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Ausgabe:

1901

Spalte:

114-116

Autor/Hrsg.:

Vogelgesang, Johann

Titel/Untertitel:

Ein heimlich Gespräch von der Tragedia Johannis Hussen 1901

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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"3

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr, f.

114

des Chorals zu beftimmen. Ich kann nur einen Theil
der Arbeit würdigen, da mir die Vorausfetzungen für
die Gefchichte des Officiums und des Chorals fehlen.

zahl der erhaltenen Tonfätze zu Minneliedern gewinnen
die damit nahe verwandten julianifchen Gefange eine
allgemeine mufik- und kulturgefchichtliche Bedeutung;

Ich kann hier nur bezeugen, dafs die Schrift auch in I mehrere glückliche Handfchriftenfunde ermöglichen eine
diefen Partien den Eindruck forgfamer und gelehrter j bereits geplante Gefammtausgabe diefer werthvollen
Arbeit macht und den Zufammenhang zwifchen dem Choralflücke, deren Hauptmaffe noch ungedruckt ift.
Einzelnen und dem Ganzen überall wahrt. Diejenigen Ein Vergleich der Antiphonal- und Refponforialmulik
unter uns evangelifchen Theologen, die hier fachver- Julian's mit feinen Hymnen führte zu wichtigen Schlufs-
fländig find, möchte ich jedenfalls ausdrücklich auf diefe | folgerungen über die viel umftrittene Vortragsweife des

Partien mit verweilen. ' Chorals, zu einer Löfung der Hymnenfrage im 13. Jh.....

Nachdem zunächfl alle Nachrichten über Julian's j Der Name Julian von Speier, obwohl bisher faft gänz-
Leben gefammelt und gefichtet worden find (S. I —14). I lich unbekannt, hat auf mehr als einem Gebiet die Be-
fuchen S. 14fr. fein literarifches Eigenthum feftzuftellen. ! deutung eines hiftorifchen Markfteins'.
Mit Hilfe einer bei Glafsberger (um 1508) aus einer un- 2. Gleichzeitig mit Weis hatte van Ortroy in feiner

bekannten Quelle aufbewahrten Notiz über das Incipit 1 Abhandlung über den Tractatus miraculorum des Thomas
von Julian's Legende des h. Franziscus ergiebt fich, dafs von Celano — auf den ich fpäter zurückzukommen ge-
diefe wirklich der sccundus biographus des Bollandiften denke — auf die Stelle Glafsberger's hingewiefen und
ift, und ein Vergleich zwifchen ihr und den Reimofficien, daraus gefolgert, dafs Julian der sccundus biographus fei.
die dem Julian zugefchrieben werden, foll es bettätigen. Auf In der vorliegenden Abhandlung vertheidigt er diefe Thefe
ähnlichem Wege wird feftgeftellt, dafs die Antonius- ausführlicher gegen die Einwürfe, die der Kapuziner
legende, die Lempp als B bezeichnet hat (a. a. O. II, J Hilarin von Lucerne in einer mir nicht zugänglichen Ab-
705 ff.) von Julian flammen müffe. S. 33 folgt die handlung erhoben hatte, und vertritt gegen Weis die
Charakterifiik der Franziscuslegende, von der jetzt 3 Hff. . Thefe, dafs die Vita Julians vor dem gereimten Officium
bekannt find. S. 55 die der Antoniuslegende. gefchrieben, diefes alfo aus der Vita gefchöpft fei. Wäh-

Mit S. 65 kommt der Verf. auf die Bedeutung rend Weis feine Thefe kaum begründet hatte, hat van
Julian's für die liturgifche Hiftorien poefie des ; Ortroy die feine fehr forgfältig und durchfchlagend ausge-
MAs. Weis ftellt feine Reimhiftorien nach Form und In- : führt. Für die Abfassungszeit der Legende berechnet
halt fehr hoch und lieht in ihnen die mafsgebenden van Ortroy die Frill zwifchen 1232, Mai 30, und 1235,

Okt. 4, während Weis etwas fummarifch 1232 annimmt.

Breslau. Karl Müller.

Mutier, an denen fich die Dichter des Ordens in Stil und
Rythmik Jahrhunderte lang gebildet und die dem Orden
auf diefem Gebiete entfchiedene Vorzüge gegeben haben.
Indem er Julian in die Entwickelung befonders der MA-
lichen Metrik und des Reims einftellt, urtheilt er, ,dafs Zwing!!, Huldrich, Von Freiheit der Speisen. Eine ReJulian
die abfoluten Höhen der Poefie erreichte und dafs formationsfchrift. 1522. Herausgegeben von Otto
fein Name und feine Kunft einen Platz in der poetischen Walther. (Neudrucke deutfcher Literaturwerke des
Univerfalliteratur verdienen'. Insbefondere legt er Werth V..T mrrx t t. u j *t m r ,
darauf wie ftrenge Julian zwifchen jambifcher und trochä- j XVI- und XVI1- Jahrhunderts. No. 173. [Flugfchnften
ifcher Anlage unterfcheidet, dafs er fich nicht mit Silben- | aus der Reformationszeit XVI.]) Halle, M. Niemeyer,
zähluncr und Endreim begnügt, den Tactwechfel mög- j 1900. (XII, 72 S. 8.) M. —.60

hchß vermeidet und den Wortaccent zum Träger eines ] Vogelgesang, Johann (Cochlaeus), Ein heimlich Gefpräch
(ehr ficheren Rythmus macht. Ob dabei immer Julian , . TI „ „

von der Tragedia Johannis Hüffen. 1538. Herausgegeben
von Hugo Hol Hein. (Neudrucke deutfcher
Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts.

der Verfaffer eines Officiums fei, oder ob im einzelnen
Nachahmungen feiner Dichtung vorliegen, fei fchwer zu
entfeheiden, aber in der Hauptfache auch nicht fo wichtig.
Auch die Nachahmungen beweifen den nachhaltigen Ein-

No. 174. [Flugfchriften aus der Reformationszeit XVII.])

flufs der bedeutenden Schöpfungen Julians. Diefen Ein- Halle, M. Niemeyer, 1900. (VIII, 36 S 8) M -60
flufs innerhalb wie aufserhalb des Ordens verfolgt dann I * > ' ^ * ™' -°°

Weis S. 84fr. in einer grofsen Anzahl von Reimofficien. bcnottelms, Juftus Georg, Friedens Sieg. Ein Frcuden-
S. 102 wird Julian's Bedeutung als Choralcompo- fpiel. 1648. Herausgegeben von Friedrich E. Kolde-

nift befprochen. Vielleicht ift er hier auch als Theoretiker
hervorgetreten: Weis hält es für möglich, dafs ein
anonymer von Coufsemaker veröffentlichter Tractat mit
der von Wadding erwähnten Schrift Julian's ,Jfcusurac et
viodi canendi dh'ina officio; identifch fei. Vor allem aber

wey. (Neudrucke deutfcher Literaturwerke des XVI.
und XVII. Jahrhunderts. No. 175.) Halle, M. Niemeyer,
1900. (V, 78 S. 8.) M. -.60

1. Es ift mit Dank zu begrüfsen, dafs die bekannte

tritt Julian felbft als Choralcomponift hervor und feine Braune'fche Sammlung von Neudrucken in die den Theo
Compofitionen werden noch heute in Franziscanerorden | logen befonders intereffirende Serie von Flugfchriften aus
gefungen. Nach dem ausdrücklichen Zeugnifs des Bar- der Reformationszeit, in der wir bereits Luther, Ebcrlin,
tholomäus von Pifa {Uber conformitatum) hat Julian nicht II. v. Cronberg, B. Waldis, Vadian (Judas Nazarei), die
nur die von ihm felbft verfafsten, fondern auch alle Gegner Emfer und Murner, die Schwarmgeifter Th. Münzer
andern Choralftücke zum Officium des h. Franz componirt Ickelfamer und B. Rotmann vertreten finden, nun auch
und ebenfo müffen ihm alle Melodien zu dem des h. eine der bedeutfamften Reformationsfchriften Zwingli's
Antonius zugefchrieben werden. Durch eine Handfchrift aufgenommen hat: die Oftern 1522 erfchienene Schrift
des Münchener Convents zur h. Anna, deffen Bibliothek wider die Faftengebote. Leider ift der Herausgeber der
ihm auch fonft ihre Schätze geliefert hat, wie durch einen doch nicht gerade fchweren Aufgabe wenig gewachfen
werthvollen Codex im Befitz des Münchener Antiquars Als Einleitung bietet er uns ein Excerpt aus R Stähelin's
Rofenthal ift Weis im Stande, diefe Compofitionen ge- j grofser Zwingli-Biographie I, 203 ff. Aber man erfchrickt
nauer als bisher und ihrem Umfange nach vollftändig nach-
zuweifen.

Ich befchränke mich darauf, hier einfach das Schlufs-
urtheil des Verfaffers (S. 147) anzuführen: ,Als Choral- | Das Excerpt aber "kürzt Stähelin's Text fo"eigenthü

„!.C.h': da(? e.s..: B: von. den 3 bifchöfliehen Delegirten 1

fchon, wenn "man fieht, wie'fehlerhaft er den Buchtitel
citirt: ,von Stählin (ft. R.Stähelin), Huldrich (ft. Huldreich)
Zw. (dann ohne Angabe von Bd. I), Bafel 1885 (ft. 1895)'.
Das Excerpt aber kürzt Stähelin's Text fo eig
Äer Wende der Monodie zur I lich, dafs es z. B. von den 3 bifchöf liehen Deleg.iy-..
componift fleht Julian an der vvt»oe Periode zwei beibehält, den bekannten Buchdrucker Frofchauer

Polyphonie; er ift der Meifter der»JJJJ. An. unbeftimmt als ,ein Buchdrucker' uns vorführt, den be-
und der fyllabifchen Tonmalerei, Bei der gen ö