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Ausgabe:

1901 Nr. 4

Spalte:

100-101

Autor/Hrsg.:

Manen, W. C. van

Titel/Untertitel:

Handleiding voor de oudchristelijke Letterkunde 1901

Rezensent:

Krüger, Gustav

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99

Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 4.

100

Sirachparallelen nicht fehlen. Wären in c. 1—2 nach
dem Verfprechen des Verf. alle a.t.liehen Worte und
Wendungen grofs gedruckt, fo bekämen diefe 2 Capitel
ein folches Ausfehen, dafs den Entdeckern der Aramais-
men alle Luft verginge (vgl. dazu bef. Bleek).

Die kurzen, übrigens ziemlich fpärlichen Bemerkungen
find nützlich, foweit fie fprachliche oder archäo-
logifche Dinge betreffen. Selbftverftändlich fieht der
Verf. nicht über das n.t.liche Griechifch hinaus; es fehlt
an den Vorarbeiten für eine Würdigung der lucanifchen
Sprache im Zufammenhange mit der helleniftifchen Literatur
. Mit allen Noten, die über das Philologifche hinausgehen
, hätte er uns dagegen verfchonen dürfen, da fie
feiten das Niveau ungefchickter Einfälle überfteigen.
Z. B. dafs Judas Ifchariot urfprünglich der Erfte der
Zwölf war und erft wegen feines Verrathes an die letzte
Stelle im Katalog rückte; denn Mc. nenne ihn 6 eig
(= jtQ&Tog) rcöv iß. Eine Lifte ähnlicher Einfälle wäre
mühelos zu bringen.

Zum Schlufse die Stellung Wright's zur fynoptifchen
Frage. Wir finden eine Synthefe allerneuefter Quellenkritik
mit der uralten Giefeler'fchen Traditionshypothefe.
5 Quellen werden angenommen: 1. Mc, 2. Die Logia des
Mt., 3. 19 Parabeln und Erzählungen einer paulinifchen
Quelle, 4. Die Geburtsgefchichte (Tradition der Jungfrau
Mariaj und 5. anonyme Fragmente; wozu als No. 6 die
,cditorial notes' hinzutreten. Bekanntlich wird die pau-
linifche Quelle von andern umgekehrt ebjonitifch genannt
, ein Beweis, dafs fie keines von beiden fein kann.
Aber nun find alle diefe Quellen mehr oder weniger
mündlich dem Lc. zur Kenntnifs gekommen. Er befuchte
Paläftina, verkehrte mit Männern, die von dort kamen,
empfing Briefe aus der Urgemeinde, lernte andere Katecheten
kennen. Denn im Allgemeinen fchrieb man
im i.Jahrh. in Jerufalem keine Manufcripte, folgte vielmehr
dem Rath der Rabbiner: ,vertraue nichts der Schrift'!
So haben Mc. und Joh. lange Jahre mündlich in fefter,
jedoch auch elaftifcher Form ihre Evangelien tradirt. Für
Lc. war es die goldene Regel, nichts auszulaffen, und
auch nichts zu verändern, von Allem, was zu feiner
Kenntnifs gelangte. So liefs z. B. Lc. von Mc. nur das
aus, was er nie gelernt hatte, d. h. alle jene Zuthaten,
die Mc. erft fpäter feiner mündlichen Predigt beigefügt
hat. Ebenfo hat er nie Logia umgeftellt; wo feine
Ordnung von der des Mt. abweicht, haben beide unabhängig
von einander in lofe Fragmente erft Ordnung
hineingebracht. III aber der Wortlaut ganzer Verfe zu
fehr gleichlautend, fo erklärt fich das aus brieflicher
Mittheilung des betreffenden Stückes. Sind umgekehrt
die Verfchiedenheiten zu grofs, fo ift der Thatfache
Rechnung zu tragen, dafs die Texte auf der langen
Wanderung von Mund zu Mund aus Jerufalem bis nach
Philippi manchen zufälligen Veränderungen unterworfen
waren. Jedenfalls erklärt einzig die mündliche Ueber-
lieferung die Verfchiedenheiten unferer Evangelien im
Unterfchiede von der reinen Quellentheorie, die nur die
Uebereinftimmung erklärt.

Der Verf. weifs wohl, dafs auf dem Continent keine
günftige Ausficht für feine Hypothefe ift, hofft aber um
fo mehr für England. Es kommt eben darauf an, ob
dort auf die Dauer dasfelbe Mafs von Phantafie und
diefelbe Blindheit gegen die apologetifchen Motive diefer
Forfchung fich erhalten wird. Den deutfehen Kritikern
hat die Erkenntnifs der Quellen zugleich die Erkenntnifs
der fouveränen Freiheit der Evangeliften gebracht. Jene
ift für fie undenkbar ohne diefe, und deshalb gänzlich
ungeeignet zu einem apologetifchen Verfuch. Um beides
zu trennen, d. h. um die kritifche Hypothefe kirchlich
ungetährlich zu machen, fetzt Wright zwifchen die Quellen
und die Evangeliften die mündliche Tradition ein. Der
lange und mannigfaltige Weg von Jerufalem nach Philippi
ift ein fo wunderfchönes Hilfsmittel für alle Rettungs-

1 verfuche. Nur ift das Alles nicht mehr Wiffenfchaft
i fondern apologetifcher Sport.

Bafel. Paul Wer nie.

Nirschl, Domdech. Dr. Jofeph, Das Haus und Grab der
heiligen Jungfrau Maria. Neue Unterfuchungen. Mainz,
F. Kirchheim, 1900. (XII, 229 S. gr. 8.) M. 4.—

Ueber den Ort, wo Maria ihre letzte Lebenszeit zu-
t gebracht hat und geftorben ift, giebt es zwei, oder eigentlich
drei Meinungen. Die Einen fagen, Maria fei dem
Apoftel Johannes nach Ephefus gefolgt, dafelbft geftorben
und begraben worden. Diefe Meinung wurde
I beftätigt, zugleich aber modificirt durch die gottfelige
Anna Katharina Emmerich, Auguftiner-Ordens-
I fchwefter zu Dülmen bei Düffeldorf (4 1824), welche
j auf Grund ihrer Vifionen verkündigte, Maria habe nicht
in der Stadt Ephefus gewohnt und in der Marienkirche
dafelbft ihre zeitweilige Ruheftätte gefunden, fondern
auf einem Berge drei Stunden füdlich von der Stadt,
! Ein franzöfifcher Priefter Jean Gouyet entdeckte im Jahre
1881 in der That dort eine Localität, welche der ge-
j gebenen Befchreibung entfprach, und eine grofse Expe-
j dition im Jahre 1891 beftätigte feine Entdeckung. Eine
' gefährliche Concurrentin hat diefe Anficht aber an der viel
1 verbreiteteren, namentlich auf die apokryphifche Schrift
| über die Dormitio oder den Transites beatae Mariae Vir-
ginis fich ftützenden Tradition, dafs Maria in ihrem Haufe
zu Jerufalem geftorben und von den Apofteln in Geth-
femane beftattet worden fei, von wo ihr Leib nach drei
Tagen gen Himmel erhoben worden fei. Nirfchl hat
I der Vertheidigung diefer Tradition fchon früher (1896t
eine umfangreiche Unterfuchung gewidmet, und war im
I Jahre 1898 im Begriff, abermals das Wort für diefelbe
zu ergreifen, als Kaifer Wilhelm II. am 30. und
31. Oktober 1898 das Grundftück neben dem Cönacu-
lum auf Sion, welches den Namen Dormitio beatae
Mariae Virginis trägt, dem deutfehen Vereine vom heiligen
Lande zum Gefchenk machte.

,Diefes Wort des Kaifers glich einem Morgenruf,
der ausging in alle Lande und die Geifter überall mächtig
erregte, glich dem erften Sonnenftrahl, der, ehe die Sonne
über den Horizont heraufgeht, wie ein glühender Pfeil
hervorfchiefst und die Morgennebel, welche die bürde
bedecken, zerftreut'.

,Durch die That des Kaifers und durch das apofto-
lifche Schreiben des Oberhauptes der Kirche, des Papftes
Leo XIII., das fie veranlafste, ward die Controverfe zu
Gunften von Sion und Gethfemane factifch entfehieden'.

,Es war nun Aufgabe der Wiffenfchaft, die hochbe-
deutfame That ihrerfeits zu rechtfertigen, zu zeigen, dafs
Ephefus kein Anrecht auf den Befitz des Mariengrabes
habe, dafs Marias Haus auf Sion geftanden, dafs ihr
Grab in Gethfemane fich befindet, dafs alfo der kaifer-
liche Schenkungsact nicht blofs an fich aufserordentlich
| grofs erfcheint, fondern dafs er auch von dem Licht-
glanze der hiftorifchen Wahrheit umgeben ift' (S. V).

Diefem Zwecke dient die umfangreiche Arbeit des
Verfaffers, die mit viel gelehrtem Materiale ausgeftatttt
ift. Sie bringt übrigens trotz ihres Umfanges keine
genaueren topographifchen Unterfuchungen in Betreff
der Localitäten, welche die verfchiedenen Befucher Jeru-
falems im Alterthum, Mittelalter und der Neuzeit bei
ihren Angaben über das Haus der Maria im Sinne haben.

Göttingen. E. Schürer.

; Manen, Dr. W. C. van, Handleiding voor de oudchristelijke

Letterkunde. Leiden, L. van Nifterik Hz., 1900. (VIII.
126 S. gr. 8.)

Meine Bemerkungen zu diefem Buche beziehen fich
| einmal auf Anlage und Anordnung des Werkes felbft,