs fie fchichtenweife entftanden
ift. Die Grundlage ift ficher auch hier der jüdifche
Midrafch, wenn fich der Antheil desfelben an der uns
vorliegenden Geftalt der Legenden auch nicht mehr genauer
fixiren läfst.

Göttingen. E. Schürer.

Clemen, Gymn.-Ob.-Lehr. Lic. Dr. Otto, Beiträge zur
Reformationsgeschichte aus Büchern und Handschriften
der Zwickauer Rathsschulbibliothek. 1. Heft. Berlin, CA.
Schwetfchke & Sohn, igoo. (IV, 83 S. gr. 8.) M. 2.40

,Die Bedeutung der Zwickauer Rathsfchulbibliothek
für die Reformationsgefchichte ift feit den Publicationen
G. Buchwald's anerkannt'. Die Nachricht von der Her-
ftellung eines genauen Katalogs der reformationsgefchicht-
ljchen Literatur und der Herausgabe von Stephan Roth's
Briefwechfel kann man nur mit Freuden begrüfsen. Clemen
bietet in dem erften Hefte feiner Beiträge Beobachtungen
und Studien als Frucht der Vorarbeiten. Es find im
Ganzen 10 Stücke, unter denen eine Abhandlung über
die Pasquillusliteratur und die Biographie von Antonius
Mufa hervorragen. Clemen geht auf den römifchen Ur-
fprung des Pasquillus exul zurück, indem er die Aufhellungen
Gnoli's über diefe Figur beim Feftfpiel zu Rom
am S. Markustag 25. April 1518 ergänzt und ihn als Pilger
nach S. Jago di Compoftella nachweilt. Die Kunde von
diefer Figur dürfte durch einen der jüngeren deutfchen
Humaniften aus Rom nach Deutfchland gelangt fein, Cl.
denkt dabei an Crotus. Vielleicht aber ift unmittelbar
ein Mitglied der Schlettftadter Gelehrtenfodalität der
Vermittler. Auf fie fuhrt Cl. mit Recht die erften von
Anshelm in Hagenau gedruckten Flugfchriften zurück, in
denen Pasquillus eine Rolle fpielt, den Diaiog von Pasquillus
und Cirus und den von Pasquillus und Crato.
Zweifellos ift nach Cl. Verfaffer des letzteren Joh.
Günther, Pfarrer in Ktftenholz, während er als Verfaffer
des erfteren den Neffen Wimpheling's, den kaiferlichen
Secretär Jak. Spiegel vermuthet, was Manches für fich
hat (vgl. S. 21). Sollte aber Spiegel nicht auch der Verfaffer
des im Auguft oder September 1520 zu Wittenberg
gedruckten Pasquillus Marranus cxul fein, über den nebft
feinen Beigaben Clemen werthvolle Auffchlüffe giebt? Auf
Spiegel weift wohl auch in dem Spottbrief an Alveld
der Titel Chrifti amperator summus pontifex S. 15, der
ein Nachklang des bekannten Planes Maximilians 1. ift,
auf ihn pafst die Bekanntfchaft mit Karls V. Höflingen,

wie mit der Gefinnung der Marranen S. 21. Das Mittelglied
zwifchen Spiegel und Wittenberg bildet wohl
Erfurt, woher nach Clemen's wohl begründeter Annahme
die fchon 1516 entftandene Supplicatio ad ponti-
ficem contra theologastros ftammt (S. 14), die mit dem
Pasquillus Marranus zufammen erfchien. Endlich weift
Clemen aus handfehriftlichen Notizen nach, dafs Pas-
quilli de Concilio Mantuano Judicium vom Jahre 1537
von Ant. Corvinus, die Querimonia Papisiarum ad Lc-
gatum Pontificium aber von Joh. Stigel ftammt S. 24.
Dankenswerth ift der Neudruck des bisher überfehenen
Briefes von Hein. Stromer an Hutten vom 22. Sept. 1519
mit dem Urtheil über die Leipziger Disputation, Albrecht
von Mainz und Erasmus. R. S. M. in der Flugfchrift
,Eine Warnung an den Bock Emfer' findet Clemen auch
fonft als abgekürzten Spruch. Zu den beiden Nach-
fchriften der Predigten Luther's nach der Rückkehr von
der Wartburg Invocavit bis Reminifcere 1522 Erl. Ausg.
28, 202, 252 finden fich in einem Exemplar der Ausgabe
' des Römerbriefes von 1515 handfehriftlich Sätze aus der
Iuvocavitpredigt, welche Cl. mittheilt. S. 31 Z. 1 v. u.
ift zu ergänzen calor. In einem anderen Werke entdeckte
Cl. von Roth's Hand ein Gedicht auf das Bild Luthers,
des neuen Elias. Weiterhin wendet fich Cl. den Niederländern
zu, und zwar zuerft Jakob Propft. S. 33 Z. 16 1.
13. Mai 152x. Die von Cl. mitgetheilten Theten Karl-
ftadt's, mit denen Propft die Licentia erwarb, laffen fich
jetzt aus Roth's Aufzeichnungen auf 12. Juli 1 521 datiren.
Auch für die folgenden Jahre in Propft's Leben ftellt Cl.
fichere Daten zufammen.

Für die erften Märtyrer aus den Niederlanden weift
Cl. die Literatur nach und ftellt feft, dafs 1. Heinrich
Vos und Joh. van den Effchen nicht vor ihrem Ende
, widerriefen, 2. der dritte Gefangene, Lambert von Thoren,
nicht hingerichtet wurde. Dctcntum cx ultima abduetione
j S. 43. 48 heifst wohl nicht gefangen gehalten feit der
letzten Abführung zur Hinrichtung oder zur Degradation,
1 fondern gefangen feit der letzten Ketzerverhaftung. Die
Lutherbriefe über die Märtyrer Enders 4, Nr. 682—684
1 ordnet Cl. 684 um 23. Juli, dann 683, 682. Allein Nr. 682
kann nicht vom 29. Juli fein, wie Cl. will S. 44, denn
der Brief ift vom Sonntag nach Jakobi » 26. Juli. Mit
der Datirung der feria IV post Mariae Magdalcnac
wird Enders doch Recht behalten. Es ift keineswegs
undenkbar, dafs Luther erft die richtige Nachricht bekam,
die aber das Gerücht nach wenigen Tagen übertrieb.
Martin Reckenhofer S. 41, 50 war nach Winter, Gefch.
der Schickfale der ev. Lehre in Baiern 1, 148 Prediger
in Freifing und mufs 1524 in Claufen in Tirol geftanden
haben. ,Drei meyl gegen Bürg' S. 50 kann nicht Bruck
fein, das weltlich von München liegt, während die Be-
fitzungen der Klöfter Tegernfee, Chiemfee, Seon (Saunerfee
) füdöftlich von München liegen. Gemeint ift das Gebirge
, die Alpen. Das Fehlen des Artikels kann nicht
überrafchen. Beachtenswerth find die den Märtyrern zur
Laft gelegten elf Artikel, welche Cl. auf der Univerfitäts-
bibliothek Leipzig fand, und die wohl das Refume der
62 Anklageartikel und die Grundlage ihrer Verurtheilung
bildeten. Intereffant ift das Sendfehreiben des Marburgers
Joh. Schwan, Franziskaners zu Bafel, das er 1523 am
27. Febr. an feinen Vater von Wittenberg erliefs, während
er 1524 als Buchdrucker in Strafsburg erfcheint. Zu
Enders 6, Nr. 1212 weift Cl. einen Severinus Hypfilithus,
Benediktiner in Bofau bei Zeitz, nach. Zur Relegation
des Lemnius hat fich in Zwickau das eigentliche Relegationspatent
gefunden, das erft Lemnius Klagen über
die gegen ihn erhobenen Befchuldigungen verftändlich
macht. Den Schlufs bildet das Lebens- und Charakterbild
von Antonius Mufa, das diefe nicht unbedeutende
Perfönlichkeit erft in das rechte Licht ftellt. Befonders
werthvoll ift der Brief Mufa's an Jof. Lang in Erfurt
vom Tage nach Pauli 1524, weil er die Entftehung des
Erfurter Enchiridion aufs klarfte erkennen läfst und