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Ausgabe:

1901 Nr. 25

Spalte:

669-670

Autor/Hrsg.:

Bovon, Jules

Titel/Untertitel:

Jésus et l‘église des premiers jours. Esquisses historiques 1901

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 25.

670

melten relativen dogmatifchen Continuität erhalten, die
in vielen Hauptpunkten bis in die paulinifch-johanneifchen
Gedanken hineinreicht, und damit fie andererfeits fich
von der Trockenheit und Geiftesöde überzeugen können,
die das Endergebnifs eines wirklich Itreng durchgeführten

Band giebt unter dem etwas weiten, vielverheifsenden
Titel folgende Stücke: Le Christ de la legende et celui
des Evangiles— La ientation de Jesus-Christ — Judas
Iscariot ou la chute d'un apbtre — Saint Paul et la
liberte chri'tienne — Los ministeres et les charges dans

kirchlichen Dogmatismus ift. Der thomiftifch-vaticanifche | l'Eglise apostolique — Le developpement de la littirature
Charakter des Werkes verräth fich in der Ausmerzung j du Nouveau Testament. — Die zweite Schrift umfafst
aller Anklänge an modernen Philofopheme aus der von heben Betrachtungen: La verite religieuse — La Parole
der Dogmatik anzuerkennenden naturlichen Theologie, faite chair — Le Christ au Calvaire—La foi — La justifici-
in dem beffändigen Recurs auf Entfcheidungen des cation — Delection. Das innere Band, welches die einThomas
und des Vaticanums und in der völlig feru- j zelnen Stücke der zweiten Sammlung zufammenfchliefst,

hat der Verf. felber in folgenden Worten gefchildert: Cet
expose fait appel, en premicr Heu, a Pinstinct religieux qui
sommeille dans tout coeur humain, pour tnontrer ensuite
l'objet de ce sentiment — Dien — s'abaissant jusqu' a
F komme dans son Etls, et F komme saisissant de son cote,
s'il a la foi, le message redempteur qui lui dornte, avec la

B

ellofen, fpielend siegreichen Behandlung hiftorifcher
)inge, in denen jedesmal die päpfUichen Entfcheidungen
oder die sententia communis der Theologen die Wahrheit
feftftellt, da es ja zu folchen Entfcheidungen nicht
gekommen wäre, wenn he nicht wahr wären. Von einem
inneren Kampfe mit den Problemen des modernen Men-

fchen ift nicht das leifefte zu fühlen. Die katholifche j certitude du pardon, laforce de vaincre le mal et la ferme
Hiltorie befeitigt alle Zweifel an der Uebernatürlichkeit j conviction de posseder le tresor Celeste (6). Dafs beide
der Kirche, und die Philofophie der fubftantialen Formen j Schriften geeignet find, fowohl anzuregen als zu erbauen,

befeitigt wie ehemals die Difhcultäten einer feindfeligen
Vernunft. Die den Verfaffer befchäftigenden Probleme
find daher rein innerdogmatifcher Natur, wie z. B., ob
das Höllenfeuer wirkliches oder bildliches Feuer fei,
während doch der Wurm, der nicht ftirbt, hcherlich
bildlich zu verftehen ift; oder ob den facramentalen
Bufswerken, Falten, Gebet, Almofen aufser dem meritori-
fchen Charakter nicht doch wegen der damit verbundenen
Mühe auch pönaler Charakter zukomme; oder ob
die von Chriftus auferweckten und daher zweimal fter-
benden Perfonen das göttliche Gericht einmal oder zweimal
, das erfte oder das zweite Mal erleben u. f. w. Be-
fonders bezeichnend für die dogmatifche Auffaffung ift
die Vereinigung ftrengfter, traditionaliftifcher Lehrgefetz-
lichkeit mit dürrftem rationaliftifchem Beweisbedürfnifs
und mit überall am Ende ftehendem contemplativem
Myfticismus, wozu noch ein fehr verftändiger, den menfeh-
lichen Mittelfchlag vernünftig behandelnder Moralismus
kommt. Das Verdienft der Glaubensunterwerfung, der

fleht zweifellos zu erwarten. Vielleicht würden fie aber
noch wefentlichere Dienfte leiften, wenn die berichteten
Thatfachen und die ausgefprochenen Gedanken fchärfer
und beftimmter gezeichnet wären. Sämmtliche Effays
führen eine Sprache, die zwifchen der nüchternen Darfteilung
der Gefchichte oder der Abhandlung und dem
erbaulichenTonederPredigt unficher hin und her fchwankt;
in einzelnen Stücken läfst die homiletifche Anwendung,
welche der Verf. auf feine Lefer macht, vermutiien, dafs
wir es hier mit Kanzelvorträgen zu thun haben, die nachträglich
zu populären theologifchen Differtationen umgeformt
wurden. Auch hätte eine gedrängtere Zufammen-
faffung des Inhaltes und eine ftraffere Verknüpfung der
oft fehr breit fich ergehenden Gedanken die Wirkung des
Ganzen erhöht und auf den Lefer einen kräftigeren, nachhaltigeren
Eindruck gemacht. Immerhin wäre es kaum
gerecht, den Wunfeh zu äufsern, der Verf. hätte diefe
Studien in der Nekropole der Zeitfchriften weiter
fchlummern laffen follen; in der verjüngten Geflalt, die

Triumph rationaler Beweiskunft, die möglichft grofse er ihnen gegeben — die meiften find forgfältig überAnzahl
guter, den natürlichen Egoismus bezwingender | arbeitet worden — werden fie folchen, die durch kritifche

Werke und die myftifche Participation an einem das
Wefen der Creatur überfchreitenden und nur dem Men-
fchen willkürlich zugewendeten göttlichen Sein, das macht
den Katholicismus der theologifch Gebildeten, in welchen
nur durch einige Paragraphen der Katholicismus der
Menge, der Teufelsbefchwörer, Reliquienverehrer, der
Herz-Jefu-Andachten u. f. w. hereinragt.

Heidelberg. Troeltfch.

Sorgen nicht gequält und durch fonftige Zweifel nicht
angefochten find, Förderung gewähren und Segen fchaffen.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Bovon, Prof. Jules, Jesus et l'eglise des premiers jours.

EfquilTes hiftoriques. Laufanne, G. Bridel & Co, 1901.
(281 S. 8.)

Bovon, Prof. Jules, Christianisme et religion. Laufanne, G.
Bridel & Co., 1901. (299 S. 8.)

Die zwei elegant ausgeftatteten Schriften des Verf.s
können zufammen befprochen werden, weil fie fich beide
durch denfelben Charakter auszeichnen und einen iden-
tifchen Zweck verfolgen. Die dreizehn ,Effays', welche
in diefen zwei Bänden vorliegen, find, mit Ausnahme von
zwei im erlten Bande enthaltenen, bereits früher in Zeitfchriften
erfchienen und haben dort eine freundliche und
dankbare Aufnahme gefunden. Der Verf. hat fich die
lobenswerthe Aufgabe geftellt, das hiftorifche und religiöfe
Lrgebnifs feiner theologifchen Arbeit dem gebildeten
Laienpublicum zugänglich zu machen. Die wiffenfehaft-

hche Begründung und Ausführung der erften Schrift kann d. h. Offenbarung0Gottes zeigt der Veriafferf wiefeiu
man aus B.'s Theolostie du Nouveau Testament 2 Bände, ! gerade in der heiligen Schrift Wort Gottes nahen rolrli»

Ivcrf Th f :► -7_:W ,(!n< KI. . KT. « u„j_..^____ • ?ir.._j , ,ir • r "«ueu, wcibuc

Heine, Sem.-Dir. a. D. Schuir. Gerhard, Das Wesen der
religiösen Erfahrung. Leipzig, E. Haberland, 1900.
(III, 103 S. gr. 8.) M. 2.—

Wie das Buch von Petran, das in Nr. 2 diefes Jahrganges
befprochen wurde, behandelt auch die obige
Schrift den Begriff der religiöfen Erfahrung. Sie nimmt
auf ihren erften Seiten direct Bezug auf Petran, geht
aber dann felbftändig ihren Weg, jedoch vielfach parallel
mit der von Petran eingefchlagenen Bahn. Nach einer
allgemeinen Einleitung, in der die Aufgabe beltimmt
und der Standpunkt des Verf.'s zum Voraus fkizzirt
wird, handelt Capitel I ,vom Wefen der religiöfen Erfahrung
überhaupt': ausgehend von der Wortableitung
und vom Sprachgebrauche fucht der Verf. zuerlt den
allgemeinen Begriff von Erfahrung, dann das Wefen
und die Bedingungen der religiös-fittlichen, insbefondere
chriftlichen Erfahrung feftzuftellen. Capitel II, mit der
Ueberfchrift ,von dem Worte Gottes als der vornehmften
Macht zur Bildung der religiöfen Erfahrung', ift das
Hauptftück der ganzen Unterfuchung (S. 33—75): nach
kurzer Erörterung des allgemeinen Begriffes von Wort,

rn wir

(vgl. Th. Lit. Zeitg. 1894. Nr. 7; 1895, Nr. 3), die
der zweiten aus B.'s Dogmatique chretienne 2 Bde, (Th.
Lit. Zeitg. 1896, Nr. 4; 1897, Nr. 6) holen. Der erfte

Bedeutung dabei Wundern und Weisfagungen zukommt,
und wie über die bleibende Geltung des neuen und des'
alten Teftamentes zu urtheilen ift; fodann fchildert er