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Ausgabe:

1901 Nr. 22

Spalte:

592-595

Autor/Hrsg.:

Praetorius, Franz

Titel/Untertitel:

Über die Herkunft der hebräischen Accente 1901

Rezensent:

Gregory, Caspar René

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591 Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 22. 592

macht fich noch einmal die Bedeutung der Anfchauung Praetorius, Franz, Über die Herkunft der hebräischen

Sß^^^^^^yP^^^^r Gröfsen Accente. Berlin, Reuther & Reichard, 19CO. (V, 54 S.
(Cap. XXIII). — Den Befchlufs des Buches macht ein Q

Capitel (XXIV) über die Einwirkung der religiöfen An- | §n 84 M- 4-—

fchauungen auf die Auffaffung des Geiftigen im Menfchen. Der Verf. diefes Heftes führt auf S 1 die Anregung

Geifhges und Leibliches werden weder über- noch unter- zu feiner Arbeit auf Lagarde zurück erklärt aber, dafs
fchatzt, weder vermengt noch duahftifch auseinanderge- zwei von den drei Schriften, auf die Lagarde verweift,
nffen. Dagegen macht fich in fteigendem Maafse die An- ihm unzugänglich find. Es ift bedauerlich, dafs der Verf.
fchauung von der Supenontat des Geiftigen geltend. 1 fie für unzugänglich gehalten hat, denn er wird gewifs
Charaktenftifch dafür ift die Gefchichte des Begriffes ITH, , zugeben, dafs Lagarde nicht gewöhnt war, Titel unnützer
deren Wirkungen mehr und mehr ethifirt werden, und die Weife anzuführen, und es ift möglich, dafs Einficht in die
zur Urfache alles geiftigen Lebens im Menfchen wird; und zwei Schriften die Anflehten des Verf. ftark beeinflufst
dabei wird von K. der Thatfache gebührend Rechnung ; haben würde. Nicht zum wenigften ift es bedauerlich,

getragen, dafs (im Gegenfatze zu ice; und rfb) zu ITH die
Parallelen auf femitifchem Gebiete fehlen oder dem atl.
Gedankenkreife entlehnt find.

Diefe gedrängte Ueberficht vermag nur eine dürftige
Vorftellung vom reichen Inhalte unferes Buches zu geben

weil der Verf. zu jeder Zeit das eine Buch, Smith und
Cheatham's Dictionary of Christian antiquities, auf der
Hallenfer Univerfitäts-Bibliothek im Lefefaal, links vom
Eingange, und das andere Buch, K. W. E. Nägelbach's
hebräifche Grammatik, eine der Ausgaben mit dem An-

Vielleicht dafs er unter des Verfaffers Beftreben, die ein- J hange, auf der Bibliothek des Waisenhaufes hätte ein
zelnen pfychifchen Phänomene in einen grofsen Zufammen- i fehen können.

hang hineinzuftellen, nur allzu reich ausgefallen ift. Ich _. , , ,, ,A - , . „ , .

hätte öfter eine gröfsere Concentration, mehr Prägnanz c TDer l"halt f ^ender: f. 1 bietet den Plinweis
gewünfeht, und damit zugleich ein fchärferes Hervor- T*f £aS?rd5; ~ .SQ[, u"ten bls S. 41 die Unterfuchungen
treten der grofsen durchgehenden Hauptlinien. Dafs K. 1 des Ver,£ uber dle Munkzue'c"en "?,.de,n Lefebüchern der

den Einflufs der Religion auf die Auffaffung der Aufsen-
weit und des Geiftigen gerne einer gefonderten Befprechung
vorbehalten hat, ift verftändlich genug, lag ihm doch
daran, aus den behandelten pfychifchen Problemen umgekehrt
wieder Schlüffe auf die Eigenart und Bedeutung
der religiöfen Anfchauungen zu ziehen. Und doch gereicht
m. E. diefes Zerfällen der israelitifchen Auffaffungs- | der Juden mit dem Chriftenthum und die Verbindung

Evangelien in der griechifchen Kirche; — und S. 41
Mitte bis 54 die Aehnlichkeit diefer Zeichen mit den
hebräifchen Accenten.

Es wird fich empfehlen, zuerft die Frage, um die es
fich handelt, uns klar vor Augen zu ftellen, und fodann
die Löfung des Verf. zu unterfuchen. — Die Verbindung

weife von Aufsenwelt und Geiftigem dem Buche zum
Schaden; denn thatfächlich ift fie felber viel zu .religiös'
geftimmt, als dafs fich ein folches Zerfällen überall oder
nur irgendwo fäuberlich vollziehen liefse, am allerwenigften
auf primitiven Stufen. Natürlich ift diefe Schwierigkeit
dem Vf. keineswegs verborgen geblieben (vgl. z. B. S. 94);

einer jüdifchen mit einer chriftlichen Vorlefungskunlt
find nichts Zufälliges. Man müfste vermuthen, diefe
Verbindung fei eben fo generifch wie jene. Die Juden
lafen ihre hebräifchen Schriften in der Synagoge vor,
und zwar nicht erft nach der Entftehung des Chriften-
thums. Schon vor der Geburt Chrifti wurden die alt-

die vielen Verweifungen hin und her (z. B. S. 76k 90. 1 teftamentlichen Schriften ins Griechifche überfetzt und
103. 147. etc.) find im Grunde nur ein Zeugnifs, wie oft j wahrfcheinlich manchmal in der Diaspora im Anfchlufse
er fich von ihr gedrückt fühlte. Aber felbft mit ihnen j an das Hebräifche vorgelefen. Die griechifchen Juden,
kommt er nicht aus. Gelegentlich läfst ihn fein Bemühen, die damals die Weltbildung einfaugten, und die, wie Philon
vom unmittelbaren Einfiufse der religiöfen Weltanfchauung | und fein Vorgänger Ariftobul, alle Schätze des griechi-
rm 1. Theile abzufehen, einfach im Stiche; denn was ' fchen Geiftes Mofe vindicirten, werden fich auch mit der
Anderes hat es zu bedeuten, wenn wir z.B. fchon S. 110 Mufik der Griechen (vgl. Karl v. Jan, Musici scriptores Graeci,
lefen, es fei für die Naturauffaffung des A. T. charakte- Leipzig 1895) befafst haben. Leicht könnten dann von

riftifch, dafs die Abhängigkeit der Creatur von Gott gerne
als eine bewufst empfundene hingeftellt werde? Entbehrt
fchon fo der Gang der Darftellung einer gewiffen Folgerichtigkeit
, fo wird diefer Eindruck für mich noch dadurch

ihnen fowohl Tonfolgen als auch Tonzeichen aus griechi-
fcher Quelle in die jüdifche Vorlefungskunft aufgenommen
worden fein. Ob das griechifche A. T. vor Chrifti
Geburt in rein jüdifchen Synagogen vorgelefen worden

verftärkt, dafs K. m. E. mit dem Begriffe der geiftigen J ift oder nicht, fo ift es ficherlich in mancher der werden-
Entwickelung, den er — richtig gefafst — im Princip [ den chriftlichen Gemeinden vorgelefen worden, die an-
durchaus anerkennt (S. löff.), in Wirklichkeit nicht recht ■ fangs hauptfächlich auf das jüdifche Element zurück-
Ernft macht, dafs er vielmehr ausgehend von der Conftanz j gingen. Es wird kaum zu beftreiten fein, dafs diefe
der pfychifchen und der Zähigkeit der fprachlichen Er- | erfte chriftliche Vorlefung, durch Judenchriften vielfach

fcheinungen die atl. Auffaffung der Aufsenwelt und des
Geiftigen zu fehr als einheitliches Ganzes nimmt (vgl. z.
B. S. 22. 89), — ein Erbftück wohl der frühern biblifchen
Pfychologie. Mit alle dem foll der Dank nicht gefchmälert
werden, den wir dem Vf. fchulden, dafs er von grofsen
z. T. neuen Gefichtspunkten aus den Verfuch einer einheitlichen
Darfteilung von Problemen, an denen man
theilweife vielleicht zu flüchtig vorübergegangen ift, un

beforgt, fich mit einer gewiffen Nothwendigkeit an die
jüdifche Art, das griechifche, aber befonders das hebräifche
A. T. vorzulefen, angelehnt haben mufs. Diefe
Verbindung des Judenthums mit dem Chriftenthum ift
offenkundig und die Schlüfse auf Fortfetzung der Art
des Vortrages fcheinen richtig zu fein. Mit fortfehreiten-
der Zeit kamen chriftliche Schriften dazu, zuerft als
menfehliche Erzeugnifse in weniger anfpruchsvollerWeife,

ternommen hat. — Zum Schluffe zwei Kleinigkeiten. fodann als göttliche Schriften neben dem A. T. vorge-
Renan wird nicht mit e gefchrieben (vgl. dagg. S. 50. 51. 54. | lefen zu werden. Es wäre wiederum naturgemäfs zu
118. 142), und gegen die Behauptung, es finde fich im ! erwarten, dafs die Weife, diefe Schriften vorzutragen, an
A. T. fo gar nichts von dem Glauben, dafs Krankheiten die jüdifch und jüdifch-chriftliche Weife, die Schriften

auf die Wirkungen böfer Dämonen zurückgehen (S. 169),
vgl. meinen Commentar zu Lev. S. 43.

des A. T. vorzutragen, fich anfchliefsen würde. Aehnlich
fchreibt Wilhelm Chrift in Bezug auf die noch künftlichere

Bafel. Alfred Bertholet fuC}k des Chriftend™™ (Chrift und Paranikas, Äntho-

logia Graeca carnunnm clinstianorum, Leipzig 1071,
S. CXI): ,Dnplici de fönte mnsica ctrs christianorum orta
esse videtur, de modis psalmorum et de arte atque dis-
ciplina Graecornm. Ut enim cantus ecclesiae cliristianae