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Ausgabe:

1901 Nr. 6

Spalte:

165-166

Autor/Hrsg.:

Rothstein, J. Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Gottesglaube im alten Israel und die religionsgeschichtliche Kritik. Ein Vortrag 1901

Rezensent:

Volz, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 6.

166

leugnen, dafs ,das Bewufstfein der Erwählung' von der
entfcheidendften Bedeutung war. Dafs man im Cultus
diefes einmal von Jahve gegründete Verhältnifs nur
pflegen wollte — diefer Gedanke L.'s wird der Werthung
des Cultus durch das Volk kaum gerecht, ganz abge-
fehen davon, dafs die Scheidung zwifchen der das Verhältnifs
begründenden Erwählung und den diefe Erwählung
wirkfam erhaltenden Opfern eine Feinheit der
Diftinction vorausfetzt, welche dem maffiv denkenden

Mofe und der alten Religion Israels (zwifchen Mofe und
Arnos) ein. Die neuere Kritik findet den Wendepunkt
der israelitifchen Religion in Arnos und läfst mit der
fchriftftellernden Prophetie erft eigentlich den Glauben
an den wahren, fittlichen Gott beginnen. Verf. will im
Gegenfatz zu der fchliefslich auf Hegel zurückgehenden
neueren Entwickelungsconftruction die Selbftausfagen der
israelitifchen Literatur zum Worte kommen laffen. Er
ift überzeugt, da(s die prophetifche Glaubensftufe fchon

Volke nicht eignet. Ref. hält es auch für völlig gerecht- mit Mofe eintritt; ihm habe fich Gott als perfönlicher,

fertigt, denen entgegenzutreten, welche aus den rednerifch
zugefpitzten und durch beftimmte Mifsftände veranlafsten
Reden des Arnos den Schlufs ziehen, dafs der Prophet

n der Gefchichte waltender Gott und als Lichtnatur ge-
offenbart; der Dekalog, der mittelbar auf Mofe zurückgehe
, enthalte die Grundzüge diefer Offenbarung. Von

fich gegen das Opfer fchlechthin erkläre, ja einen opfer- j Mofe bis Arnos finde fich in der heidnifch gerichteten

lofen Cultus fordere — diefe Alternative: israelitifche
Opfer, wie feine Zeitgenoffen fie brachten, und opferlofer
Cultus ift ihm fchwerlich in den Sinn gekommen — aber
L. andererfeits wird doch auch wiederum der Polemik
des Arnos nicht gerecht, wenn er behauptet, dafs A.
nicht gegen den Cultus überhaupt, ja nicht einmal gegen
-die reichlichen Opfer eifere, fondern ausfchliefslich dagegen
, dafs man den unrechtmäfsig erworbenen Befitz
opfere und bei folchem Opfer fich fchamlos über das
hinwegfetzte, was fein heiliger Wille fordere. Unbe-
itreitbar wendet fich der Prophet doch in erfter Linie mit
gegen die falfche Stellung, welche das Opfer im Cultus
des Volkes einnimmt: dafs Opfer und Cultus Jahve's fich
decken — das ift ihm ein Gegenftand feines Zornes.

Maffe ein Häuflein echter Erkenner und Bekenner Jahves;
das beweife das Bewufstfein des Arnos, dem Volke nichts
Neues zu fagen; die in Am. 211 genannten Propheten
und Nafiräer; die Propheten, deren Namen wir wiflen;
die Werke des J. und E., die Gefchichtsquelle 2. Sam. 9 ff.,
das Bundesbuch und das Heiligkeitsgefetz, das Verf.
dem Jahviften zufchreibt. Diefe gröfseren Werke zeugen
nicht blofs für den Geift ihres fpeciellen Urhebers, fondern
für die Erkenntnifs und Richtung einer breiteren
Schicht. Hauptfächlich in Juda, und zwar in der Priefter-
fchaft Judas, habe diefer Kreis der Jahveverehrung fort-
beftanden.

Verf. ift völlig im Recht, wenn er verlangt, dafs der
chriftliche Gelehrte die Confequenz feines Gottesglaubens

Die dritte Unterfuchung befchäftigt fich mit Jahve ; ziehe und die lebendige Offenbarung diefes Gottes in der
Zebaoth und ift fchon um defswillen höchft dankens- Gefchichte der israelitifchen Religion zur Geltung bringe,
werth, weil L. hier zum erften Male das gefammte j Jedes Zeugnifs für diefen Glaubensfatz ift freudig zu beMaterial
fowohl aus dem MT wie der LXX zufammen- i grüfsen. Auf der anderen Seite mufs aber auch gefagt
geftellt und jede einzelne Stelle in Bezug auf Zeit und werden, dafs der wiffenfchaftliche Forfcher die Aufgabe
Echtheit unterfucht hat (S. 38—55). L. fucht wahr- ! hat, die menfchliche Seite pfychologifch darzulegen, und
fcheinlich zu machen, dafs die volle Form 'I "vlbs iDFI? j eben im Grund nur die Stellen angeben kann, wo die
erft bei Jeremias und der deuteronomiftifchen Schule auf- ! erziehende Hand Gottes befonders deutlich fichtbar ift
gekommen und 'S *i die urfprüngliche Form ift. Wann j und der menfchliche Factor zur Erklärung nicht genügt,
und wo der Name entftanden ift und welche Bedeutung Auch wir fehen den fcharfbeftimmten Anfang der Reli-
ihm urfprünglich eigen ift, können wir nicht mehr feft- gion Israels in der Offenbarung an Mofe und glauben,
ftellen. Die ältefte Stelle, in der der Name fich findet dafs es in der Zeit zwifchen Mofe und Arnos war, wie

(2. Sam. 5, 10), gehört dem 9. Jahrhundert an, aber fie
fetzt denfelben als längft bekannt voraus und zwar deutet
der Verf. damit die Macht Jahves im Kriege, repräfentirt
durch die Lade, an. Das ift die freilich wohl nicht urfprüngliche
, aber doch ältefte uns erreichbare Bedeutung.

es heute noch ift, dafs die Minorität der prophetifchen
Erkenntnifsftufe in einer grofsen Maffe verfchwand, die
in confervativer Befchränktheit ihre kleinen Culte trieb
und in finnlicher Befangenheit maffive Zeichen, aber-
gläubifche Formen für ihr religiöfes Leben brauchte.

Allmählich verlor fich die Beziehung auf Jahves krie- j Der Fortfehritt, der mit Arnos und den folgenden Pro
gerifche Macht, und der Name wird Bezeichnung Jahves pheten kam, war dann die Unfinnlichkeit Jahves und der
als des Beherrfchers der Naturmächte 1. Reg. 19, 14. Bei Religion. Wenn die neuere Forfchung vielfach in Arnos
Jefaja erfcheint der Name promiscue gebraucht mit dem ein völlig Neues erblickt, fo befindet fie fich in einem
blofsen Jahve und zwar fcheint er feierliche Bezeichnung ; gewiffen Widerfpruch mit fich felbft; denn einerfeits
Gottes mit Rückficht auf feine Allmacht und Heiligkeit.
Aehnlich liegt es bei Jeremja, wo der Name meift verwandt
wird, um eine Drohung gegen Juda und Jerufalem
einzuführen. Haggai, Sacharja und Maleachi gebrauchen
den Namen in epigonenhafter Nachahmung der alten
Propheten, während er in noch jüngeren Stellen wie
Jef. 19, 25. 24, 23. 25, 6 Mich. 4, 4 den Einen allmächtigen
Gott der Völkerwelt bezeichnet. Endlich wird der Name
Händige Gottesbezeichnung in der jüngften Pfalmendich-
tung. — Neben der vollftändigen Verwendung des gefamm-
ten Materials zeichnet diefe dritte Unterfuchung fich durch
forgfam abwägendes Urtheil aus, das fich lieber zu einem
non liquet entfchliefst, als bei unzureichenden Miltein eine
Lntfcheidung zu fallen. Druckfehler S.6 Z. 1 v. o. B^BKOn
fraUj S. 7 Z. 10 v. o. III, 1 a, S. 26 Z. 8 v. u. DtO.

Strafsburg i. E. W. Nowack.

Rothstein. Prof. DD. J. W., Der Gottesglaube im alten
Israel und die religionsgeschichtliche Kritik. Ein Vortrag.
Halle a. S., C. E. Müller, 1900. (VI, 49 S. gr. 8.) M. 1.20

Mit diefem im Bonner ev.-theol. Verein gehaltenen
Vortrag tritt Verf. für den Offenbarungscharakter des

will fie mit Recht eine allmähliche Entwickelung fetzen,
andererfeits häuft fie auf Arnos das Neue zufammen, um
möglichft wenig Offenbarung annehmen zu müffen. -
Ob Gott dem Mofe als Lichtnatur fich offenbarte, ift mir
fraglich. Mir fcheint das Charakteriftifche an dem Gott
Mofe's die Eiferfucht zu fein; denn das Eigenartige an
der Jahvereligion ift von Anfang an der Kampf gegen
alles Andere, was neben Jahve göttlich fein will. Daraus
ift denn der Glaube an die Einzigkeit Gottes entftanden.
fchliefslich zur Theorie geworden, und aus dem Einen
Gott ift der in der Gefchichte wirkende Weltgott er-
wachfen. Der fittliche Charakter haftet dem Jahve wohl
gleichzeitig an, weil Mofe, das Organ Gottes, ein fittlich
grofser Mann war. Jedenfalls mufs die Wahrheit, für die
Mofe eiferte, eine möglichft einfache gewefen fein. Der
Line Jahve war feine Lofung; fie ift bis auf Arnos nie
vergeffen gewefen und immer wieder als Kampfruf erhoben
worden.

Tübingen. P. Volz.