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Ausgabe:

1901 Nr. 21

Spalte:

571-574

Autor/Hrsg.:

Evseev, Jvan

Titel/Untertitel:

Das Buch des Propheten Jesaja in der altslavischen Uebersetzung 1901

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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Theologifche Literaturzeitung. 1901. Nr. 21.

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jcagitvai, S. 173 Nr. 51 jieqi xov dyidöfiaxog JtQokeycov ,er
fprach von der Heiligung' ftatt: er weisfagte vom Tempel,
ib. rj xaQ-aiQEOig = die Reinigung, S. 152 XVIIa xlg
evxöXcog övvrjOEzai xovxov dxeQcciog öoxcfcdöat; — wer
wird das leicht auf feine Reinheit prüfen? S. 129 Nr. 61:
edvöcoJCEi xovg xoxe ovxag dvQ-Qcönovg sjciyvcövat avxöv
,er brachte die damalige Menfchheit fo in Verwirrung,
dafs fie ihn nicht erkannte' fl. er zwang förmlich die
Menfchen ihn zu erkennen?? Dafs S. 1661 das Adverb rjQE[ia
für ein Adjectiv gehalten (,eine milde Kunde') und die Bedeutung
der doch z. B. bei Origenes fo beliebten Formel
cog dZrjfrcög neben dyad-y dyyeZia (,wie eine wahre, gute
Botfchaft') ähnlich verkannt wird, will ich als letzte Belege
dafür anfuhren, dafs Preufchen's Ueberfetzung nicht
geeignet ift, ein Lexidion zu erfetzen; wir werden gut
thun, die Seiten 105—175 des Buches beim Gebrauche zu
ignoriren.

Marburg i. H. Ad. Jülicher.

EBCBEBT>, HßaHi, Kimra iipopo-Ka Ilcaiii bi> ApeBiie-
ciaBHHCKOMT) nepeBo^i. Evseev, Jvan, Das Buch
des Propheten Jefaja in der altflavifchen Ueberfetzung.
In zwei Teilen. Erfter Teil: Die flavifche Ueberfetzung
des Buches des Propheten Jefaja nach Hand-
fchriften des 12. bis 16. Jahrhunderts. Zweiter Teil:
Das griechifche Original der flavifchen Ueberfetzung
des Buches des Propheten Jefaja. St. Petersburg,
Jakovlev, 1897. (II, 168, 145 u. III. S. gr. 4.)

Durch die Schuld des Referenten hat fich diefe Anzeige
fo lange verzögert. Doch dürfte auch eine ver-
fpätete Befprechung völligem Schweigen vorzuziehen fein,
da wegen der Unbekanntfchaft mit der ruffifchen Sprache
Evseev's Arbeit fonft leicht in der deutfchen theologifchen
Literatur unbeachtet bleiben möchte, während fie doch
als tüchtige wiffenfchaftliche Leinung ein anderes Ge-
fchick wohl verdient hat. Ueberhaupt läfst fich in der
theologifchen Gelehrtenwelt Rufslands das ernfte Bemühen
nicht verkennen, an der wiffenfchaftlichen Arbeit
theilzunehmen. Einen ihrer vorzüglichften wiffenfchaftlichen
Vertreter, V. Bolotov, hat fie leider vor einem Jahre
(5. April 1900, erft 46 Jahre alt) durch den Tod verloren,
einen Mann von aufserordentlicher Vielfeitigkeit namentlich
fprachlicher und hiftorifcher Kenntnifse (Ueber ihn
als Kirchenhiftoriker handelt Brilliantov im Aprilhefte 1901
der ,Chriftlichen Leetüre' [ruff.]). Aus der Befprechung
Harnack's 1890 S. 502fr. ift den Lefern Glubokovskij bekannt
. Derfelbe hat fich inzwifchen von der Kirchen-
gefchichte der Exegefe zugewandt und bereits eine ganze
Anzahl von exegetifchen Unterfuchungen veröffentlicht:
,Ueber das Paffamahl Chrifti und über die Beziehungen
des gleichzeitigen Judenthums zum Herrn' (St. Petersburg
1893), ,Die Ehefcheidung wegen Ehebruchs und ihre
Folgen nach der Lehre Chrini des Erlöfers' (1895), ,Die
Bekehrung desSaulus und das Evangelium des hl. Apoltels
Paulus' (1896), ,Das griechifche handfehriftliche Evange-
liftarium aus der Sammlung des Prof. I. E. Troickij (1897),
,Der gegenwärtige Stand und die weiteren Aufgaben der
Erforfchung der griechifchen Bibel in philologischer Hinficht
' (1898 enthält zugleich eine Ueberfetzung der Schrift
Deifsmann's ,Die fprachliche Erforfchung der griechifchen
Bibel' etc.), ,Die neueflen Errungenfchaften für die Textkritik
des Neuen Teftaments' (1899; befonders über Cod.
N), ,Die Heilsverkündigung des Paulus und die Theofophie
Philo's von Alexandrien' (erfcheint in der .Chriftl. Leetüre)
u. a. Auch die abendländifche Wiffenfchaft wird fich
der Aufgabe nicht entziehen können, von den Leifhingen
der ruffifchen theologifchen Forfchung Kenntnifs zu
nehmen. Ihr hierfür zu dienen wird auch die Aufgabe
diefer Anzeige fein, für die fich fchon hieraus der Charakter
eines Referates als das Gewiefene ergibt. — Die altflavifche

Bibelüberfetzung, über die in Bezug auf Jefaja die vorliegende
Unterfuchung in erfter Stelle unterrichten will,
wird ja freilich für den biblifchen Text nur einen fecun-
dären Werth beanfpruchen können wegen ihrer verhältnifs-
mäfsig fpäten Entftehung. Aber auch fie darf von der
Berückfichtigung nicht ausgefchloffen bleiben. Unmittelbarer
fpringt ins Auge die Bedeutung, die diefe Ueberfetzung
für die Gefchichte der altflavifchen Sprache und
Literatur befitzt. Daher ift die Frage nach dem Urfprunge
und Wefen der altflavifchen Bibelüberfetzung eine fchon
lang und viel erörterte. Aber die Durchforfchung des
Textes der altteftamentlicher Bücher felbft ift, abgefehen
vom Pfalter, noch wenig in Angriff genommen worden,
und noch weniger ift für die Unterfuchung des von den
altflavifchen Ueberfetzungen verwertheten Bibeltextes ge-
fchehen. Lagarde hat die lucianifche Recenfion als die
in der flavifchen Bibel vorauszufetzende bezeichnet; und
eben dies hat Leskien in feinem Artikel über altflavifche
Bibelüberfetzungen in PRE3 III, 155 als das einzige
Sichere in Betreff der kirchenl lavifchen Recenfion hin-
zuftellen gewufst, indem er zugleich betont, dafs das Ver-
hältnifs im Einzelnen noch durchaus zu unterfuchen ift.

Nicht von der fchon vielfach erörterten Ueberliefe-
rung über die altflavifche Ueberfetzung, fondern von
diefer Ueberfetzung felbft, wie fie in den Handfchriften
des 12. bis 16. Jahrhunderts vorliegt, geht der Verfaffer
aus und fucht zunächlt ihre urfprüngliche Geftalt nach
Möglichkeit feftzuftellen. Diefe Ueberfetzung ift eine
doppelte. Die eine findet fich im Paremijnik, dem Pro-
phetologion, der Sammlung kirchlicher Lectionen vorzüglich
aus dem Alten Teftamente auf den gottesdienft-
lichen Jahrescyclus, von der Chriftvefper beginnend; die
andere in der ,erklärten Weisfagung', der prophetifchen
Catene. Für die erftere, die Abfchnitte aus 43 Jefaja-
capiteln enthält, hat der Verf. 41 Handfchriften, für die
letztere 40 berückfichtigt, 27 refp. 10 befchrieben; zu
Grunde legte er unter den erfteren den Paremijnik Gri-
gorovitfch's Cod. 2 im Rumjanzev-Mufeum in Moskau
aus dem 12. Jahrh., den R. Brandt in Moskau jetzt voll-
ftändig herauszugeben unternommen hat, und den Zachar-
jinfehen Cod. 13 der St. Petersburger Oeffentlichen Bibliothek
saec. 13. Der flavifche Jefajatext in der Recenfion
des Prophetologion und der Catene geht auf ganz
verfchiedene griechifche Originale zurück und repräfen-
tirt zwei verfchiedene Ueberfetzungen; dennoch zeigt fich,
wie leicht erklärlich, der Catenentext mehrfach durch den
des kirchlich gebrauchten Prophetologion beftimmt.
Diefer Letztere ift fraglos der ältere. Neben zahlreichen
Gräcismen weift er auch Latinismen auf. Als feinen Verfaffer
läfst er einen Mann erkennen, der mit der prophetifchen
Schrift wohl vertraut ift, die griechifche wie die
flavifche Sprache trefflich beherrfcht und mit Gefchick
felbft Schattirungen des Tones wiederzugeben vermag.
Im Ausdrucke trifft er mit dem der älteften Evangelien-
überfetzung öfters zufammen. Die Latinismen bekunden
eine Neigung, fich der abendländifchen Terminologie zu
bedienen. Alles dies und die Befchränkung der Ueberfetzung
auf die zur kirchlichen Vorlefung beftimmten
Stücke lafifen E. an die Begründer des flavifchen Kirchen-
wefens denken, zumal fchon Papft Johann VIII von alt-
teftamentlichen Lectionen in flavifcher Sprache redet.
Nur zwei Handfchriften der von E. verwertheten 41 bieten
den Text in bulgarifcher, ebenfoviel in ferbifcher, die
übrigen in ruffifcher Schrift, — ein Zeichen der Umwande-
lung, welche die Textgeftalt des Paremijnik im kirchlichen
Gebrauche erfahren hat. Dagegen geht der Text der
flavifchen Prophetencatenen ohne wefentliche Differenzen
auf ihren Archetypus zurück, eine Folge ihrer geringen
Benutzung. Auch diefe Ueberfetzung weift E. bereits
dem IO. Jahrh. zu, da fie fich in Handfchriften fchon des
11. Jahrh.s und in alten Ueberfetzungen verwerthet findet,
wenn gleich die älteften erhaltenen Catenenhandfchriften
dem 15. Jahrh. gehören. Die Ueberfetzung des Jefaja-