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Ausgabe:

1901 Nr. 2

Spalte:

57-59

Autor/Hrsg.:

Lemme, Ludwig

Titel/Untertitel:

Endlosigkeit der Verdammniss und allgemeine Wiederbringung 1901

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 2.

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Auffatzes hat nicht Bouffet (S. 229) gegeben, fondern I nirgends gefordert; 2. fie wird vielmehr durch khre
H. Scholz bei Bouffet. ! Schriftausfagen widerlegt und ausgefchloffen (2. Cor. 5,10;

Halle a. S. Max Reifehle.

Rom. 2,7b; Hebr. 3.7; 4,7; 10,27; 2- The ff. 1,9; 2,10.12;
Rom. 1,18; 2. Cor. 2,15, 16; 4,3; 1. Cor. 1,18, 6,9—11;
Hebr. 6,4 f.; 10, 26 f.; i.Joh. 5,16; Matt. 12,32 = Mark. 3,29);
Lemme. Kirchenrat Prof. Dr. Ludwig, Endlosigkeit der 3- beftimmte Schriftworte fordern zwar einen jeden Du-
Verdammniss und allgemeine Wiederbringung. Ein Bei- i fFsmusj ausfchliefsenden Endbefchlufe der Weltentwicke-
T . , , „. — T . , • lung; da fie aber nicht von der allgemeinen Wiederhat
* zur Lehre von den letzten Dingen. Gr. Lichter- , • , j r r -rr r

1 & s bringung gedeutet werden dürfen, fo weifen he auf eine

felde-Berlin, E. Runge, (1900I (69 S. gr. 8.) M. 1.20 | endBche Vernichtung der Verdammten hin. Die exe-

Diefen am 12. Auguft 1898 auf der Paftoralconferenz ; getifchen Inftanzen, die der Verf. für oder wider die von

zu Barmen .über Allgemeinheit und Befonderheit der ! ihm geprüfte Lehre geltend macht, nehmen fich zwar zu fehr

Gnade Gottes in Jefu Chrifto' gehaltenen Vortrag giebt ' als vereinzelte dicta probantia aus, die in der Weife der

der Verf. in erweiterter Form als einen .Beitrag zur Lehre atonfiftifchen Hermeneutik aufgeführt werden, fm bekunden

von den letzten Dingen' heraus. aber an vielen Stellen ein von der dogmatifchen Theorie un-

Nach einigen allgemeinen Bemerkungen über die j getrübtes exegetifches Verfländnifs. Aus dem Schlufswort
Schwierigkeiten der Vorftellung von der Endlofigkeit der des erften Theiles mögen noch folgende Ausfagen hervor-
Höllenftrafen, wirft L. einige .nothwendige Fragen' auf: j gehoben werden: ,Die Endlofigkeit der Höllenftrafen ift
,wo ftammt diefe Lehre her? wird fie durch die Schrift I kein gottgeoffenbartes Myfterium, fondern ein dogmenverbürgt
? wird he durch Lebensintereffen des chriftlichen gefchichtliches Ergebnifs der Theologen. Es kommt aber
Glaubens erfordert?' Was die h.Schrift betrifft, fo redet die- dem Theologen nicht zu, widerfinnige Behauptungen auf-
felbe allerdings an verfchiedenenStellenvonewigerQualder zuheilen und bei Erkenntnifs des Widerfinnes Gott die
Verdammnifs, doch bezeichnet das Praedicat ,ewig' nicht Löfung der Schwierigkeiten aufzubürden. Die Lehre von
Endlofigkeit, fondern .Nichtzugehörigkeit zur Sinnenwelt, der Wiederbringung verfucht eine Löfung; und das ift
Zugehörigkeit zur transcendenten Welt des Jenfeits' (7); j auch ihr einziges Verdienh, dafs fie auf die vorhandenen
aufserdem ift zu bedenken, dafs wir auf die bildlichen 1 Schwierigkeiten aufmerkfam macht und fo eine Löfung
Ausdrücke, in welche hch die Schriftgedanken hüllen, derfelben wenigltens anregt. Im Uebrigen bedeutet he
keine dogmatifche Theorie gründen dürfen. Bei der nun j die Auflöfung des Chriltenthums und fteht in diefer Hinfolgenden
Befprechung der ,Leugnung der Verdammnifs' ficht in einer Linie mit den modernen rationahftifchen
(9—15) lautet das Urtheil über Schleiermacher höchh Beftrebungen, die Befonderheit und Abfolutheit des
ungunftig: indem L. ohne Weiteres den der romantifchen j Chriftenthums in den allgemeinen natürlichen Procefs der
Zeit angehörigen Standpunkt der Reden auch auf die I Religionsgefchichte aufzulöfen . . . Man kann denn auch

Glaubenslehre überträgt, fchliefst er: .Seine Befürwortung
der Apokataftafis trägt nur hypothetifchen Charakter für
den Fall, dafs überhaupt ein Fortleben nach dem Tode
angenommen wird' f 12). Denfelben Gedanken hat L

in der Regel beobachten, dafs Leute, die die Wiederbringungslehre
vertreten, durchfehnittlich des chriftlichen
Ernftes und der chriftlichen Entfchiedenheit entrathen"
(37). — Nachdem L. im erften Theile feines Vortrages die

aus Schleiermacher's Abhandlung von der Erwählung I .biblifcheLehre' zu eruiren verfucht hat, will er im zweiten

herausgelefen. Dafs L. Biedermann zwar als .Religions
philofophen anerkennt', ihm aber den Namen eines
.chriltlichen Theologen' abfpricht (13—14), fei hier zur
Charaktenltik des Verfs. felbft nur feftgeftellt. Die.rationa-
liftifche Theorie von der Allgemeinheit der göttlichen
Gnade' verwirft L. .vom chriftlichen Glauben aus', da fie
,den Beftand des Chriftenthums zerftörend' fei (15). Zu
jenen Rationalsten gehören auch Schleiermacher und
Alexander Schweizer. Von ihrer Doctrin foll die ,eigent-
liche Widerbringungslehre', die Lehre von der Allgemeinheit
der Gnade Gottes in Chriftus zu unterfcheiden fein:
diefelbe ift nicht blofs von rationaliftifcher, fondern auch
von fupranaturaliftifcher Seite vertreten worden. .Aber
auch gläubige Theologen können irren' (16). Den Nachweis
fuhrt L. an dem Beifpiel des Origenes, deffen Lehre
nicht .biblifchen Anregungen oder chriftlichen Intereffen,
fondern überall Nachwirkungen Plato's oder neuplato-
nifchen Einwirkungen' entwachfen i(t (20). Eine weitere
Form diefer Anfchauung fieht L. in der modernen ,A11-
befeligungslehre', deren Repräfentanten in fehr verfchie-
denen Lagern zu finden find, bei den widertäuferifchen
Schwarmgeiftern, bei den Männern der Aufklärung, in
den Kreifen des Pietismus, fo z. B. bei Oetinger und
Bengel, von denen L. verfichert: .kein Zweifel, es waren

Theile, ,die Unhaltbarkeit der ganzen wie der halben Apokataftafis
und die endliche Vernichtung der Hölle'(38—68)
dogmatifch begründen. Diefe Gliederung darf indeffen
nicht als glücklich bezeichnet werden; denn einmal enthalten
die biblifch-theologifchen Ausführungen zahlreiche
dogmatifche Reflexionen; andererfeits nehmen in der
dogmatifchen Unterfuchung die exegetifchen Excurfe
einen fehr breiten Raum ein. Zunächft verwirft L. die
Wiederbringungslehre, weil fie die fittliche Entwickelung
der Menfchheit in einen Naturprocefs umfetze. Es ift
nur Schade, dafs L. diefes Urtheil, das in der That für
eine Reihe von Verfuchen diefer Richtung zutrifft, durch
den Commentar entkräftet, mit welchem er feine Gedanken
erklärt; hat er doch felbft die Empfindung, dafs
feine Gegner ihre Anfchauung in feinen Worten nicht
wiedererkennen werden: Jeder Menfch mufs feiig werden,
er mag wollen oder nicht. Und wenn er noch fo zuchtlos
und gottvergeffen, ja gottfeindlich und gottesläfterlich
lebt, ja wenn er Gott den Abfchied giebt, ihn fchmäht
und ihm flucht: er kann der ewigen Seligkeit nicht entgehen
, wie fie ihm nicht entgehen kann' (40—41). Den
lebhafteften Widerfpruch wird vorausfichtlich die Behauptung
L.'s hervorrufen, dafs eine jenfeitige Bekehrung
unmöglich fei. Befteht die Bekehrung im principiellen

fromme, gläubige Männer', oder bei Schöberlein, dem er Erfterben des alten und Belebtwerden des neuen Menfch; n,
das Zeugnifs ausftellt: ,er war zweifellos ein wiederge- [ fo foll diefelbe nach beiden Momenten im Jenfeits un-

borenes Kind Gottes' (22, 23). Enthält auch jene ge
fchichtliche Charakteriftik eine Reihe treffender Bemerkungen
, fo hat doch die Unterfcheidung drei verfchiedener

möglich fein: erftens ift der alte natürliche Menfch nicht
in der Bekehrung geiftig-fittlich ertödtet, fondern nach
feiner geiflig-fittlichen Befchaffenheit in eine unfinnliche

Gruppen von Vertretern der Apokataftafis keine innere j Exiftenzform übergegangen; zum Zweiten wäre die

Berechtigung, fie darf daher auch keinen wiffenfehaft
liehen Werth in Anfpruch nehmen. — ,Die wichtigfte
Frage: ,was fagt die h.Schrift dazu?' zerlegt fich, nach L.,
in drei befondere Fragen, deren Antwort der Verf. fehr
beftimmt zu begründen fucht: 1. die Widerbringungslehre
wurzelt nicht in der Schrift, und wird von derfelben

Menfchwerdung Gottes überflüffig und damit die Ge-
fchichtlichkeit des Chriftenthums hinfällig, wenn die Bekehrung
im Jenfeits ebenfogut möglich wäre wie im
Diesfeits. Auch die fog. Höllenfahrt kann als Gegenbeweis
nicht herangezogen werden, dafs hiefse ,Unficheres
durch noch Unfichereres ftützen' wollen (47). Auch die