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Ausgabe:

1901 Nr. 2

Spalte:

48-49

Autor/Hrsg.:

Doumergue, Emile

Titel/Untertitel:

Une poignée de faux. La mort de Calvin et les Jésuites 1901

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 2.

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führender Geift gewefen, weder als Humanift noch als
Freund Luthers, fo hat er doch als Vermittler zwifchen
Humanismus und Reformation, nehmend mehr von Anderen
und daraufhin Freunde anregend als pofitiv Eigenes,
Neues fchaffend, feinen Platz ausgefüllt. Tüchtige Vorarbeiten
für eine Biographie lagen vor: Veith's bibliotheca
Augustana bot mit ihren knappen Notizen werthvolles
Material für weitere Nachforfchung, Straus' Eichftätter
Ruhmeshalle lehnte fich daran an, vor Allem aber fand
fich in inzwifchen veröffentlichten Corresfpondenzen (der
Veit Bilds in Ztfchr. des hift. Vereins f. Schwaben und
Neuburg 1893, der des Bohuslav von Haffenftein durch
Truhlar 1893 u. A.) manche werthvolle Ergänzung zu der
alten Brieffammlung von Heumann, um Sonftiges unerwähnt
zu laffen. Thurnhofer hat mit Erfolg noch
eigene Nachforfchungen angeftellt. Das gräfl. Adelmann-
fche Archiv ergab für die Familiengefchichte werthvolle
Ausbeute, aufserdem haben das ftädtifche und bifchöfliche
Archiv zu Eichftätt, das allgemeine Reichsarchiv in
München, die K. Bibliothek in Stuttgart, das ftädtifche
Archiv in Nürnberg und die Stadtbibliothek in Zürich
neuen Stoff geliefert; es ift, wie von competentefter Stelle
aus (der Commiffion für die Herausgabe der humaniftifchen
Correfpondenzen an der Akademie der Wiffenfchaften
in München) geurtheilt wurde, nichts von Bedeutung
überfehen worden. Seine Funde aus den genannten
Archiven und Bibliotheken theilt Th. im Anhang mit.
S. 144 Brief f wird anders datirt werden müffen; der
Zettel gehört nicht in den Anfang des Jahres 1523 (fo
Th.) fondern in das Frühjahr 1521; der Einseranus theo-
logus ift nämlich nicht Emfer felbft:— auf ihn pafst das:
nuper in doctorern admissus est nicht — fondern fein Ge-
finnungsgenoffe Murner, der 1519 in Bafel doctorirt hatte
(R. E.2 X, 374; W. Kawerau: Th. Murner und die deutfche
Ref. S. 2). Vielleicht dürfte das admissus est fogar eine
pointirte Anfpielung fein auf den Widerftand, den Murner,
namentlich Zafius gegenüber, zu überwinden hatte. Das
magnum opus de potestate pontificis mit feiner materia
ad canonistas ift nicht Emfers Schrift: ,wider den falfch-
genannten Ecclefiaften etc.' fondern Murners: ,Von dem
Papftthum etc.', die am 13. December 1520 erfchien und in
deren zweitem Theile Murner ausdrücklich auf das geift-
liche Recht einging. —

Auf diefem foliden Fundamente baut fich Th.'s Monographie
auf; ein erfterTheil giebt die Lebensgefchichte,
ein zweiter Adelmann's Beziehung zu feinen Freunden —
eine anfprechende Dispofition. Es ift m.E. Th. gelungen
nachzuweifen, dafs Adelmann feinen Lehrer Reuchlin
weder in Frankreich (fo Hagen: Deutfchlands liter. Ver-
hältnifse etc.) noch in Tübingen (fo Veith u. A.), fondern
in Bafel kennen lernte. In Tübingen find nur Bernhard
A.'s Brüder Konrad und Caspar gewefen, deren Imma-
triculationstermin (11. Juni 1483) nach Roth (Urkunden
S. 489) zu S. 12 und 13 fich noch hätte nachtragen laflen.
Die Äpologia Henrici quarti Imperatoris, die Spiegel
Adelmann verfpricht und Th. nicht ausfindig machen
kann ('S. 44 Anm. 4), ift zweifelsohne die von Hutten
edirte Apologie Walrams von Naumburg, welche foeben
— März 1520, Spiegel fchreibt im April desfelben Jahres —
erfchienen war (Böcking: Hütt. opp. I 47). Ueber den
Asketen Thalaffius, den Th. (S. 119 Anm. 1) nicht ausfindig
machen konnte, giebt Krumbacher's Byzant. Lite-
raturgefchichte (2S. 147) Auffchlufs. Auch in des Franken
Aldebert ,Himmelsbrief wird ein Talafius genannt; ob
er mit dem Asketen zufammenhängt? Das könnte eventuell
wichtig werden für die Herkunft des Briefes. — gutgemeint
' (S. 62 Anm. 3) kann man Emfer's Schrift de
disputatione Lipsiensi wohl nicht nennen, zweideutig und
fchillernd war fie zum minderten. — Bei der Vermuthung
des Grundes für die Abneigung Adelmann's Peutinger
gegenüber ift Th. ficher auf der rechten Spur: Peutinger's
Beziehungen zu den Fuggern war die Urfache. Adelmann
nennt mit vollem Rechte die Fugger sui (P.'s) mercatores;

! Peutinger und die Fugger hatten mit Eck gemeinfame
i Sache gemacht (vergl. die Th. entgangenen Briefe P.'sr
die von v. Oefele in den Sitzungsber. der Münchener
| Akad. der Wiffenfch. 1898 mitgetheilt find). — Im Se-
I rapeum 1867 S. 120 finde ich noch eine Notiz, dafs Me-
lanchthon (1521?) Sorge trägt, Luthers Antilatomus durch
J Pirkheimer den Brüdern Adelmann mittheilen zu laffen.

— Doch diefe kleinen Nachträge verfchwinden hinter
I der Gediegenheit der Gefammtdarftellung. DieBeurtheilung
ift nüchtern und objectiv, Adelmann wird als .Lutheraner'
offen anerkannt. Die Neigung, ihn wenigftens vor der
Apoftafie als möglichft guten Katholiken hinzuftellen,
während er thatfächlich m. E. nicht über humaniftifchen
Durchfchnittskatholicismus hinausgeht, wird man ver-
j flehen und damit verzeihen können (ebenfo S. 121 das
I Referat über Öcolampad's Schrift von der Beichte). Der
I zweite Band der ,Erläuterungen und Ergänzungen zu
! Janffen's Gefchichte des deutfchen Volkes' wird durch
Th.'s Monographie vortrefflich eingeleitet.

Giefsen. W. Köhler.

Doumergue, Emile, Unepoigneedefaux. Lamort de Calvin et
lesJesuites. Lausanne, Bride], 1900. (128 S. 12.) M. 1.—

Wie bei uns Majunke und Genoffen ihrem Hafse
gegen die Reformation dadurch Luft machten, dafs fie
j Luther als Selbftmörder enden liefsen, fo haben in Frank-
' reich die im Dienfte des jefuitifchen Fanatismus arbeitenden
Publiciften Calvin's Perfönlichkeit gefchmäht und zu diefem
Zwecke fich der fchamlofeften Fälfchungen fchuldig gemacht
. Namentlich bilden die Legenden über Calvin's
1 Tod ein Gewebe von Lügen und Verleumdungen, die
durch Zeitungen, Flugfchriften, felbft gröfsere hiftorifch
fein wollende Schriften verbreitet worden find und ein
leichtgläubiges Lefepublikum gefunden haben. Ein
Schüler Calvin's, Joh. Harenius (Haren) habe aus eigener
Anfchauung bezeugt, dafs der grofse Reformator, unter
Flüchen und Verzweifelung, einer fchändlichen Krankheit
{mort honteuse et degoüiante) erlegen fei. Der durch
den erften Band feiner Calvinbiographie (Theol. Literaturzeitung
1900, Nr. 15) bekannte Profeffor an der theo-
logifchen Facultät von Montauban hat fich die Mühe
gegeben, das complicirte Gebilde von Fälfchungen und
Lügen, das fich um Calvin's Namen gelagert hat, zu entwirren
, alle angeblichen Zeugnifse auf ihre Entftehung und
ihren Werth hin zu prüfen, die erfte Spur und das allmähliche
Wachsthum der Sagen aufzudecken, den einfachen
urkundlich feftgeftellten Thatbeftand im Gegen-
fatz zu allen aus dem Hafs und dem blinden Fanatismus
geborenen Entftellungen darzuthun. Das Büchlein Dou-
mergue's ift ein Mufter hiftorifcher Unterfuchung; es
zeichnet fich durch ftrenge Methode, glückliche Combi-
nationsgabe, eminenten Scharffinn, ruhige Objectivität
und lichtvolle Darfteilung aus. Der Verfaffer hat fich
keine Mühe koften laffen, das oft fern liegende Material
1 zufammenzutragen, alle Inftanzen kritifch zu prüfen und
die gewonnenen Ergebnifse in den richtigen Zufammen-
hang einzugliedern. Wohlthuend ift der vornehme Ton.
der den Verf. auch den gemeinften Gegnern gegenüber
niemals verläfst. Am Schlufs feiner langen Auseinander-
fetzung läfst er dem Lefer die Tragweite der hier behandelten
Probleme empfinden, welche in ihrer typifchen
Bedeutung fich als die Elemente einer question inorale
et nationale darftellen. ,Eu montrant comment, pendant
qnatre Steeles on a faussc Vhistoire de notre protestantisme,
nous avons montre a Pceuvre ce Systeme, ce Systeme Jesuitique
qui a fausse l'äme de notre peuple, et dont aujourd'hui se
1 rcvelent, avec eclat,les secrets etpresque irreparables ravages
! (78—79). Ob es dem Verfaffer gelingen wird, irgend
; einen der Gegner eines Befferen zu überzeugen, ift freilich
1 zweifelhaft; der F*all Brunetiere (S. 19—25) läfst das
Schiimmfte befürchten; immerhin war es eine muthige
That, den Kampf aufzunehmen: der ihn fo glänzend aus-